Das Hauptziel der vorliegenden Untersuchung bestand im Studium sozialer Desintegrationsphänomene in Bulgarien kurz nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems. Im Kontext des in modernisierungstheoretischen Analysen häufig anzutreffenden Begriffs der "Anomie" als einem spezifischen Zustand von Individuen, Gruppen und Gesellschaften, der sich in einer Werte- und Normenkrise sowie bestimmten Verhaltensmustern manifestiert, wurde die Krise der alten normativen Struktur und den dazugehörigen Institutionen ebenso analysiert, wie die Instabilitäten neuer Institutionen.
Die generelle Ausgangshypothese des Projekts ging von einem akuten und umfassenden anomischen Zustand der bulgarischen Gesellschaft aus. Spezifischere Hypothesen richteten sich auf jene (erwartungsgemäss in besonderem Masse von anomischen Maniferstationen betroffenen) Gruppen und Individuen, die im früheren politischen System sozialisiert wurden und dort als etabliert galten (z.B. Teile der Intelligensia, des ehemaligen Regierungsapparates, Staatsdiener und Arbeiter).