Externe Kosten von Krebserkrankungen durch kanzerogene Luftschadstoffe. Eine Abschätzung für die Schweiz mit besonderer Berücksichtigung von Benzol, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und Dieselrusspartikeln

Ref. 3307

Allgemeine Beschreibung

Periode

1994-1996

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz

Kurzbeschreibung

In der Aussenluft kommen zahlreiche krebserzeugende Luftschadstoffe vor, manche davon sind weit verbreitet. Es stellt sich die Frage, welche Schadstoffe krebserregend sind, wie hoch das Krebsrisiko für die allgemeine Bevölkerung ist und welches die daraus entstehenden Schadenskosten sind. In der vorliegenden Arbeit werden erstmals sowohl die externen Kosten des Krebsrisikos durch ubiquitäre kanzerogene Luftschadstoffe als auch das Krebsrisiko selber für die allgemeine Bevölkerung der Schweiz quantifiziert. Kostenbewertung: Es ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, die externen Kosten zu bewerten, die durch eine Erhöhung des Krebsrisikos durch ubiquitäre kanzerogene Luftschadstoffe in der Schweiz entstehen. Wir monetarisieren einerseits die materiellen Schadenskosten, die sich aus dem Produktivitäts- und daraus resultierenden Einkommensverlust sowie den Kosten im Gesundheitswesen zusammensetzen. Anderseits schätzen wir die immateriellen Kosten durch Schmerz und Leid und der verkürzten Lebenserwartung. Risikoabschätzung: Um die externen Kosten durch kanzerogene Luftschadstoffe bewerten zu können, ist jedoch zuerst dieses Krebsrisiko für die Allgemeinbevölkerung in der Schweiz abzuschätzen. Es gilt abzuklären, inwieweit die in der Aussenluft vorkommenden Luftschadstoffe ein Krebsrisiko darstellen. Methodenanalyse: Bei der Bewertung externer Kosten ist wesentlich, welche Methode zur Monetarisierung verwendet wird. Bei der vorliegenden Fragestellung geht es um die heikle Bewertung von Mortalitätsrisiken. Ein Ziel ist deshalb eine kritische Analyse der Methoden zur Monetarisierung von Mortalitätsrisiken und die Beurteilung der bisher in der Schweiz angewandten Methode. Ausgearbeitet wird eine Bewertungsmethodik, die bisherige Schwächen der schweizerischen Bewertungen überwindet. Vorgehen: Auswahl von Risikofunktionen (Unit Risks) für Dieselruss, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, Benzol. Analyse der Immissionssituation in der Schweiz und Abschätzung der spezifisch schweizerischen Bevölkerungsexposition. Abschätzung des Lebenszeitrisikos und der jährlichen Krebsfälle durch kanzerogene Luftschadstoffe in drei verschiedenen Risikoszenarien. Berechnung der externen Kosten durch zusätzliche medizinische Behandlungen, durch den Produktivitätsverlust und durch immaterielle Kosten für Opfer und für Angehörige.

Resultate

Durch die Benzolbelastung der Aussenluft in der Schweiz (Bevölkerung 7.0 Millionen) resultieren im mittleren Risikoszenario jährlich drei Krebsfälle, einer im best case und fünf im worst case (Leukämierisiko). Durch die Belastung durch kanzerogene polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) lassen sich drei (zwei bis fünf) Krebsfälle pro Jahr schätzen (Lungenkrebs). Benzol und bestimmte PAH sind für den Menschen gesichert kanzerogene Substanzen. Durch die für den Menschen wahrscheinlich kanzerogenen Dieselrusspartikel lassen sich pro Jahr 36 (6-201) Krebsfälle schätzen (Lungenkrebs). Dieser weite Schätzbereich resultiert aus der grossen Spannbreite der Unit Risks, die um den Faktor 20 variieren, und die toxikologischen und epidemiologischen Unsicherheiten bezüglich der kanzerogenen Wirkung dieser Substanz zeigen. Die Hochrechnung auf das Krebsrisiko durch alle in der Aussenluft vorhandenen Luftschadstoffe ergibt 60 (15-288) Krebsfälle pro Jahr. Auch hier wird der Schätzbereich durch die Unsicherheiten des Risikos von Dieselrusspartikeln dominiert. Das Krebsrisiko liegt in allen drei Risikoszenarien über dem allgemein als akzeptabel diskutierten Zusatzrisiko. In zwei verschiedenen Kostenschätzungen werden durch den Produktivitätsverlust, zusätzliche medizinische Behandlungskosten und durch immaterielle Kosten für Opfer und Angehörige die externen Kosten pro Krebstodesfall auf 4.1-7.5 Mio. Fr. beziffert. Den weitaus grössten Anteil an den Kosten stellen die immateriellen Kosten mit 80% in der tieferen und 89% in der höheren Kostenschätzung dar. Geringer sind die Produktivitätsverluste, und von den Gesamtkosten her vernachlässigbar die medizinischen Behandlungskosten mit 2% bzw. 1%. Wir vertreten die obere Kostenschätzung, weil es sich beim Krebsrisiko durch kanzerogene Luftschadstoffe um ein individuell unkontrollierbares und unfreiwillig zu tragendes Risiko handelt und weil die Akzeptierbereitschaft, die allgemein in empirischen Studien höhere Werte liefert als die hier verwendete Zahlungsbereitschaft, das richtige Mass zur Bewertung von Mortalitätsrisiken durch Umweltschäden ist. Die Luftbelastung in der Schweiz durch Benzol und kanzerogene PAH führt im mittleren Risikoszenario zu externen Kosten von jährlich 25-45 Mio. Fr., durch für den Menschen wahrscheinlich kanzerogene Dieselrusspartikel zu externen Kosten von jährlich 147-269 Mio. Franken. Die Hochrechnung auf das Krebsrisiko durch alle in der Aussenluft vorhandenen Luftschadstoffe ergibt im mittleren Risikoszenario externe Kosten von 245-449 Mio. Fr. pro Jahr, im best case von 61-112 Mio. Fr. und im worst case von 1.2-2.2 Mrd. Fr. pro Jahr, berechnet für das Jahr 1994. Es lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: Als politische Empfehlung folgt dringlich, dass die bezifferten externen Kosten durch ökonomische Instrumente wie Umweltabgaben, z.B. Emissionsabgaben, internalisiert werden müssen. Allgemein ist in offiziellen schweizerischen Kostenbewertungen die Bewertung der immateriellen Kosten gemäss dem vorgeschlagenen Ansatz zu revidieren. Weil die politische Umsetzung von Internalisierungsmassnahmen auf Widerstände stösst, gilt ein Forschungsschwerpunkt der Untersuchung der politischen Durchsetzbarkeit von ökonomischen Instrumenten. Als Forschungsschwerpunkt muss zukünftig die kanzerogene Wirkung von Dieselrusspartikeln intensiv untersucht werden. Die Lücken gegenwärtiger Immissionsmessungen von PAH (mit Benzo(a)pyren als Leitschadstoff), (Diesel)Russpartikeln und in geringerem Ausmass von Benzol sind zu schliessen. Im weiteren sind technische Reduktionsmassnahmen nötig, z.B. die Reduktion des Benzolgehalts von Benzin auf 1 Vol.-%, die Einführung von Partikelfiltern bei Dieselmotoren sowie die Reduktion der Emissionen von Feuerungen. Nötig sind weiter verkehrslenkende und -reduzierende Massnahmen im Strassenverkehr.