Die Untersuchung zeigt im Allgemeinen, dass die kategoriale Differenz von Theorie und Praxis durch Fallarbeit, resp. narrative Texte nicht grundsätzlich überbrückt werden kann, auch wenn dies in der Literatur immer wieder behauptet wird. Die untersuchten Geschichten des Denkens von Praktikern und die Geschichten des Schreibens von Didaktikern weisen auf ein dialektisches Ungleichgewicht hin, das aber trotzdem attraktive Anschlüsse ermöglicht. Im analytischen Teil kann die strukturelle Differenz zwischen narrativem und paradigmatischem Denken bestätigt werden. Ebenfalls kann in diesem Teil der Untersuchung nachgewiesen werden, dass sich narrative und paradigmatische Denkstrukturen auf Textstrukturen übertragen lassen. Demnach bedienen sich auch vermeintlich logisch-wissenschaftliche Texte narrativer Strukturen, indem sie mit Hilfe von (narrativen) Beispielen das Besondere dem Allgemeinen zuordnen. Umgekehrt fördern auch vermeintlich narrative Texte paradigmatische Denkstrukturen, indem sie das Allgemeine in der Form einer "Moral" dem Leser näher bringen wollen. Damit zeigt sich analytisch, dass zwischen den mentalen Strukturen des Denkens von Lehrerinnen und Lehrern und den grammatikalischen Strukturen der Erzählungen der Theorie Zusammenhänge bestehen. Im empirischen Teil konnten durch eine mehrdimensionale Typenbildung vier Cluster oder Denkmuster ausdifferenziert werden. Im idealtypischen Denkmodus des Narrativen zeichneten sich zwei unterschiedliche Denkrichtungen ab: Einer narrativ-epagogischen Erklärungssuche stehen narrativ-apagogische Begründungen gegenüber. Während im ersten Typus die Lehrpersonen durch den Gang von Beispiel zu Beispiel (oder Geschichte zu Geschichte) das Allgemeine ihres Handelns zu erklären suchen, finden sie im zweiten Typus die Begründung für ihr Handeln in einer zurückliegenden einzelnen Geschichte, die das Allgemeine begreiflich macht und gleichzeitig bestätigt. Im idealtypischen Denkmodus des Paradigmas lassen sich vergleichbare Denkrichtungen ausmachen: Den paradigmatisch-epagogischen Rechtfertigungsversuchen stehen hier die paradigmatisch-apagogischen Folgerungen gegenüber. Die Analogien, die in diesen beiden Typen zum Ausdruck kommen beziehen sich immer auf das Paradigma, dem sie zugeordnet werden. Bei den apagogischen Folgerungen ergibt sich diese Zuordnung gleichsam von selbst, während in den epagogischen Rechtfertigungsversuchen die Lehrpersonen ihr Handeln zusätzlich durch einzelne Geschichten zu rechtfertigen versuchen. Die vier ausdifferenzierten Cluster in den Aussagen der interviewten Lehrpersonen äussern sich empirisch in unterschiedlicher Gewichtung. So weisen die dem paradigmatisch Denkmodus zugeordneten Aussagen der Lehrpersonen in der repetitiven Interpretation der dokumentarischen Analyse oft auf einen narrativen Denkmodus hin. Und dieser narrative Denkmodus zeigt sich in der Kontextanalyse wiederholt als eher performativ, während der paradigmatische Denkmodus sich in seiner Wirksamkeit eher reflexiv äussert. Die narrative Textanalyse zeigt, dass sich die in der empirischen Untersuchung ausdifferenzierten Denkmuster auch auf die Textstrukturen unterschiedlicher theoretischer und didaktischer Texte übertragen lassen. Die hier unterschiedenen Lesarten der Texte weisen allerdings auf eine den Denkmustern der Lehrpersonen entgegengesetzte Gewichtung hin. Während die Lehrer mehrheitlich einem narrativen-epagogischen Denkmuster folgen und sich dieses insbesondere für ihre Handlungen ausserordentlich handlungsrelevant zeigt, beschreiben Didaktiker "ihren" Unterricht meist paradigmatisch und folgen textanalytisch einer apagogischen Denkrichtung. Dem gegenüber zeigen die Analysen der Denkmuster der Lehrpersonen, dass ein narrativer Denkmodus handlungswirksamer ist als ein paradigmatischer. Der Zusammenhang zwischen Alltagshandlungen und narrativem Denken konnte damit nicht nur analytisch sondern auch empirisch belegt werden. Inwiefern sich diese Erkenntnis auf die didaktische Lehre übertragen lässt, ist im Prinzip einfach zu beantworten. Die empirische Praxis von Unterricht lässt sich vorzugsweise in der Form von Narrationen repräsentieren. Werden diese Repräsentationsformen in ihrer narrativen Form behalten und nicht vermeintlich "didaktisiert", besteht die Chance, dass diese auch in der Lehre eine Performanz entwickeln. Damit wird der narrative Denkmodus in Texten der Wissenschaft handlungsrelevant, wo eigentlich der paradigmatische Modus erwartet wird. Die Gefahr, die sich aus einer solchen Umsetzung ergibt, zeigt sich im engen Gebrauch von narrativen Texten. Das erwünschte und auch - im Sinne von handlungswirksamen narrativen Skripts - geforderte lokal knowledge, das aus solcherart narrativen Texten entwickelt werden kann, lässt sich normativ beliebig "formen", was grundsätzlich einer wissenschaftlicher Ethik widerspricht. In diesem Sinn ist die Fallarbeit oder die Arbeit mit narrativen Texten dialektisch angelegt. Der grossen Chance einer wirksamen Transformation von wissenschaftlichem Wissen in praxisrelevante Handlungen steht die Gefahr einer normativen Beugung gegenüber.