Kinder, die auffallen. Eine Ethnographie von Anerkennungsverhältnissen im Kindergarten

Ref. 12754

Allgemeine Beschreibung

Periode

2016-2019

Geographischer Raum

Zusätzliche geographische Informationen

German-speaking Switzerland

Kurzbeschreibung

„Die schwierige Praxis der integrativen Schule“. So titelt die Neue Zürcher Zeitung einen ihrer vielen Artikel über das in der Schweiz seit einigen Jahren praktizierte Schulmodell. Das hier präsentierte Forschungsprojekt nimmt sich dieser Praxis an und zielt auf fundierte Erkenntnisse zur Umsetzung der integrativen Idee auf der ersten Schulstufe. Schweizer Kindergärten beschulen seit der Einführung des Kindergarten-Obligatoriums und des integrativen Modells praktisch alle Kinder eines Schuljahrgangs. Der Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft entwickelt sich entsprechend immer stärker zu einer Kernanforderung pädagogischen Handelns. Im Fokus des Forschungsvorhabens steht dieser pädagogische Umgang mit Heterogenität. Das Projekt erforscht vom ersten Kindergartentag an, wie Lehrpersonen anfangen, Kinder zu unterscheiden, und wie es dazu kommt, dass Kinder auffallen. Leitend ist dabei die Frage, wie und auf der Grundlage welcher Normen von Anerkennbarkeit Subjektpositionen von Kindern ausgehandelt werden. Dabei interessieren die impliziten und expliziten Kriterien der Unterscheidung sowie die schulischen Normalitätsvorstellungen der Lehrpersonen. Der Prozess der Identifikation ‚auffälliger Kinder’ sowie die Thematik der Anerkennung werden in den Blick genommen, weil beides von hoher Bedeutung für die schulische Sozialisation und Zugehörigkeit ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse dazu ermöglichen es, die Auswirkungen der Anerkennungsverhandlungen auf das Wohlergehen der Kinder und auf die soziale (Differenz-)Ordnung der Schulklasse zu erhellen. Grundlagentheoretisch wird das Projekt in der Praxistheorie verortet, mit einem Fokus auf Prozesse des doing difference. Dieser Zugang wird mit anerkennungstheoretischen Überlegungen nach Judith Butler kombiniert. Anerkennung wird dabei nicht als moralische Anforderung an die pädagogische Praxis verstanden, sondern primär als Ausgangsbedingung für die Subjektivierung von Kindern als Schüler/innen. So können Anerkennungsprozesse machtkritisch analysiert werden. Um sie empirisch zugänglich zu machen, werden – wiederum praxistheoretisch gewendet – Praktiken der Adressierung in den Blick genommen. Das Projekt ist als eine (schul-)ethnographische Studie konzipiert, die mittels teilnehmender Beobachtung, problemzentrierten Interviews sowie Dokumentenanalysen vier Kindergärten im Kanton Zürich in den Blick nimmt. Diese werden nach sozioökonomischen Kriterien maximal kontrastierend ausgewählt, um unterschiedliche Aus-prägungen von Heterogenität einzubeziehen. Der Fokus liegt auf den Praktiken der Lehrpersonen. Die Überlegungen der Lehrpersonen zu ihrem alltäglichen Handlungsfeld sowie die Reaktionen der Kinder auf die Praktiken der Lehrpersonen werden dabei ebenso betrachtet wie die im Feld verwendeten Artefakte und Dokumente. Nebst den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Herstellung von Auffälligkeit und zu Anerkennungsverhältnissen im Kindergarten bietet das an der PH Zürich verankerte Projekt auch eine Reflexionsgrundlage für angehende und im Beruf stehende Lehrpersonen, insbesondere für die Reflexion von Vorstellungen zur ‚normalen Schülerin’ sowie für die Reflexion der eigenen Adressierungspraktiken.

Resultate

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