Sicherheit 2004. Aussen-, sicherheits- und verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend

Ref. 8024

Description générale

Période concernée

11. Januar - 5. Februar und 7.-14. April 2003

Région géographique

Informations géographiques additionnelles

Schweiz

Résumé

Seit mehr als zehn Jahren führen die Dozentur für Militärsoziologie der Militärakademie an der ETH Zürich und die Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich in regelmässigen Abständen bevölkerungsrepräsentative Befragungen "Sicherheit" zur Wahrnehmung von Themen der nationalen Sicherheit im weitesten Sinne durch. Ziel dieser Erhebungen ist die Ermittlung von Trends und Tendenzen in Bezug auf: - das allgemeine Sicherheits- und Bedrohungsempfinden, - das Vertrauen in Institutionen und Behörden, - den Grad an aussen- und sicherheitspolitischer Kooperationsbereitschaft, - die Neutralität allgemein und verschiedene Auffassungen von Neutralität, - die Einstellung zur militärischen Landesverteidigung, - das sicherheitspolitische Interesse und den sicherheitspolitischen Informationsstand. Neben einem Kern von stets oder in unregelmässigen Abständen gestellten Fragen werden jährlich auch solche zu aktuellen sicherheitspolitischen Themen gestellt. Dieses Jahr betreffen diese Fragen einerseits das persönliche Sicherheitsempfinden in Zusammenhang mit dem Irakkrieg und andererseits Möglichkeiten und Grenzen der nationalen Sicherheitspolitik.

Résultats

Sicherheits- und Bedrohungsempfinden: Das allgemeine Sicherheitsgefühl der SchweizerInnen ist auch 2003 stark ausgeprägt. 82% (0%, April: 88%) bezeichnen sich als "sehr" oder "eher sicher". Vordergründig mag erstaunen, dass zwischen Februar und April 2003 ein Anstieg des Sicherheitsgefühls zu verzeichnen ist. Eine mögliche psychologische Deutung dieses Sachverhalts wäre, dass die angespannte, aber gleichzeitig unklare weltpolitische Lage des Januars einer geklärten Situation im April gewichen ist. Im Februar des Vorjahres hatten lediglich 11% der Befragten angegeben, dass ihre Sicherheit seit den Terroranschlägen von New York gefährderter sei. Dieser Anteil hat sich innert Jahresfrist auf 22% verdoppelt. Trotz des geäusserten generell hohen Sicherheitsgefühls, fühlen sich gut 16 Monate nach dem 11. September 2001 also deutlich mehr Personen in ihrer Sicherheit "eher mehr gefährdet" als relativ kurz nach den Anschlägen. Wird der Fokus auf den Freundes- und Bekanntenkreis gerichtet, so sind inzwischen knapp über die Hälfte der Befragten der Ansicht, in ihrem privaten Umfeld habe die Angst zugenommen (51%, +11%). Nur noch 44% (-13%) wollen von einer derartigen Zunahme nichts gemerkt haben. Als Vergleichswert eignet sich die im April 2003 gestellte Frage nach Bedrohtheitsgefühlen in Zusammenhang mit dem Krieg in Irak. Diesbezüglich bekunden lediglich 19% eine eigene Gefährdung der Sicherheit. Auch hier gilt, dass unsichere Personen sich durch den Krieg in stärkerem Masse persönlich gefährdet wähnen als sichere (g=0.27). Dass das soziale Umfeld seit dem Beginn des Irakkrieges ängstlicher geworden sei, bestätigen 39%. Fragt man nach einzelnen Sicherheitsdomänen, so werden die "Sicherheit des Arbeitsplatzes" (40%, +5%), die "Sicherheit vor Terrorismus" (40%, +4%), die "Sicherheit vor Verbrechen und Kriminalität" (41%, +3%), die "soziale Sicherheit" (39%, +3%) sowie die "militärische Sicherheit" (16%, +3%) von etwas mehr Personen als "ausserordentlich wichtig" beurteilt als im Vorjahr. An der Grundstruktur der Relevanzeinschätzungen ändert sich dadurch allerdings nichts: Mit Abstand am häufigsten wird die "familiäre Geborgenheit" als "ausserordentlich wichtig" bezeichnet (58%). Genauso eindeutig ist es die "militärische Sicherheit", deren Relevanz am seltensten so hoch eingeschätzt wird (16%). 66% (+3%, April: 68%) der Befragten geben sich überzeugt, dass die nähere Zukunft der Schweiz - die nächsten fünf Jahre - positiv verlaufen werde. Damit hat sich zwar der schweizbezogene Zukunftsoptimismus im Vergleich zum Dezember 2002 wieder leicht erholt. Dennoch liegt er deutlich unter den Werten der Jahre 2000 und 2001. Diese Erwartung dürfte die derzeit eher unsichere Wirtschaftslage reflektieren. Im Februar 2003 sind lediglich 8% (-2%) der Meinung, dass sich die weltpolitische Lage in den nächsten fünf Jahren entspannen werde. Dagegen glauben immerhin 55%, es sei mit einer Verschlechterung des weltpolitischen Klimas zu rechnen (0%). Die Zusatzbefragung im April zeigt demgegenüber eine deutliche Erholung der weltpolitischen Zuversicht (16%) und einen Rückgang des Anteils der Negativprognostiker auf 46%. Aspekte der inneren Sicherheit: Unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit schreibt die Bevölkerung einer Intensivierung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit eine erstrangige Bedeutung zu (91%). Ein Beitritt der Schweiz zum Schengen-Abkommen könnte derzeit mit hoher Billigung rechnen. Obwohl auch eine Mehrheit (58%) ein Aufstocken der Polizei allgemein gutheissen würde, fällt der Grad an Zustimmung hier geringer aus. Als erstrangiges Problem für die innere Sicherheit wird allgemein, d.h. über alle soziodemographischen Gruppen hinweg und unabhängig von der Links-rechts-Einstufung, die Kontrolle des Ausländeranteils in der Schweiz gesehen (79%). Der Bekämpfung des Rechtsextremismus wird hohe Bedeutung beigemessen, dem Vorgehen gegen den Linksextremismus demgegenüber eher nachgeordnete. Von einer Gefahr, dass das Bankgeheimnis für kriminelle Zwecke missbraucht werden könnte, will die Mehrheit, anders als die Linke, nichts wissen (Durchschnittszustimmung 38%). Aktuelle Aspekte der äusseren Sicherheit: Mit einer Auswahl von Vorgaben zur Einschätzung der Rolle der USA, der Uno, des Völkerrechts und möglichen Mitteln zur Stabilisierung der internationalen Sicherheitslage wurde im Vorfeld des Irakkrieges im Februar 2003 die diesbezügliche Stimmung in der Schweiz nachgezeichnet. Weil angenommen werden durfte, dass der Irakkrieg die Stimmungslage in der schweizerischen Bevölkerung in Bezug auf die erwähnten Aspekte der äusseren Sicherheitslage nicht unberührt lassen würde, wurden diese Fragen im April, kurz vor bis unmittelbar nach dem Fall Bagdads, noch einmal gestellt. Dabei zeigte sich indes keine grosse Veränderung in der öffentlichen Meinung. Das Völkerrecht und die grundsätzliche Verhinderung von Kriegen "in jedem Fall" sind den Schweizerinnen und Schweizern zu beiden Befragungszeitpunkten erstrangige Anliegen (Zustimmung je über 90%). Das Vorgehen der Amerikaner im Irak scheint die Befragten in dieser Haltung bestärkt zu haben. Die selbstgewählte Rolle der USA als Ordnungsmacht stösst vor und nach dem Krieg grossmehrheitlich auf Ablehnung (Zustimmung 20% und weniger). Bei der Ausschaltung von Diktatoren und Massenvernichtungswaffen heiligt der Zweck die Mittel in den Augen des hiesigen Publikums nicht. Das Prinzip der nationalen Souveränität, so das Fazit daraus, möchte eine Mehrheit in diesem Lande ohne Wenn und Aber hochgehalten sehen. Demgegenüber gewinnt die Uno, der man letztes Jahr eher freudlos beigetreten war, durch die Ereignisse um den Irakkrieg hier zu Lande an Ansehen und Statur als einzige legitime Garantin des Völkerrechts. Ihr Prestige legt von der Februar- bis zur April-Erhebung um volle 14% zu (Zustimmung zur Uno als Hüterin des Völkerrechts: 65%; April: 79%). Man scheint sich noch mehr als zuvor bewusst zu sein, wie sehr der "Kleine" ohne allgemeine Respektierung des internationalen Rechts der Macht der "Grossen" ausgeliefert sein kann. Allgemein erweist sich für die Beurteilung der äusseren und inneren Sicherheitslage die Selbsteinstufung auf der politischen Links-rechts-Skala als wichtigstes Kriterium. Sich als rechts bezeichnende Personen befürworten in der Regel eine härtere Gangart, lehnen z. B. das Vorgehen der USA im Irak weniger stark ab und rufen deutlicher nach einem Aufstocken der Polizei und nach einer Kontrolle des Ausländeranteils als Befragte, die sich politisch in der Mitte platzieren und noch deutlicher als solche, die sich als links bezeichnen. Tendenziell wähnen sich eher Personen terrorgefährdet, die sich allgemein in der Schweiz "unsicher" fühlen, darunter überdurchschnittlich viele Angehörige der älteren Generationen und der unteren Bildungsschichten. Sie heissen etwa ein Mehr an Polizei sowie die Kontrolle des Ausländeranteils in der Schweiz stark über dem Mittel gut. Vertrauen in Behörden und Institutionen: Auf einer Skala von 1 ("gar kein Vertrauen") bis 10 ("volles Vertrauen") haben die befragten StimmbürgerInnen ihr Vertrauen in Bundesrat und Parlament, Gerichte, Polizei und Armee sowie die Wirtschaft und die Medien beurteilt. Mit Ausnahme der Wirtschaft (5.66, -0.07), die erneut eine leichte Vertrauenseinbusse verzeichnet, liegen die Vetrauensbezeugungen im Februar 2003 durchwegs über denjenigen vom Dezember 2002. Dies deckt sich mit der oben erwähnten leichten Erholung der landesbezogenen Zuversicht. Ein Vergleich mit den Durchschnittswerten aller Vertrauensmessungen der letzten Jahre zeigt zudem, dass - wiederum mit Ausnahme der Wirtschaft - alle im Februar ermittelten Vertrauenswerte überdurchschnittlich hoch sind. Der deutliche Vertrauenszuwachs in die meisten öffentlichen Institutionen im Vergleich zur vorangehenden Erhebung ist insofern zu relativieren, als die letzte Befragung im Dezember 2002 auffällig tiefe Vertrauenswerte ergab, was damals als Nachwehen des "Schwarzen Herbstes 2001" interpretiert wurde (Haltiner et al., 2002, S. 39f.). Internationale Kooperationsbereitschaft: Im Februar 2003 liegt die EU-Annäherungsbereitschaft lediglich noch bei 48% (-5%). Dies entspricht dem tiefsten Stand seit Beginn dieser Einstellungsmessung im Jahre 1989. Noch im August 1999 hatten 70% der Befragten eine Annäherung an die EU befürwortet. Auch die Bereitschaft, der EU beizutreten, war noch nie so gering wie im Februar 2003 (33%, -7%), allerdings liegt sie in der Zweitbefragung im April mit 38% wieder auf dem Niveau der beiden letzten Jahre. Gegenwärtig gibt es lediglich im erklärtermassen linken Meinungslager eine Mehrheit für einen EU-Beitritt. 55% der StimmbürgerInnen sind der Meinung, die Schweiz sollte einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat anstreben und beinahe sechs von zehn Befragten (59%) finden, die Schweiz sollte sich aktiv und an vorderster Front für Anliegen der Uno einsetzen. In der Aprilbefragung klettert dieser Zustimmungswert gar auf 65%. Die Sympathie für die Uno in der Schweiz hat somit durch die Ereignisse am Golf zugenommen. Unverändert zeigt sich im Februar 2003 die Befürwortung von Schweizer Friedenstruppen unter Uno-Mandat (59%, +1%). Im Februar 2003 liegt die Annäherungsbereitschaft an die Nato auf dem tiefsten Stand seit Beginn ihrer Messung 1993. Nur noch 27% (-6%) wollen, dass sich die Schweiz dem Nordatlantischen Bündnis annähert. Im April sind es knapp mehr Personen, die sich der Nato annähern wollen (30%), doch immer noch volle 20% weniger als im August 1999. Gleiches gilt für einen eigentlichen Beitritt zur Nato: Nur 16% der SchweizerInnen - und damit so wenige wie noch nie - unterstützen ein solches Szenario. Das Hauptmerkmal der Haltung gegenüber einer Nato-Annäherung ist die Einmütigkeit der Skepsis quer durch alle sozialen Kategorien und politischen Meinungslager. Die Schweiz in der Rolle als Vermittlerin in internationalen Konflikten stösst auf breite Zustimmung. 70% (+1%, April: 70%) wünschen sich ein vermehrtes Engagement in dieser Hinsicht. Gut drei Viertel der Befragten (77%, +8%) unterstützen zudem eine aktive Rolle der Schweiz bei internationalen Konferenzen. Auf hohem Niveau stabil zeigt sich das Einverständnis mit der Aussage, die Schweiz sollte "ihren Stellenwert als Sitz des Roten Kreuzes mehr ins Spiel bringen" (71%, 0%). Während anfangs Jahr eine Erhöhung der Entwicklungshilfe keine Mehrheit findet (47%, -6%), klettert ihre Zustimmungsrate bis im April auf 56% und damit auf ein mit den Jahren 2000 und 2001 vergleichbares Niveau. Auch 2003 wurde aus neun Indikatoren der aussenpolitischen Öffnungsbereitschaft eine Typologie gebildet. Als "Autonomisten" werden in dieser Typologie jene Personen bezeichnet, die jede Intensivierung internationaler Kooperation ablehnen. Nach der "weichen" Form der aussenpolitischen Öffnung ist die internationale Kooperation zwar zu optimieren - allerdings möglichst unter Beibehaltung der vollen nationalen Souveränität. Dagegen sind "harte Öffnungswillige" auch dann für eine Intensivierung der internationalen Kooperation, wenn diese nationale Souveränitätseinbussen mit sich bringt. Die Prozentanteile der drei Typen von Kooperationswilligkeit unterscheiden sich zum ersten Befragungszeitpunkt im Februar deutlich von denjenigen des zweiten Befra-gungszeitpunktes im April. Während im Februar die "autonomistische" Grundhaltung den stärksten Zuspruch erfährt (37%, +3%), ist dies im April für die "weiche Öffnungsbereitschaft" der Fall (40%, +5%). Die "autonomistische" Grundhaltung vermag dagegen im April 2003 nur noch 31% (-6%) der Befragten auf sich zu vereinen. Stabil bleibt der Anteil der "harten Öffnungswilligen", der sich im Februar 2003 auf 28% und im April auf 29% beläuft. Während also die äusserst angespannte weltpolitische Situation im Februar eine Art "Schneckenhaus-Reaktion" bewirkt, die eher den "Autonomisten" zugute kommt, zeigt sich gegen Kriegsende im Irak eine verstärkte Betonung der "weichen", kooperations- wenn auch nicht beitrittsorientierten Öffnungsbereitschaft und ein Rückgang autonomistischer Tendenzen. Betrachtet man die gesamte Stimmbevölkerung und berücksichtigt auch jene Personen, die sich keinem der drei Kooperationstypen zuordnen lassen, fällt der Unterschied zwischen der Februar- und der Aprilbefragung wiederum sehr deutlich aus: Neigen zu Jahresbeginn bloss noch 38% (-9%) zu einer Intensivierung der internationalen Kooperation und weiteren Öffnung des Landes, sind es im April immerhin wieder 54%. Neutralität: An der seit Jahren stabilen und grossmehrheitlichen Zustimmung zur Neutralität hat sich auch 2003 nichts geändert. Beinahe neun von zehn Schweizer StimmbürgerInnen halten daran fest, dass die Schweiz neutral bleiben soll (88%, -1%). Eine differenzielle Neutralitätsauffassung, d.h. eine Auffassung, wonach bei politischen Konflikten im Ausland klar Stellung für die eine oder andere Seite zu beziehen sei, hingegen bei militärischen Konflikten die Schweiz neutral zu bleiben habe, wird stark unterstützt (69%, +9%). Verworfen wird hingegen, dass die Schweiz auch bei militärischen Konflikten klar Stellung beziehen sollte (29%). Sowohl die Solidaritäts- wie auch die Identitätsfunktion der Neutralität werden in der Bevölkerung so hoch bewertet, dass von einem Erstarken des Neutralitätsbewusstseins gesprochen werden muss. Dass die Neutralität zu einem Hindernis für die schweizerische Aussenpolitik werden könnte, glauben immer weniger Befragte. Hingegen nimmt der Glaube an die autonome Verteidigungsfähigkeit der Schweiz, nach Einbrüchen in den vergangenen Jahren, zu. Trotz erneut hoher Wertschätzung wird das Prinzip Neutralität unterschiedlich interpretiert: Die traditionalistische Neutralitätsinterpretation, nach der die Neutralität ein Selbstzweck ist und identitätsstiftend wirkt, verbreitet sich nach einer Abschwächung in den Vorjahren wieder (34%, +6%). Ähnlich stark vertreten wie im Vorjahr sind die "Neutralitätspragmatiker" (25%, -2%), welche die Neutralität eher nüchtern unter Kosten-Nutzen-Aspekten betrachten. Hingegen verlieren die "Neutralitätsdissonanten", die der Maxime "Neutralität" eine ambivalente, teilweise widersprüchliche Haltung entgegenbringen, zunehmend an Boden (24%, -4%). Zu diesen drei verbreiteten Neutralitätsauffassungen gesellt sich eine vierte, die "Neutralitätskritik", die bei 17% (-1%) liegt. Die Neutralitätsauffassungen variieren nach Alter, Bildung, Sprachregion und politischer Einstellung. Vieles deutet darauf hin, dass die sich verdüsternde Weltlage (Terrorismus, Irakkrise) bewirkt hat, dass die SchweizerInnen den Stellenwert der Neutralität höher bewerten als in den Jahren zuvor. Auch wird ihr eher wieder eine Schutzfunktion zugesprochen. Sicherheitspolitische Aspekte der internationalen Kooperation: Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung teilt die Ansicht, dass die nationale Sicherheit immer mehr von anderen Staaten und immer weniger von uns selbst bestimmt wird (58%, +5%). Schon seit zehn Jahren herrscht darüber in der Schweiz eine stabile Mehrheitsmeinung. Im Jahr 2000 fand in der öffentlichen Einstellung zu Auslandeinsätzen von Schweizer Soldaten eine eigentliche Trendwende statt. Damals wurde erstmals nicht der bloss unterstützende, sondern der friedenssichernde Einsatz, der eine Bewaffnung zum Selbstschutz vorsieht, von den befragten SchweizerInnen favorisiert. Diese Einstellung ist erhalten geblieben. Im Februar 2003 bevorzugen 50% (+4%) die Friedenssicherung, während sich 31% (-1%) für den bloss unterstützenden Einsatz ohne Bewaffnung aussprechen. Dass sich Schweizer Soldaten im Ausland auch an Kampfeinsätzen beteiligen, bleibt weiterhin nur für eine kleine Minderheit denkbar (7%, 0%). Ablehnend gegenüber jeder Art des Engagements von Schweizer Armeeangehörigen ausserhalb der Landesgrenzen äussern sich 10%. Das diesbezügliche Meinungsbild verschob sich indes im Verlaufe des Irakkrieges signifikant weg von der waffengestützten (41%, -9%) hin zur rein unterstützenden Aufgabenerfüllung (39%, +8%). Dennoch billigt aber noch immer eine klare Mehrheit der Befragten schweizerische Uno-Truppen (59%, +1%). Im Vergleich zum langjährigen Mittel von mindestens zwei Dritteln hat diese Billigung aber abgenommen. Der Irakkrieg hat somit alles in allem der Skepsis gegenüber einem schweizerischen Militärengagement im Ausland Auftrieb gegeben. Militärische Landesverteidigung: Die Notwendigkeit der Schweizer Armee wird grossmehrheitlich bejaht. Während die SchweizerInnen 2003 insgesamt weiterhin auf gleich hohem Niveau die Armee unterstützen (zwischen 70% und 72%), stehen die Jüngeren im Vorjahresvergleich weniger deutlich hinter der Armee (56%, -5%; April: 59%). Im Trend billigen die jungen Erwachsenen die Armee wieder deutlicher als Ende der neunziger Jahre. Noch 1999 hatte weniger als die Hälfte der 18-29-Jährigen die Armee als notwendig erachtet. Miliz und Wehrpflicht: Zwischen 1999 und 2001 existierte anteilmässig eine Pattsituation zwischen BefürworterInnen einer Berufs- und solchen der Milizarmee. Seit 2002 hat die Sympathie für eine Berufsarmee in der Schweizer Bevölkerung wieder nachgelassen. 2003 befürworten nur noch 36% im Februar und 37% der Befragten im April eine professionalisierte Armee. Dies bedeutet eine weitere Abnahme um 4%. Auch bei der jüngsten Alterskohorte der 18-29-Jährigen findet die Vorgabe neuerdings keine Mehrheitszustimmung mehr (45%). Die Bevölkerung steht wieder stärker hinter der Miliz (49%, April: 53%). Armeeaufgaben: Für die politische Debatte um die sicherheitspolitische Rolle der Armee ist die Frage von Interesse, welchen Armeeaufgaben die Bevölkerung eine zunehmende bzw. abnehmende Bedeutung zumisst. Daraus lässt sich ohne Zweifel auch ablesen, was sich die SchweizerInnen für eine Armee wünschen. Als am bedeutendsten für die Zukunft werden Einsätze bei Grosskatastrophen bewertet. Auch den Assistenzeinsätzen wird hohe Wichtigkeit für die Zukunft beigemessen. Diese beinhalten zugleich eine engere Zusammenarbeit mit zivilen Stellen, sei dies bei der Bewachung internationaler Konferenzen (59%, +1%) oder der Unterstützung der Grenzwache (63%, -1%) sowie der Polizei (53%). Allfällige Einsätze zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung erachten die SchweizerInnen als zweitrangig. Auch die klassische Armeefunktion der nationalen Verteidigung verliert leicht an Stellenwert (39%, -1%). Unbewaffneten und in noch stärkerem Masse bewaffneten Auslandeinsätzen begegnet die Bevölkerung mit wachsender Zurückhaltung. Die Armee wird offensichtlich in den Augen der Öffentlichkeit vermehrt als multifunktionale Sicherheitsorganisation denn als militärisches Verteidigungsinstrument wahrgenommen. Wahrgenommene Effektivität der Armee: Hinweise auf die Einschätzung der Effektivität der Schweizer Armee gibt eine 1995 erstmals in die Erhebung einbezogene und 1998 sowie 2003 wiederholte Fragenbatterie. Als "gut" oder "ausreichend" werden die Ausbildung (62%), die Ausrüstung (67%), die Einsatzbereitschaft (63%) und die Führung (61%) der Armee eingestuft, aber jeweils auf einem tieferen Niveau als in den vorhergehenden Jahren. Die Motivationslage der Soldaten wird hingegen, wie auch schon 1995 und 1998, als unzureichend bewertet. Nur eine Minderheit von 42% betrachtet diese zumindest als "ausreichend". Alles in allem haben die SchweizerInnen ein weniger positives Bild der Effektivitätsaspekte als in den Jahren 1995 und 1998. Armeereform XXI: Von der Armeereform XXI hatten gemäss eigenem Bekunden im Februar 2003 75% der Befragten gehört, etwas gesehen oder gelesen. Im Abstimmungskampf nahm der Kenntnisstand zu, er lag im April auf 82%. Das Wissen um die Reform und das diesbezügliche Referendum scheint in erster Linie eine Männersache gewesen zu sein, da 83% (April: 92%) der Männer, aber nur 67% (April: 73%) der Frauen über die Umstrukturierung der Schweizer Armee genauer Bescheid wussten. Am weitesten verbreitet war das Wissen um die Bestandesverkleinerung der Schweizer Armee (71%, April: 79%) und um die Möglichkeit, den Militärdienst als Durchdienersoldat an einem Stück zu absolvieren (69%, April: 76%). In den Vorbefragungen zur Stimmabsicht befürwortete jeweils eine Mehrheit der zum Urnengang entschiedenen Personen die Armeereform (50%, April: 64%). Zwischen der zweiten diesjährigen Befragung Mitte April und der Abstimmung am 18. Mai konnte das Befürworterlager nochmals wesentlich zulegen. Die Armeereform XXI wurde mit einem Mehr von 76% der Stimmen angenommen. Sicherheitspolitisches Interesse: Das Interesse für Fragen der nationalen Sicherheit veränderte sich zwischen Februar 2002 und Februar 2003 unwesentlich (+2% auf 56%). Ein signifikanter Rückgang kann aber im April 2003 konstatiert werden (51%, -5%). Obwohl sicherheitspolitische Fragen in der Öffentlichkeit stark und auch am Beispiel Irakkrieg kontrovers diskutiert wurden, nahm das Interesse der SchweizerInnen nicht zu, sondern ab. Es scheint, als hätte eine gewisse Übersättigung durch sicherheitspolitische Themen stattgefunden.