Die Nachfrage nach familienergänzender Betreuung wird aufgrund einer Analyse des Nachfrageverhaltens bestimmt. Die Analyse des Nachfrageverhaltens basiert auf Daten, die bei Haushalten mit Kindern mittels eines Choice Experiments erhoben und mit einem Discrete Choice Modell ausgewertet wurden. Dieses ökonometrische Modell erlaubt die Schätzung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt eine bestimmte Betreuungsform wählt in Abhängigkeit der wichtigsten Einflussfaktoren: Eigenschaften der verfügbaren Betreuungsangebote: im Vordergrund stehen Verfügbarkeit, Preis und Qualitätsvariablen, Eigenschaften des Haushaltes: Einkommen, Berufstätigkeit der Eltern, Anzahl Kinder im Haushalt und Regionale Variablen: Städtische und ländliche Lebensstile, kulturelle Repräsentationen von Kinderbetreuung (Unterschiede Deutschschweiz und lateinische Schweiz). Die wichtigste Datengrundlage für das Discrete Choice Modell bildet eine Umfrage bei 750 Haushalten mit Kindern im Vorschulalter (0-4 Jahre) in der deutschen, französischen und italienischen Schweiz. Aufbauend auf den mit dem Discrete Choice Modell berechneten "Wahlwahrscheinlichkeiten" wird ein Simulationsmodell formuliert. Das Simulationsmodell beinhaltet regional differenzierte Daten zum Ist-Zustand und zur Entwicklung aller für die Nachfrage nach familienergänzender Betreuung relevanten Einflussfaktoren. Anhand des Simulationsmodells kann eine Schätzung der aktuellen und zukünftigen Nachfragepotenziale durchgeführt werden.
1) Datenerhebung (Choice Experiment)
Der Fragebogen für die Datenerhebung bei 750 Haushalten mit Kindern im Vorschulalter wurde basierend auf einer Literaturanalyse, Gesprächen mit ExpertInnen und den daraus abgeleiteten Forschungshypothesen erstellt. Die telefonische Erhebung wurde durch ein professionelles Institut (Link) durchgeführt. Die Umfrage bestand aus zwei Teilen: Im ersten Teil wurden Daten zur Haushaltzusammensetzung, zur aktuellen Kinderbetreuungssituation sowie zu den Wohnverhältnissen, der Erwerbstätigkeit und dem Einkommen erhoben. Anschliessend bekamen die Teilnehmenden der Befragung eine Auswahl von Kärtchen nach Hause geschickt, auf denen hypothetische Kinderbetreuungssituationen dargestellt sind (Choice Experiment). Es konnte jeweils zwischen privater Betreuung und verschiedenen Formen der Fremdbetreuung gewählt werden. Die familienexternen Betreuungssituationen wurden durch verschiedene Merkmale, wie z.B. den Preis oder die Distanz zum Wohnort, beschrieben. Die individuelle Wahl der auf den Kärtchen dargestellten Betreuungsformen wurde wiederum telefonisch abgefragt. Die Befragung der Eltern wurde so konzipiert, dass die Eltern nicht einfach einen Wunschzettel formulieren konnten. Die Eltern mussten im Gegenteil zwischen verschiedenen realistischen Alternativen unter Berücksichtigung von Merkmalen wie Preis, Distanz und Qualität eine Wahl treffen. Ökonomisch gesprochen mussten die Befragten so genannte Trade Offs optimieren. Diese hoch entwickelte Befragungsmethode stammt aus der Marketingforschung. Sie ist eine der verlässlichsten Methoden zur Erfassung von Nachfragepotenzialen und ist um einiges zuverlässiger als Methoden, in denen nur die Nachfrage nach einer bestimmten Dienstleistung oder einem bestimmten Produkt abgefragt wird ohne den Vergleich zu anderen Alternativen (z.B. die Frage: "Würden Sie ihr Kind gerne familienergänzend betreuen lassen?").
2) Discrete Choice Analyse
Beim Choice Experiment stellt die Wahl einer bestimmten Kinderbetreuungsform einen diskreten Entscheid dar. Die Familien mussten sich in jeder Situation für eine bestimmte Form der Kinderbetreuung entscheiden. Die ökonometrischen Auswertungen wurden dementsprechend mit einem multinomialen logit Modell durchgeführt, das zur Familie der Modelle diskreter Entscheidungen gehört (Discrete Choice Modelle). Das ökonometrische Modell erlaubt, die Variabeln zu identifizieren, die einen relevanten Einfluss auf die Nachfrage nach familienergänzender Betreuung haben. Für jede Variable wird der marginale Effekt (oder die Elastizität) berechnet, der die Bedeutung der Variablen und das Vorzeichen ihres Einflusses (positiver oder negativer Einfluss auf die Nachfrage) ausdrückt.
3) Simulationsmodell
Im Simulationsmodell werden für jede Variable regionale Ist- und Perspektivdaten eingegeben. Es handelt sich in erster Linie um Volkszählungsdaten zur sozioökonomischen und demografischen Haushaltsstruktur. Die Kombination der Ist- und Perspektivdaten mit den in der Discrete Choice Analyse berechneten Koeffizienten ermöglicht die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, mit der die Hauhalte einer bestimmten Region familienergänzende Betreuung nachfragen (Wahlwahrscheinlichkeit). Das Discrete Choice Modell zeigt, bei welchem Einkommen und bei welchen weiteren soziodemografischen Merkmalen eines Haushalts (z.B. Anzahl Kinder) Eltern ein bestimmtes Angebot zu einem gegebenen Preis und weiteren Bedingungen (z.B. Distanz zum Wohnort oder Kinder pro Betreuungsperson) wählen