Seit 1989 ist im Kanton Zürich das Überspringen einer Klasse auf der Primarstufe möglich. Zur Evaluation dieser Massnahme wurden in den Jahren 1995-1997 alle Überspringenden der Jahre 1994-1996 sowie ihre Eltern und Lehrpersonen schriftlich befragt. Angesichts der klar positiven Ergebnisse dieser Untersuchung beschlossen die zürcherischen Behörden in der Folge, das Verfahren zu vereinfachen (neu war nicht mehr in jedem Fall ein schulpsychologisches Gutachten erforderlich) und den Anwendungsbereich auszudehnen (es wurde neu auch möglich, die erste Klasse der Primarstufe zu überspringen). Die Auswirkungen dieser Veränderungen wurden wiederum untersucht, dies durch eine schriftliche Befragung der Überspringenden der Jahre 1999-2001, ihrer Eltern und ihrer Lehrerinnen bzw. Lehrer. Zusätzlich wurden 30 Interviews durchgeführt. Wenn man sich nur an die Ergebnisse der schriftlichen Befragung hält, kommt man zum Schluss, das Überspringen einer Klasse sei eine gute Sache. 87 Prozent der Schülerinnen und Schüler äussern sich dahingehend, sie würden sich wieder dafür entscheiden, und bei den Eltern geben gar 92 Prozent an, sie wären wieder dafür, ihr Kind eine Klasse überspringen zu lassen. Von den Lehrkräften beurteilen 65 Prozent die Massnahme als gut oder gar als sehr gut. Nur knapp 10 Prozent der Lehrkräfte stehen der Massnahme negativ gegenüber. Die positive Bewertung bleibt auch erhalten, wenn man nur die Fälle betrachtet, wo die 1. Klasse der Primarstufe übersprungen wurde. Eine vertiefte, vor allem auf den Gesprächen basierende Analyse zeigt aber, dass das Überspringen der 1. Klasse keinesfalls unproblematisch ist. Es wird deutlich, wie viele informelle Lernprozesse zum (etwas versteckten) Programm des ersten Schuljahrs gehören: man hat in diesem Zeitraum zu lernen, was es heisst, Schüler zu sein. Kinder, die direkt aus dem Kindergarten in die 2. Klasse wechseln, sehen sich mit älteren Kindern konfrontiert, die mit Selbstbewusstsein und Selbstverständlichkeit eine neue, den Neulingen noch fremde soziale Rolle tragen. Vor allem die Gespräche mit den Lehrpersonen verdeutlichen, wie stark das, was in der Schule gilt, im 1. Primarschuljahr eingearbeitet wird. Wer die erste Klasse überspringt, muss sich in sehr kurzer Zeit sehr viel neue Interaktions- und Verhaltensnormen aneignen. Letztlich zeigt dies auf, wie tief der Graben zwischen der Vorschulstufe und der Primarstufe in der Deutschschweiz nach wie vor ist. Ein Abbau dieses Gefälles, wie er mit der Grundstufe angestrebt wurde und wird, wird deshalb ein Thema bleiben.