Soziale Mobilität von Studierenden an der Universität Freiburg i. Ue.

Ref. 2174

Allgemeine Beschreibung

Periode

-

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Ganze Schweiz (Studierende der Universität Freiburg)

Kurzbeschreibung

Unter gesellschaftlichen Aspekten betrachtet verfügt die Universität in ihrer Rolle als Bildungsinstitution über eine Verteilerfunktion sozialer Chancen, d. h. diese regelt weitgehend den Zugang zu sozialen Positionen mittels individueller Leistungen. In diesem Kontext wird in der Bildungssoziologie seit Jahrzehnten das Phänomen der sogenannten Berufsvererbung bzw. Schul- oder Statusvererbung – sowie der damit eng verbundene Begriff der Intergenerationenmobilität untersucht; m.a.W. die soziale Aufwärts- (bzw. Abwärts-) Bewegung von Individuen aus einer Position in eine andere, und zwar über die Generationsfolge. Hohe Schulvererbung bedeutet somit, dass Akademikereltern ihre Kinder wieder zur Universitätsausbildung führen. Unter diesen Gesichtspunkten muss davon ausgegangen werden, dass auch heute noch die Studierenden aus akademischem Elternhaus an universitären Bildungsstätten – relativ zu ihrem Prozentsatz in der Bevölkerung – überrepräsentiert sind, eine Tendenz, die bereits auf Gymnasialebene zu beobachten ist. Die in den Nachbarländern stark gestiegenen Maturitätsquoten können als Zeichen dafür gewertet werden, dass es einem steigenden Prozentsatz der Bevölkerung, deren Eltern über keine Maturität bzw. Abitur verfügten, ermöglicht wird, einen solchen Bildungsabschluss zu erlangen. In diesem Sinne tragen Gymnasium und Universität erheblich zur Veränderung der Sozialstruktur bei. Der Trend des Ansteigens der Maturitätsquoten bewirkt somit eine bildungsmässige Aufwärtsmobilität. Der damit verbundene Anstieg der Neuzugänge in den Universitäten legt somit die Frage nahe, ob dieser Zustrom von Studierenden aus nicht-akademischem Elternhaus möglicherweise durch bestimmte Universitätsfächer in besonderem Masse zu bedienen sein werde, zumal aus der Bildungssoziologie der Sechziger- und Siebzigerjahre in der BRD bekannt ist, dass die so geartete Aufwärtsmobilität sich überzufällig häufig über bestimmte akademische Fächer, insbesondere über das Lehramt vollzieht – was bedeutet, dass die Studierenden aus nicht-akademischem Elternhaus dazu neigen, in dem Kontext zu verbleiben, in dem sie aufgestiegen sind, nämlich im Schulsystem. Obwohl in der Schweiz derzeit keine fundierten Daten verfügbar sind, gibt es dennoch Anhaltspunkte dafür, dass in den letzten Jahren den sozialwissenschaftlichen Fächern – u. a. durch die Öffnung der Universität für Absolventen der Lehrerbildungsanstalten – diese Funktion vermehrt zukommt. In dem Ausmass, wie dies der Fall ist und dieser Trend anhält, ist zu erwarten, dass der künftige zusätzliche Zustrom an Studierenden, deren Eltern selber kein Studium absolvierten, diese Fächer besonders beanspuchen wird. Im Zusammenhang mit der in den letzten Jahren stark gestiegenen Zuwachsrate der Studierenden an der Universität Freiburg (Schweiz) stellt sich nun insbesondere die Frage, ob bestimmte akademische Fächer ungleich stärker belastet werden. Die Hauptfragestellung der Untersuchung lautet: - Lassen sich fachspezifische Unterschiede bezüglich der Bildungsmässigen Aufwärtsmobilität zwischen der Elterngeneration (Vater und Mutter) und der Grossvatergeneration (Grossvater und Vater) der Studierenden nachweisen? D. h. werden gewisse Studienfächer durch aufwärtsmobile Studierende häufiger gewählt als andere? - Kann aufgrund von Maturitätsnoten auf die Wahl des akademischen Faches geschlossen werden? - Besteht ein Zusammenhang zwischen Maturitätstypus und Fächerwahl? - Besteht ein Zusammenhang zwischen beabsichtigter (nicht tatsächlicher!) Studiendauer von Studierenden und a) der (höchsten erreichten) Berufsposition der Eltern (des Vaters bzw. der Mutter), b) der akademischen bzw. nicht-akademischen Bildung beider Elternteile (des Vaters bzw. der Mutter) sowie c) der Maturitätsnoten?

Resultate

Bezüglich der Schweizer Studierenden, deren Eltern nicht Akademiker sind, werden an der Universität Freiburg (CH) die folgenden Fächer bevorzugt gewählt: Theologie, Heilpädagogik, Wirtschaftswissenschaften und historische, bzw. sprach- und literaturwissenschaftliche Fächer der Philosophischen Fakultät. Die oben geäusserte Annahme, dass im Kontext der in den letzten Jahren in bisher ungebrochenem Masse gestiegenen Studierendenzahlen insbesondere sozialwissenschaftlichen Studienfächer durch den besonderen Zustrom von Studierenden aus nicht-akademischem Elternhaus beansprucht würden, lässt sich im Rahmen der Hauptfragestellung (und im Vergleich mit dem elterlichen Bildungsstatus) nur für den Fachbereich Heilpädagogik bestätigen. Jene Studierenden liegen bezüglich der bildungsmässigen Intergenerationenmobilität (i.S. einer Aufwärtsbewegung) zwar hinter den Studierenden der Theologischen Fakultät, jedoch noch vor den Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Gesamtheit historischer bzw. sprach- und literaturwissenschaftlicher Fachbereiche der Philosophischen Fakultät. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich beim Studium der Heilpädagogik für die Mehrzahl der Studierenden nicht um ein Lizentiatsstudium, sondern um einen Kurzstudiengang mit berufspraktischem Diplom handelt. Hohe bildungsmässige Intergenerationenmobilität der Studierenden (hoher Anteil an nicht-akademischem Elternhaus) kann also innerhalb der sozialwissenschaftlichen Studienfächer nur für diesen Studiengang identifiziert werden. Im Rahmen des obengenannten bildungssoziologischen Trends und der immer mehr sich abzeichnenden Forderung nach (universitärer) Geschlechterparität sowie der spezifischen Frauenförderung im Rahmen des akademischen Nachwuchses können insbesondere die sozialwissenschaftlichen Fachbereiche – neben den sprach- und literaturwissenschaftlichen Fachbereichen – als Studienfächer mit der höchsten Frauenquote identifiziert werden. Die anhand dieser empirischen Studie identifizierten (und gemäss der jeweiligen Kriterien oben rekapitulierten) Fachbereiche werden somit in den nächsten Jahren einen vermehrten Zustrom an Studierenden erfahren. Es ist deshalb, solange sich diese Prämissen nicht verändern, zu erwarten, dass diese Fächer besondere Aufmerksamkeit verdienen bei der Zukunftsplanung der Universität. Weiter sind Unterschiede feststellbar zwischen vorliegenden schulischen Leistungskriterien und der Wahl des akademischen Faches: So weisen Studierende der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (ohne Medizin) gegenüber den Studierenden der Philosophischen Fakultät, d. h. der historisch/sprach- und literaturwissenschaftlichen sowie der sozialwissenschaftlichen Fachgebiete und den Rechtswissenschaften signifikant höhere Mathematiknoten auf. Demgegenüber weisen historisch/sprach- und literaturwissenschaftliche Fachgebiete sowie Psychologie und Heilpädagogik in den Maturitätsfächern Muttersprache (ebenso Studierende der Theologie und der Rechtswissenschaften) und Zweite Landessprache (ebenso Studierende der Rechtswissenschaften) eine gegenüber den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, v.a. aber gegenüber den Naturwissenschaften signifikant höhere Notendurchschnitte auf. Bezüglich der Maturitäts-Gesamtnoten können jedoch keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden. Folgende Zusammenhänge können für Maturitätstypen und Studienfächer postuliert werden: Typus E und Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Typus C und mathematisch-naturwissenschaftliches Studium (ohne Medizin) sowie Typus A und Studium der Theologie. Demgegenüber wählen Maturandinnen und Maturanden mit den Typen B und D in geringerem Ausmass ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Studierenden aus Elternhäusern mit hoher v.a. väterlicher Berufsposition beabsichtigten ihre Studien in kürzerer Zeit abzuschliessen als Studierende aus Elternhäusern, in denen der Vater eine mittlere oder gar tiefe Berufsposition innehat. Zwischen letztgenannten Gruppen lassen sich im Gegensatz dazu keine statistisch signifikanten Unterschiede nachweisen. Weiter finden sich keine Unterschiede zwischen den durch die berufliche Position der Mutter definierten Kategorien von Studierenden. Darüber hinaus bestehen keine bildungsbedingten Unterschiede bezüglich der beabsichtigten Studiendauer zwischen Studierenden aus Elternhäusern, in denen zumindest ein Elternteil über Hochschulbildung verfügt, und Studierenden aus nicht-akademischem Elternhaus. Im Gegensatz dazu weisen Studierende mit einer beabsichtigten Studienzeitdauer von mehr als zwanzig Semester einen signifikant tieferen Maturitätsnoten-Durchschnitt auf, als Studierende mit weniger als zwanzig Semester. Es kann also ein Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Studienzeitdauer und der Gesamtnote, nicht aber zu den Maturitätsnoten Mathematik, Muttersprache und Zweite Landessprache nachgewiesen werden.