(1) Institutionalisierte Grenzverwischungen: Die Kooperation von Freiwilligen und Sozialer Arbeit ist in vielen Feldern des Sozialbereichs strukturell verankert, so auch in den Untersuchungsfällen. Die Präsenz der Freiwilligen ist somit eine "harte'"Kontextbedingung für die Aushandlungen der faktischen Arbeitsteilung. Auf dieser formalen Ebene sind Grenzverwischungen bereits institutionalisiert. In allen drei Feldern haben die Freiwilligen mithin einen legitimen Platz, und ihre konkrete Verortung im Feld kann nicht von den Professionellen gesteuert werden.
(2) Auslagerung von nicht professioneller Arbeit: Professionalisierung bedingt strukturlogisch eine Verdrängung von alltagsnahen Problemanteilen, die Hilfsberufen zugewiesen oder entberuflicht werden. Aufgaben, die von den Mitgliedern nicht zum Kern ihres Berufs gezählt werden, werden als "dirty work" ausgelagert. In der Sozialen Arbeit bietet es sich an, derartige Aufgaben an die Freiwilligen zu delegieren und auf diese Weise eine Differenz zu den Laien zu markieren. In unserer Untersuchung zeigt sich, dass die Soziale Arbeit indes nicht in der Lage ist, Tätigkeiten an der Schnittstelle von professioneller und Alltagsarbeit eindeutig und überzeugend als entweder professionell oder "dirty work" zu codieren und letztere den Laien zuzuweisen. Die Steuerungsmöglichkeiten der Professionellen brechen sich am Eigensinn' der Freiwilligen, die auf der Grundlage formaler Hierarchien und/oder ihres symbolischen Kapitals Arbeitszuteilungen verweigern oder einfordern können.
(3) Inszenierung von Professionalität: Professionalität hat' man nicht einfach - sie muss vom Gegenüber anerkannt werden und erfordert deshalb eine Inszenierungsleistung. Bedingt durch ihre Alltagsnähe hat die Soziale Arbeit hier besondere Schwierigkeiten zu meistern. Empirisch lässt sich beobachten, dass die Professionellen diese Aufgabe in der Regel eher ungeschickt angehen. Insbesondere verwerten sie fachliches Wissen und Ausbildung auf ambivalente Weise, indem sie ihre eigenen kulturellen Ressourcen nicht einsetzen und professionsfremdes Wissen als gleichwertig anerkennen. Während die Inszenierung von Professionalität nicht kontextabhängig ist - wir finden in allen drei Feldern gekonnte und missglückte Darstellungen -, gibt es feldabhängige Unterschiede in der Validierung durch das Publikum. Die Anerkennung der Sozialen Arbeit ist dabei abhängig von den Ressourcen der Freiwilligen: wo diese wenig in die Aushandlung einzubringen haben, sind sie eher bereit, die fachliche Autorität der Professionellen anzuerkennen. Freiwilligenarbeit ist aber grundsätzlich anderen Bewertungsmasstäben unterworfen als Erwerbsarbeit: hier zählt der gute Wille, nicht die messbare Leistung. Der a priori gesetzte immanente Wert von freiwilligem Engagement setzt sich in symbolisches Kapital für die Freiwilligen um, und dieses symbolische Kapital stellt eine Inkommensurabilität von Uneigennützigkeit und Professionalität her.
(4) Mikropolitische Taktiken: Angesichts des hohen Institutionalisierungsgrads von Freiwilligenarbeit und der Macht des symbolischen Kapitals der Freiwilligen verlegen sich die Sozialarbeitenden auf mikropolitische Taktiken, um sich Spielräume zu erhalten und zu erweitern. Dazu gehören der Versuch, Einfluss auf die Selektion und Allokation der Freiwilligen zu nehmen, der Zusammenarbeit auszuweichen oder die Freiwilligen zu manipulieren. Diese Taktiken lassen sich zusammenfassend als eine defensive Strategie der Konfliktvermeidung und Schadensbegrenzung bezeichnen, die in Ausnahmefällen durch ein offensives Vorgehen im Hinblick auf die Veränderung der Rahmenbedingungen überschritten wird. Damit werden dem alltäglichen Berufshandeln zwar gewisse individuelle Spielräume eröffnet; die Soziale Arbeit als Profession reproduziert auf diese Weise jedoch ihre subordinierte Position.
(5) Entgeschlechtlichung' als Professionalisierungsstrategie: Die Geschlechterdifferenz ist integraler Bestandteil von Professionalisierungsprozessen: als Ressource zur Konstruktion von Professionen. Für die Soziale Arbeit verläuft die Verknüpfung von Geschlecht und Beruf über das Konstrukt der "Mütterlichkeit", und diese historische Fundierung des Berufs wirkt bis heute prägend. Die historisch-spezifische Bauweise' der Sozialen Arbeit als bürgerlicher Frauenberuf in eigener Höhenlage', die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erfolgreich war, hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts als professionalisierungspolitische Sackgasse erwiesen. Während die klassischen männlichen Professionen die Differenz zwischen Experten und Laien entlang der Geschlechtergrenzen herstellten, konnte die Soziale Arbeit dies deshalb nicht tun, weil beide Seiten weiblich waren und sind: die beruflich wie die freiwillig sozial Tätigen. "Jurisdictional claims" in der Geschlechterdifferenz zu begründen machte historisch mangels anderer Ressourcen Sinn, ist heute aber kontraproduktiv, weil damit zum einen die Ähnlichkeit von Laien und Professionellen betont wird und zum anderen jede weiblich codierte Arbeit mit Abwertung zu rechnen hat. Die Soziale Arbeit hat deshalb ihre Semantik entgeschlechtlicht'. Das zeigt sich zum einen auf der Ebene theoretischer Diskurse der Profession, es wird zum anderen deutlich in den Interviews mit den Sozialarbeitenden in der beruflichen Praxis. Die strukturelle Relevanz der Geschlechterdifferenz für die Positionierung der Profession und deren kulturelle Sinn für die Professionsangehörigen fallen auseinander.