Ausgangslage: Anlagen zur Verminderung, insbesondere Lagerung von Abfällen, stossen auf Widerstand und können nur in Einzelfällen realisiert werden. Dies gilt für die Schweiz wie auch weltweit, für Sonderabfall wie auch - verstärkt - für radioaktive Abfälle. Soziologische Ansätze zum Konfliktmanagement erklären Verzögerung und Aufgabe von Projekten meist mit dem Widerstand (eines Teils) der Bevölkerung und postulieren deshalb vermehrte Bürgerbeteiligung. Auch prozessorientierte Entscheidungsstrategien werden vorgeschlagen, wobei die Herausforderungen für die öffentliche Verwaltung im Vordergrund stehen. Was die Projektanten und die Behörden zu einer ganzheitlichen Problemlösungsfindung beitragen können, ist Gegenstand der vorzulegenden Studie.
Ziel: Zu Handen der Akteure in der nuklearen schweizerischen Abfallwirtschaft sollen Grundlagen bereitgestellt werden für eine integrierte, nachhaltige und transparente Entscheidungsstrategie, die dem komplexen Problem der "Entsorgung", insbesondere des "back ends", also der Lagerung von Abfällen, besser gerecht wird. Einerseits sollen mögliche Handlungsspielräume - "Freiheitsgrade" - der Projektanten ausgeleuchtet werden, anderseits sind aber auch erforderliche Vorgaben zu benennen, die die Projektanten den Abfallverursachern machen müssen, um einer integrierten Lösung des Abfallproblems "von der Wiege bis zur Bahre" zum Durchbruch zu verhelfen. Die Studie versucht Ansätze zu einer Reduktion "institutioneller" Entscheidungsanomalien aufzuzeigen; im Einklang mit der Literatur aus der Entscheidungstheorie wird die These vertreten, dass nicht nur "individuelle" Anomalien existieren, wonach sich einzelne - betroffene und ein Projekt opponierende - Bürger nicht zweckrational verhalten, sondern dass es auch eine institutionelle "bounded rationality" gibt, die in ihrer - in Bezug auf das anstehende Problem - vergleichsweise engen Sichtweise zu "institutionellen" Entscheidungsanomalien führen kann.
Untersuchungsgegenstände: die Analyse erfolgt an Hand der schweizerischen Fallbeispiele, unter Bezugnahme auf die internationale Ebene.
Forschungsansatz: "Abfälle" sind einerseits Gegenstand naturwissenschaftlich-technischer Analyse (mit ihren chemisch-physikalischen Eigenschaften), anderseits werden sie rechtlich und somit auch gesellschaftlich erst als solche definiert - etwa im Gegensatz zu "Wertstoffen"/Ressourcen. Da die Studie handlungsorientiert ist, bedarf es der Integration naturwissenschaftlich/technischer Ansätze in die (sozialwissenschaftliche) Entscheidungsforschung. Die disziplinäre Kompetenz wird mit der Schaffung einer Begleitgruppe sichergestellt.
- Sichtbare Ebene:
1. Systembeschreibung der jeweiligen Lagerkonzepte: Datengrundlage: Standort: Inventar/Toxizität, Volumen, Barrierenphilosophie, Risiken, Interventionspotential, Kosten, Haftung; organisatorischer Rahmen; rechtlicher Rahmen.
2. Vergleich und Bewertung der angewandten Methoden zur Erfassung der Risiken Art und Umfang der Sicherheitsanalysen (deterministisch - probabilistisch, Szenarienanalysen, Unsicherheits- und Sensitivitätsanalysen), Ökobilanzen, Qualitätssicherung, Umweltaudits.
3. Rekonstruktion der bisherigen Entscheidungsprozesse prozessorientierter Ansatz bei komplexen Sachverhalten.
- Verborgene Ebene:
4. Analyse der mentalen Modelle, d.h. der grundlegenden Annahmen zu Abfalldefinitionen, Risikoarten, Risikotransfer, Zeitdimensionen, Datenaufwand, Verursacherprinzip, Entscheidungsfreiheit, Nachhaltigkeit. Ziel ist das Aufdecken verborgener Annahmen, d.h. u.a. allfälliger Gründe für "institutionelle" Entscheidungsanomalien.
5. Analyse der Entwicklung der Lagerkonzepte an Hand der Theorie des organisationalen Lernens Stellenwert des Systemdenkens, Reflexion der mentalen Modelle, Analyse der Leitbilder (Unterschiede zwischen verlautbarten und praktizierten Theorien), Umgang mit der Multiperspektivität des komplexen Problems "Entsorgung".
Methode: Risikoanalyse, Inhaltsanalyse