Anstalt für Nacherziehung: Nachuntersuchung der Klientschaft

Ref. 5266

Description générale

Période concernée

ab 1992

Région géographique

-

Informations géographiques additionnelles

Es handelt sich um eine interkantonal tätige Einrichtung, die Klienten aus der ganzen deutschsprachigen Schweiz aufnimmt.

Résumé

Die Anstalt für Nacherziehung ist eine vom geltenden Jugendstrafrecht explizit erwähnte Erziehungseinrichtung bzw. Vollzugsform für "besonders schwierige Jugendliche". Solche Einrichtungen müssen nebst einem therapeutischen Konzept über spezielle Sicherungsmassnahmen (geschlossene Einrichtung) verfügen und werden vom Bund daher speziell gefördert. Um dieser Situation Rechnung zu tragen, werden solche Einrichtungen speziell evaluiert. Gegenstand der permanent angelegten Begleitforschung ist eine bestimmte Einrichtung (Anstalt für Nacherziehung im Jugendheim Aarburg). Im Vordergrund der mehrdimensionalen Untersuchungen stehen konzeptionelle, betriebliche, verlaufs- und wirkungsorientierte Fragestellungen. Die Untersuchung ist so aufgebaut, dass sowohl konzeptionell-betriebliche, als auch klientenseitige Aspekte erschlossen werden können. Als Basishypothese gilt, dass sich pädagogisch-therapeutisches Handeln und Freiheitsentzug nicht ausschliessen, wie oft behauptet wird. Die Untersuchung macht das Leben der Jugendlichen in der geschlossenen Einrichtung und die pädagogisch-therapeutischen Bemühungen nachvollziehbar. Sie weist das Leistungsspektrum der Einrichtung aus. Klientendaten zur Vorgeschichte, zum Verlauf und über eine kurze Zeit nach Austritt werden miteinander in Beziehung gesetzt. Es fallen zweierlei Resultate an: a) In periodischen "Grundauswertungen" werden die verfügbaren Daten auf Veränderungen und Trends bezüglich Erziehungsbetrieb und Klientschaft befragt. b) In "thematischen Spezialauswertungen" werden bestimmte für eine geschlossene Einrichtung relevante Fragestellungen erschlossen.

Résultats

Seit ihrer Gründung 1988 hat die ANE 99 Jugendliche behandelt, in der Nachuntersuchung, die seit 1992 läuft, konnten insgesamt 73 Jugendliche berücksichtigt werden. In diesen 71/2 Jahren hat sich nicht die pädagogische Arbeitsweise, sondern die Zusammenarbeit zwischen einschlägigen Einrichtungen und zuweisenden Stellen verändert (zunehmende Vernetzung). Bei den aufgenommenen Jugendlichen haben sich die strafrechtlichen Titeln zugunsten von zivilrechtlichen verschoben. Auch hat die ANE in den letzten Jahren vermehrt mit jüngeren und ausländischen Jugendlichen zu tun, die erst kurze Zeit in der Schweiz weilen (nicht Zweitgeneratiönler). Die ANE musste sich auch vermehrt mit Jugendlichen an der Grenze zur Psychiatrie befassen. Bei den aufgenommenen Jugendlichen handelt es sich in der Regel nicht - wie erwartet - um solche mit Heimkarrieren, sondern um Jugendliche, die - mit familiären Risikofaktoren behaftet - in zugespitzte Krisenentwicklungen gerieten, die von den damit befassten Institutionen nicht aufgelöst werden konnten ("Teufelskreis"). Die Vorgeschichte dieser Jugendlichen, namentlich die letzten 11/2 Jahre vor dem ANE-Eintritt lesen sich wie eine Geschichte von zahlreich misslingenden Kriseninterventionen. Das physische Entweichungsverhalten und psychische Ausweichverhalten ist im Rahmen der ANE im Vergleich mit der Zeit zuvor geringer geworden (Ziel dieser Einrichtungsform). 65% der ausgetretenen Jugendlichen konnten das Aufenthaltsprogramm bestehen und in eine wohl vorbereitete Anschlusslösung wechseln. Bei einem Drittel musste der Aufenthalt entgegen der ursprünglichen Zweckbestimmung dieser Einrichtung (ultima ratio) abgebrochen werden, mehrheitlich wegen Gewalt gegenüber dem Personal. Die Nachuntersuchung zeigt, dass der fortgesetzte "Institutioneneinsatz" im Jahr nach dem ANE-Aufenthalt beträchtlich ist und dass bei diesen Jugendlichen auch nach der ANE Kriseninterventionseinrichtungen eine gewichtige Rolle weiterspielen. Die geschlossene Einrichtung erweist sich für die plazierten Jugendlichen als Schonraum, die ihn vor weiterem Absinken schützt. Das Problem ist nicht der Aufenthalt im geschlossenen Rahmen, sondern das Wiedereinüben beim Gebrauch von Freiheiten im Rahmen der schrittweisen Öffnung zur Aussenwelt. Der Aufenthalt in der ANE vermag dem Jugendlichen das chronische Beziehungsdefizit nur temporär zu kompensieren. Eine erste thematische Spezialauswertung befasst sich mit dem Öffnungsprogramm geschlossenen ANE und weist auf empirischer Basis Art und Umfang der verschiedenen Öffnungsformen nach. Sie zeigt, dass der in der ANE platzierte Jugendliche in vielfältiger Weise mit der Aussenwelt in Beziehung steht.