Die Bedeutung des Unrechtsbewusstseins in der Jugendstrafrechtspflege: Eine Untersuchung der Sanktionspraxis und der Einstellung delinquent gewordener Jugendlicher zu ihrer Straftat

Ref. 9160

Allgemeine Beschreibung

Periode

2007 bis 2009

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Deutschschweiz (Kantone BL, BS, BE, SO, SG, ZH)

Kurzbeschreibung

Ausgangslage: Das neue Jugendstrafrecht wurde am 1.1.2007 in Kraft gesetzt. Neben der Heraufsetzung der Altersgrenze der Strafmündigkeit von sieben auf zehn Jahre und der Möglichkeit, in besonderen Fällen eine Einschliessung bis zu vier Jahren auszusprechen, stellt das neue Recht auch klar, für welche Sanktionen die Fähigkeit zu schuldhaftem Handeln, d.h. die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen und sich entsprechend dieser Einsicht zu verhalten, verlangt wird. Die Jugendgerichte müssen demzufolge auch bei Massnahmebedürftigkeit Strafen aussprechen, sofern ein schuldhaftes Handeln vorliegt. Für das Ausfällen einer Strafe muss Rehberg (2001) zufolge die Schuldfähigkeit im Sinne der Zurechnungsfähigkeit gegeben sein, weil ansonsten der erzieherische Gedanken des täterorientierten Jugendstrafrechts nicht umzusetzen wäre. Die Strafe hat sich nach dem Alter und der Persönlichkeit des jugendlichen Täters und erst in zweiter Linie nach seinem Verschulden zu richten. Das Verschulden, wie auch die Angemessenheit der Sanktion müssen nach besonderen Kriterien beurteilt werden. Unter den ersten Aspekt fallen z.B. das Alter und der Entwicklungsstand des Täters, unter den zweiten Gesichtspunkt z.B. die Strafempfindlichkeit oder die Einstellung zur begangenen Tat (cf. ibid.). Gemäss Bundesgerichtsentscheid (BGE 99 IV 137) steht die Wahl der zu treffenden Massnahme weitgehend im Ermessen der urteilenden Behörde. Hierfür ist eine "gründliche Erforschung der Persönlichkeit" erforderlich, um feststellen zu können, welcher Sanktion der Täter im Einzelfall bedarf (Rehberg, 2001). Für das Vorgehen zur Abklärungen der Massnahmebedürftigkeit und Schuldfähigkeit existieren keine bindende Vorgaben. In Anbetracht fehlender Richtlinien interessiert, inwiefern und wie häufig bei verurteilten Jugendlichen eine Einsicht in das Unrecht der Tat nachweisbar ist und auch nach welchen Massstäben bei ausgefällten Strafen die persönlichen Umstände sowie der Entwicklungsstand des Täters beurteilt werden. Wissenschaftliche Zielsetzung: - Entwicklung einer geeigneten Operationalisierung des Unrechtsbewusstseins - Untersuchung der Bedeutung des Unrechtsbewusstseins für die Praxis der Jugendstrafrechtspflege Fragestellungen: Mit Bezug auf die Praxis der Jugendstrafrechtspflege werden folgende Fragen untersucht: - Welchen Stellenwert hat das Unrechtsbewusstsein im Vergleich zu anderen Kriterien beim Sanktionsentscheid? - Welchen Stellenwert hat das Unrechtsbewusstsein beim Sanktionsvollzug? Mit Blick auf die Charakterisierung der Klientel der Jugendstrafrechtspflege liegt der Fokus des beantragten Forschungsprojekts auf den Fragen: - Unterscheiden sich die Jugendlichen mit verschiedenen Interventionen bezüglich ihres Unrechtsbewusstseins? - Inwiefern steht der Grad der Unrechtseinsicht in Zusammenhang mit entwicklungsbedingten im Gegensatz zu situationsbedingten oder relativ stabilen Einflussfaktoren für delinquentes Verhalten? Theoretische Grundlage: Anhand eines entwicklungspsychologische Ansatzes soll ein Beitrag an die Rechtspsychologie und an die "developmental criminology" im Bereich der Beurteilung straffällig gewordener Jugendlicher geleistet werden. Das zugrundeliegende Entwicklungsverständnis ist die "Selbstkontrolle der Entwicklung oder Entwicklung durch Handlung" (Flammer, 1999). Methodisches Vorgehen: Im Rahmen eines am Fachbereich Soziale Arbeit der Berner Fachhochschule bereits angelaufenen Forschungsprojekts "Klientel und Praxis der Jugendstrafrechtspflege" (DoRE) werden zusätzliche Datenerhebungen vorgenommen. Angestrebt werden ca. 500 persönliche Interviews mit verurteilten Jugendlichen, eine Strafaktenanalyse, eine schriftliche Befragung von urteilenden Behörden und Betreuungspersonen sowie leitfadengestützte Gespräche mit Leitungspersonen. Gewählt wird ein quantitativ-diagnostisches Vorgehen.

Resultate

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