Was sich einfach sagt (Gruppenvollzug als vollzugspolitische Innovation), erwies sich als Grossunternehmen (Transformation einer Anstalt): Es musste ein institutioneller Entwicklungsprozess inszeniert werden, um die immense "Veränderungsmasse" bewältigen zu können. In Regensdorf ist dies im Rahmen dieses Modellversuchs gelungen; die Auswertung zeigt, worauf das Gelingen zurückgeführt werden kann. Im Hinblick auf die Übertragbarkeit lassen sich in der Tat bestimmte unabdingbare Voraussetzungen und Bedingungskonstellationen ausmachen (Tauglichkeit und "direktorial animiertes" Konzept, Konzept als Sinngebäude kommuniziert, ganze Anstalt im Modellversuch (versus Pilotversuch), Stellenplanung zusammen mit Bauprojekt, vorauslaufender Organisationsumbau, Gleichzeitigkeit von Reorganisation Ausbildungsmassnahmen, Mindestteamgrösse, konstantes neuerungsfreundliches Kader, Neubauprojekt als positiver Wert und Umzug als Termin), die eigentliche Transformationserfahrung ist jedoch nicht übertragbar.
Die Tauglichkeit des Gruppenvollzugs für Strafanstalten für Rückfällige konnte nachgewiesen werden. Dezentralisation und Gruppenvollzug stellen sich als zentrale konzeptionelle Massnahmen zur Beruhigung der Dynamik des Grosskollektivs und zur "territorialen" Ordnung in der Anstalt heraus.
Die neue Anstalts- und Führungsstruktur sind fest verankert; sie haben ihre Funktionstüchtigkeit bewiesen. Sie wurden schon während dem Modellversuch funktional benutzt. Dabei war besonders zu prüfen, wie die Vollzugseinheiten für den Spezialvollzug (Eintrittsabteilung, Abteilung für Suchtprobleme) "dazwischengeschaltet" wurden. Mit dem neuen Vollzugssystem ist die Einzelhaft vom Normalfall zur Ausnahme geworden.
Dank der gleichzeitigen Ausbildungsinitiative konnte das Ausbildungsniveau des Gefängnispersonals schon während des Modellversuchs beachtlich angehoben werden; die Anstalt verfügt mit dem Neubaubezug über ein sozialpädagogisches Fundament der Vollzugsarbeit, das nicht nur ideell, sondern auch personell gut verankert ist.
Das erzwungene nähere Zusammenleben der Insassen in einer Gruppe ist das zentrale agagogisches Mittel der Vollzugsarbeit. Ziel des Gruppenlebens (bestehend hauptsächlich aus dem dreimaligen gemeinsamen Essen am Gruppentisch) ist das Erlernen eines gewaltfreien Umgangs mit Konfliktpartnern. Der Gruppenvollzug erfordert jedoch bewusstes Steuern der Gruppenzusammensetzung. Namentlich der grosse Anteil von Insassen aus fremden Kulturkreisen (1989: 59%=Tiefststand, 1993: 76%=Höchststand) schafft hier erhöhte Anforderungen. Mit der Steuerung der Gruppenzusammensetzung wird nicht nur ein vollzugszielförderliches Klima geschaffen, sondern es wird auch das Machtgleichgewicht in der Anstalt reguliert. Dabei spielen situative Bedingungen und Konflikte die grössere Rolle als feststehende ethno-kulturelle Unverträglichkeiten. Das Delikt und die Strafdauer bilden keine Kriterien für die Gruppenzusammensetzung.
Das neue Vollzugssystem zeigt nachhaltige Auswirkungen auch auf die Insassen. Es operationalisiert die Resozialisierungsaufgabe über eine Betriebsform, die, den normalen alltäglichen Lebensvollzügen möglichst nahe kommt ("Normalisierung"), und die den Einfluss von Grosskollektiv und Subkultur zugunsten von individuellen Lernprozessen stark reduziert. Im Effekt ist der Insasse nicht mehr vereinzelt der Dynamik eines Grosskollektivs ausgesetzt, sondern im überschau- und berechenbaren Bezirk einer Gruppe zugehörig geworden. Der Gruppenbezirk ist gegen aussen geschützt und deshalb eine sozial wirksame Einheit. Der vormalige immense Druck des Grosskollektivs ist weitgehend weggefallen, nicht jedoch die Einbindung des Insassen in bestimmte Clans und Subkulturen. Die informelle Machtballung der alten Anstalt ("Knastkönige") ist nicht aufgehoben, aber gebrochen. Dem Grosskollektiv bzw. den subkulturellen Tendenzen steht heute die sozial bedeutsame Kraft der Gruppe gegenüber (Gruppe als verbindlicher Rahmen, Soziale Kontrolle, Gruppe als Schonraum, Erfahrungen aus dem Zusammenleben). Die zentralbau- und grosskollektivbedingten Abläufe sind durch lebensnahe Abläufe in überschaubaren Sozialräumen ersetzt worden. Mit andern Worten sind Vollzugsordnung und Alltagsbedürfnisse gleichlaufender geworden. Durch mit dem Insassen interagierendes Viererteam im Pavillon und feste Zuteilung der Gruppenaufseher erhält die Anstalt für den Insassen "Gesicht" und persönliche Farbe (in der alten Anstalt immer wechselnde Gesichter einiger Dutzend Aufseher). Mit der Abkehr von der grossen Zahl kehren in zwischenmenschlichen Prozessen zuträglichere Massstäbe ein, wodurch bessere vollzugsmethodische Voraussetzung geschaffen wurden. Die postulierte Humanisierung des Strafvollzugs wurde hierbei auf instrumentelle Art konkretisiert.
Das neue Vollzugsmodells hat auch seine Grenzen. Diese bestehen hauptsächlich darin, dass ein solchermassen sozialpädagogisch unterlegtes Konzept sich nicht selbsttätig realisiert (Führungsbedarf) und im Gegensatz zu den eher administrativ-bürokratisch orientierten Vollzugssystemen einen grösseren "Unterhaltsbedarfs" auslöst (Qualitätssicherung ist zwingend). Ausserdem ist es extrem personenabhängig. Auf strafvollzugspolitischer bzw. betriebswirtschaftlicher Ebene hat der Gruppenvollzug schliesslich den Nachteil, dass er im Vergleich mit dem alten Vollzugskonzept im Zentralbau nur mit erhöhtem Personaletat zu haben ist.