TEDS-M: Teacher Education and Development Study - Learning to Teach Mathematics

Ref. 9164

General description

Period

2006 bis 2011

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

deutschsprachige Schweiz

Abstract

TEDS-M ist eine internationale Vergleichsstudie der IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievementin) auf Ebene der Lehrerbildung. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Ausbildung angehender Primar- und Sekundarschullehrkräfte I im Bereich der Mathematik. Der Studie liegen drei zentrale Fragenkomplexe zugrunde: 1. Ebene der Studierenden (zukünftige Lehrpersonen der Primar- und Sekundarschulstufe I) Verfügen angehende Lehrkräfte der Primar- und Sekundarschulstufe I am Ende ihrer Ausbildung über das notwendige mathematische, didaktische, fachdidaktische und pädagogische Wissen, um - gemäss der vorgegebenen nationalen Standards - auf der Zielstufe Mathematik unterrichten zu können? Zeigen sich bezüglich dieser Wissensebenen internationale Unterschiede? 2. Ebene der Dozierenden Welche Lernmöglichkeiten bieten sich angehenden Lehrkräften der Primar- und Sekundarschulstufe I während der Ausbildung, um sich notwendige Fähigkeiten bezüglich des eigenen zukünftigen Mathematikunterrichts anzueignen? Wie werden unterschiedliche Lernmöglichkeiten dargeboten, wie sind sie strukturiert und koordiniert? Welche mathematischen Inhalte werden während der Ausbildungszeit vermittelt? 3. Ebene der Ausbildungsinstitutionen Welche spezifischen Aspekte der Ausbildung fördern die Entwicklung des mathematischen Wissens und Unterrichtswissens zukünftiger Primar- und Sekundarschullehrkräfte besonders? Wie sind die Ausbildungen konzipiert und strukturiert? Aus diesen Fragenkomplexen lassen sich konkrete Forschungsfragen ableiten, wie es beispielsweise die folgenden darstellen: - Durch welche Charakteristiken und Eigenheiten zeichnen sich die Ausbildungsgänge zukünftiger Mathematiklehrkräfte (Generalisten und Spezialisten) auf der Primar- und Sekundarschulstufe I aus? - Was für Lernerfahrungen erweisen sich hinsichtlich des Aufbaus und der Festigung von Wissen und Überzeugungen bezüglich des Mathematiklehrens und -lernens als wirksam? - Welche schulischen Erfahrungen erweisen sich in der Ausbildung zukünftiger Mathematik-lehrkräfte auf der Primar- und Sekundarschulstufe I als besonders wirksam? - Wie können Ausbildungsgänge von Primar- und Sekundarschullehrkräften bezüglich ihrer Zielerreichung möglichst valide und reliabel gemessen werden? - Unter welchen Bedingungen können nationale Regulationsvorgaben für Lehrerbildungsstätten einen qualitativ positiven Einfluss auf die Ausbildung haben? - Was für Aspekte erweisen sich hinsichtlich der Rekrutierung zukünftiger Mathematiklehr-personen unabhängig ihres sozialen und kulturellen Hintergrunds als wirksam? Das übergeordnete Ziel von TEDS-M besteht darin, aufzuzeigen, ob und wenn ja wie gut zukünftige Primar- und Sekundarschullehrkräfte I anhand der verwirklichten Ausbildungsprogramme auf ihre Unterrichtstätigkeit in Mathematik vorbereitet werden. Zielpopulation: - Zukünftige Lehrkräfte der Primar- und Sekundarschule I am Ende ihrer Ausbildung (Mathematik-Spezialisten und -Generalisten) - Ausbildnerinnen und Ausbildner - Ausbildungsinstitutionen Beteiligte Länder: Botswana, Chile, Deutschland, Georgien, Italien, Mexiko, Norwegen, Oman, Philippinen,Polen, Schweiz(deutschsprachige Kantone), Singapur, Spanien, Taiwan, Thailand, USA.

Results

Lehrerbildung auf dem Prüfstand: Erste Ergebnisse zur internationalen Lehrerbildungsstudie TEDS-M Gute Leistungen in Mathematik und Mathematikdidaktik Die angehenden Lehrpersonen in der Deutschschweiz verfügen über eine hohe mathematische und mathematikdidaktische Kompetenz. Die Durchschnittswerte liegen sowohl bei den künftigen Primarlehrpersonen als auch bei den angehenden Sekundarstufenlehrpersonen I zwischen 531 und 549 Punkten und damit deutlich über dem internationalen Mittelwert von 500 Punkten. Einzig gegenüber den beiden besten Ländern Taiwan und Singapur zeigen sich teilweise beträchtliche Leistungsabstände. Eine Bewertung dieser Abstände muss aber die Unterschiedlichkeit der Ausbildungssysteme der einzelnen Länder mit berücksichtigen. Die wider erwarten hohen Leistungen der künftigen Deutschschweizer Lehrpersonen verweisen darauf, dass die in den Ausbildungsinstitutionen angestrebte Verbindung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik zu gelingen scheint. Angehende Deutschschweizer Primarlehrpersonen, die eine Lehrberechtigung bis zur sechsten Jahrgangsklasse erwerben, verfügen über eine höhere mathematische Kompetenz als angehende Lehrpersonen für die Unterstufe. Der Unterschied in der mathematikdidaktischen Kompetenz ist zwar auch signifikant, fällt aber geringer aus. Wenige ganz schwache Leistungen Erfreulicherweise erreicht der grösste Teil der angehenden Deutschschweizer Lehrpersonen Mindestanforderungen an fachlicher und fachdidaktischer Kompetenz in Mathematik. Dennoch ist anzustreben, den Anteil Studierender mit sehr schwachen fachlichen Leistungen weiter zu reduzieren oder ganz zu eliminieren. Umgekehrt werden - bei einem hohen durchschnittlichen Leistungsniveau - weniger Spitzenleistungen ausgewiesen. Dies hängt bei der Sekundarstufe I auch damit zusammen, dass in der Deutschschweiz, anders als etwa in Deutschland, keine angehenden Gymnasiallehrpersonen getestet wurden. Das positive Bild für die Deutschschweizer wird den geringeren Spezialisierungsgrad der Lehrerausbildung in der Schweiz aufgewertet. In vielen anderen Ländern erwerben die angehenden Lehrpersonen auch auf der Primarstufe nur eine Lehrberechtigung für wenige Fächer oder durchlaufen eine spezialisierte Ausbildung mit Schwerpunkt Mathematik. In der Deutschschweiz hingegen werden Primarlehrpersonen zu Generalistinnen und Generalisten für fast alle Unterrichtsfächer ausgebildet. Auch bei der Sekundarstufe I ist die Spezialisierung in der Deutschschweiz weniger ausgeprägt als in den meisten anderen Ländern. Kaum Geschlechterdifferenzen In der Deutschschweiz zeigen sich nur bei der mathematischen Kompetenz der angehenden Primarlehrpersonen Geschlechterunterschiede. Der Vorsprung der Männer von 21 Punkten entspricht etwa den bei den PISA-Studien gefundenen Unterschieden. Bei den angehenden Lehrpersonen der Sekundarstufe I ist kein Geschlechterunterschied zu finden. Vermutlich findet durch eine bewusste Wahl bzw. Abwahl von Mathematik eine positive Selbstselektion statt, so dass zwar weniger, aber nur mathematisch kompetente bzw. kompetentere Frauen die Ausbildung beginnen. In der Mathematikdidaktik besteht weder bei der Primar- noch bei der Sekundarstufe I eine Geschlechterdifferenz. Handlungsleitende Überzeugungen zum Lehren und Lernen von Mathematik Die Ergebnisse zeigen, dass die angehenden Studierenden aller TEDS-M-Länder im Durchschnitt stärker eine konstruktionsorientierte Sichtweise des Lehrens und Lernens mathematischer Inhalte als eine transmissionsorientierte Perspektive einnehmen. Dies bedeutet, dass sie grössere Überzeugung in ein Lehrverhalten besitzen, das auf Verständnis, Selbstständigkeit und Lernbegleitung ausgerichtet ist, als auf eine auf standardisierten Vermittlungsverfahren basierende Lehrtätigkeit. Besonders stark ausgeprägt ist diese konstruktionsorientierte Sichtweise in den mittel- und nordeuropäischen Ländern Deutschschweiz, Deutschland und Norwegen aber auch in Chile und Taiwan. Hinter den dargelegten Befunden dürften sich (auch) kulturelle Effekte verbergen. Während in individualistischen Gesellschaften konstruktionsorientierten Auffassungen deutlich stärker zugestimmt wird als transmissionsorientierten Sichtweisen (z.B. Deutschschweiz, Deutschland, Norwegen und USA), werden in kollektivistischen Kulturen vergleichsweise stark (auch) transmissionsorientierte Überzeugungen zum Ausdruck gebracht (z.B. Malaysia, Philippinen und Russland). Gesamthaft kann festgehalten werden, dass die Lehrerbildung in der Schweiz ein sehr stark eigenaktives und selbststeuerndes Lehr-Lernkonzept entwickelt hat und aufrecht erhält. Das bedeutet, dass moderne Formen des Lernens nicht nur für späteres Lernen postuliert, sondern dass es auch selbst für das eigene Studium intensiv praktiziert wird. Lerngelegenheiten in der pädagogischen Psychologie: Wichtige Aspekte nur knapp behandelt Insgesamt kann festgehalten werden, dass die pädagogisch-didaktischen Lerngelegenheiten von den Studierenden der Deutschschweiz im internationalen Vergleich als unterdurchschnittlich vorhanden sind. Die pädagogische Ausbildung und deren Praxisreflexion scheinen in der Deutschschweiz zu wünschen übrig zu lassen. Die Gelegenheit zur Reflexion des professionellen Selbstverständnisses ist in der Deutschschweiz im Vergleich zu anderen Ländern tief. Hier scheint ein europäisches Phänomen sichtbar zu werden, das vermutlich mit der Bewertung des Lehrerberufs in den jeweiligen Kulturen und Gesellschaften zusammenhängt. Die europäischen Länder Deutschland, Spanien, Norwegen und Polen liegen zusammen mit der Deutschschweiz hinsichtlich der hier betrachteten Lerngelegenheiten fast durchwegs am Ende der Ländervergleiche – das ist doch erstaunlich. Hoher Stellenwert der Praxisausbildung - wenig Gelegenheit alleine zu unterrichten Die Ergebnisse zeigen, dass der Praxisanteil gross und das Betreuungsverhältnis in der Deutschschweiz sehr hoch ist. Allerdings erhalten die Lehramtskandidatinnen und -kandidaten wenig Gelegenheit alleine, d.h. ohne Anwesenheit der Praxislehrperson, zu unterrichten. Möglicherweise kommen die angehenden Lehrpersonen während der Ausbildung zu wenig mit den eigentlichen Schwierigkeiten des Klassenmanagements in Berührung, da sie in einer relativ sicheren „heilen“ Schulwelt unterrichten lernen. Es fehlt das Lernen und Sammeln von Erfahrungen im „Emergency-Room-School“. Gerade in dieser Hinsicht kommt der von Mentorinnen und Mentoren begleiteten Berufseinführungsphase eine zentrale Bedeutung zu.