Die Wohnraumversorgung in der Schweiz: Wohnungsgrösse, Wohndichte, Geräumigkeit – Analyse anhand der Daten der Volks- und Wohnungszählung 90

Ref. 890

Description générale

Période concernée

1970, 1980, 1990

Région géographique

-

Informations géographiques additionnelles

Schweiz

Résumé

Teil des wissenschaftlichen Analyseprogramms der Volkszählung 1990, Bereich Wohnen.

Résultats

In diesem Beitrag haben wir die Wohnraumversorgung in der Schweiz anhand zweier Dimensionen untersucht: der Wohnungsgrösse und der Wohndichte. Die wichtigsten Resultate lassen sich folgendermassen zusammenfassen: - Etwa die Hälfte des Wohnungsbestandes bilden die mittelgrossen Wohnungen mit 3 oder 4 Zimmern. Die kleineren und die grösseren Wohnungen machen je ungefähr ein Viertel aus. - Diese Struktur hat sich in den letzten 20 Jahren insgesamt nur wenig verändert. Tendenziell ist eine Verlagerung zu grösseren Wohnungen festzustellen, vor allem im städtischen Gebiet. Im ländlichen Gebiet dagegen, wo nach wie vor der Anteil grosser Wohnungen höher ist als in der Stadt, haben in den letzten Jahren Kleinwohnungen einen erheblichen Zuwachs erfahren. - Fast jede zweite Wohnung ist schon einmal renoviert worden. Da naturgemäss vor allem ältere Wohnungen erneuert werden und da im ländlichen Gebiet der Anteil älterer Wohnungen höher ist als in städtischen Gegenden, hat es auf dem Land auch mehr renovierte Wohnungen. 45% der Renovationen haben in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre stattgefunden. - In knapp der Hälfte aller bewohnten Wohnungen stehen den Bewohnern zwei oder mehr Zimmer pro Person zur Verfügung. Berücksichtigt man neben der Anzahl an Räumen auch die zur Verfügung stehende Fläche, so können 20% der Wohnungen als geräumig bezeichnet werden (mindestens 2 Zimmer und 64 m2 pro Person). - In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Wohnungen mit niedriger Wohndichte mehr als verdoppelt, diejenige der Wohnungen mit hoher Wohndichte hingegen nahezu halbiert. - Ältere Bauten und renovierte Wohnungen haben allgemein eine kleinere Wohndichte als neuere und nicht renovierte. - Die Wohnraumversorgung verschiedener sozialer Gruppen unterscheidet sich erheblich. So verfügen Schweizer über grössere Wohnungen und mehr Wohnraum als Ausländer. Dasselbe gilt für Erwerbstätige mit hohem Status und Berufsprestige (Akademiker, hohe Kader, Selbständige) im Vergleich zu den anderen Erwerbstätigen. Ältere Personen und Rentner wohnen überdurchschnittlich häufig in geräumigen Wohnungen. Alles in allem zeigt sich das Bild einer generell guten Wohnraumversorgung in der Schweiz, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten noch verbessert hat. Nichts lässt darauf schliessen, dass sich dieser Trend in absehbarer Zeit umkehren würde. Damit steht in Übereinstimmung, dass unser Land im internationalen Vergleich gut abschneidet: Während in Westeuropa im Mittel pro Einwohner 35 m2 Wohnfläche zur Verfügung stehen, erreicht dieser Wert in der Schweiz 39 m2. Auf einen höheren Wert kommen nur noch Dänemark, Niederlande, Belgien und Norwegen, wobei Norwegen mit rund 60 m2 die Spitze markiert. Am anderen Ende der Skala liegen die südeuropäischen Länder Italien, Portugal und Griechenland sowie Irland. Der niedrigste Wert mit 15 m2 in Italien beträgt gerade noch einen Viertel des höchsten Wertes und einen Drittel des schweizerischen. Nicht so sehr die Versorgung mit Wohnraum – so lautet die allgemeine Folgerung aus der vorliegenden Studie – ist in der Schweiz ein Problem, sondern eher dessen ungleiche Verteilung auf die sozialen Schichten. Werten wir die dargelegten statistischen Fakten im Sinne der eingangs aufgeworfenen Frage nach den sozialen Auswirkungen einer Dynamisierung des Wohnungsmarktes – unabhängig davon, ob solche Eingriffe ökonomisch oder sozialpolitisch motiviert sind –, erlaubt das aufgearbeitete Material einige Schlüsse, die unseres Erachtens in die politische Diskussion einfliessen sollten. So dürfte eine Neuverteilung des vorhandenen Wohnraumes vor allem ältere Personen und Rentner treffen, die zur Zeit – aus statistischer Sicht – in mancher Hinsicht bevorzugt wohnen. Dies besonders dann, wenn die Neuverteilung mit einer beträchtlichen Anhebung von Mietzinsen für Altbauwohnungen einhergeht, wie sie etwa von der Einführung der Marktmiete zu erwarten ist. Denn so müssen nicht allein die Wohnraumansprüche zurückgeschraubt werden, sondern es ist mit einer Steigerung der finanziellen Belastungen zu rechnen, die nicht für alle gleichermassen tragbar wäre. Aus sozialpolitischer Sicht stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach möglichen flankierenden Massnahmen (z. B. Wohngeld als direkte Unterstützungsmassnahme für Bedürftige). Die Verteuerung von bisher günstigem Wohnraum wird ferner die soziale Lage der ausländischen Wohnbevölkerung beeinträchtigen, deren Wohnraumversorgung unterdurchschnittlich ist. Bemühungen um eine bessere Integration könnten deshalb von einer neugeschaffenen Verknappung unterlaufen werden. Mit vergleichbaren Problemen dürften sich andere sozial schwache Gruppen konfrontiert sehen. Für die bereits heute privilegierten professionellen Kategorien hingegen wird sich kaum etwas ändern. Eingriffe in den Wohnungsmarkt können demnach durchaus Schritte in Richtung der Entstehung jener oftbeschworenen Zweidrittels-Gesellschaft darstellen. Die Anmerkungen zu den statistischen Materialien haben die sozialpolitische Relevanz der Wohnraumversorgung verdeutlicht. Willkürliche Eingriffe verbieten sich im Interesse einer gesamtgesellschaftlichen Integration. Die vorgelegten Materialien, die harten Fakten, wollen daher als Mittel verstanden werden, die es erlauben, in einer sozialpolitisch zentralen Frage sachliche Analysen und angemessene Problemlösungen zu erarbeiten.