Mit der geplanten Studie sollen erste Daten bezüglich des Einflusses von Model-Casting Sendungen auf das psychische und psychophysiologische Wohlbefinden von Gymnasiastinnen im Alter von 16 bis 18 Jahren und Studentinnen im Alter von 19 bis 25 Jahren erhoben werden.
Das Körperkonzept entwickelt sich bereits in der Kindheit nicht nur in enger Interaktion mit der Familie, Gleichaltrigen und dem psychosozialen Umfeld, sondern auch Massenmedien spielen bei dieser Entwicklungsaufgabe eine zentrale Rolle (Hajok, 2011). Bei der Betrachtung der kulturellen Ausprägung des Körperbildes im Verlaufe der Zeit wird deutlich, dass es hinsichtlich der idealen Körperform immer wieder starke Veränderungen gegeben hat. Während noch im 19. Jh. die «reproduktive» und damit fülligere Körperform durch Künstler idealisiert wurde, wurde in den 1920er Jahren erstmals das dünne Frauenbild öffentlich proklamiert. In der Nachkriegszeit (Mitte des 20. Jh.) gab es dann nochmals eine Zeit, in der weibliche Kurven, wie beispielweise diejenigen von Stars wie Marylin Monroe, präferiert wurden, seither entwickelt sich die Idealvorstellung jedoch stark in Richtung eines sehr dünnen Körpers. Gleichzeitig nimmt jedoch das Durchschnittgewicht in der westlichen Bevölkerung zu. Dies führt dazu, dass für junge Frauen eine immer größere Diskrepanz zwischen Selbst- und Idealbild entsteht, was mittlerweile einer „normativen“ Stresssituation bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen entspricht.
Der über Medien vermittelte Druck, dünn zu sein, stellt einen Risikofaktor für Körperunzufriedenheit, Gewichtssorgen und die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens insbesondere bei adoleszenten Mädchen und jungen Frauen dar (López-Guimerà, Levine, Sánchez-Carracedo & Fauquet, 2010; Ogden, Flegal, Carroll & Johnson, 2002; Lobstein & Frelut, 2003; Zimmermann, Gubeli, Puntener & Molinari, 2004; Roth, Munsch, Meyer, Isler & Schneider, 2008). Neue Medien, insbesondere Model-Casting Sendungen wie „Germanys Next Topmodel“ (GNTM) tragen mit ihren faszinierend anmutenden und pompös inszenierten Darstellungen des weiblichen Körpers zur Ausbildung einer Idealvorstellung bei, welche sich durch eine unerreichbare Makellosigkeit auszeichnet und den kritischen Blick auf den eigenen Körper bei vielen jungen Frauen fördert. Sowohl kritische Bemerkungen wie auch positive Kommentare der Jury in Casting-Shows wie GNTM über die Figur, das Auftreten, das Essverhalten und das Benehmen der Kandidatinnen, kann die Zuschauer dazu anregen über ihren eigenen Körper nachzudenken und eine Verhaltensänderung initiieren (Stach, 2013). Nichtsdestotrotz wurde der Einfluss dieser Medieneinflüsse bisher nicht systematisch untersucht.
Das hier aufgegriffene Thema ist von grosser Bedeutung, da eine ausgeprägte Unzufriedenheit mit dem Körperbild der aussagekräftigste Prädiktor für die Entwicklung von Essstörungssymptome ist, wie eine prospektive Längsschnittstudie über acht Jahre von Stice, Marti & Durant (2011) gezeigt hat. Die häufig mit einem negativen Körperbild assoziierte negative Stimmung stellt zudem einen Risikofaktor für die Entwicklung weiterer psychischer Störungen wie insbesondere von Angst- und depressiven Störungen dar (Rawana, Morgan, Nguyen & Craig, 2010; Keel, 2013).
Die Datenerhebung für diese Studie findet im Rahmen eines Experiments satt. Die Probandinnen werden entweder mit Ausschnitten der Model-Casting Sendung GNTM oder Ausschnitten aus einem Naturfilm konfrontiert. Das Experiment findet in Dreiergruppen statt und die Probandinnen werden dazu aufgefordert, sich über die Filmausschnitte auszutauschen. Während des Experiments wird wiederholt unter anderem die Stimmung, die Körperbildzufriedenheit und das Stresserleben erfasst.
Das Ziel der vorliegenden Studie besteht erstens darin, zu prüfen, ob die Model-Casting Sendung GNTM einen direkten, innert kurzer Zeit beobachtbaren negativen Einfluss auf das Körperbild, die Stimmung, das Essverhalten und die physiologische Stressreaktion von jungen Frauen hat im Ver-gleich zu einer neutralen Exposition mit einer Natursendung. Zweitens interessiert, ob es einen Unterschied des Einfluss dieser Sendung zwischen zwei Altersgruppen gibt (Gymnasiastinnen, 16-18 Jahre und Studentinnen, 19 -25 Jahre). Von Interesse ist dabei einerseits die individuelle Bewertung des eigenen Körpers vor und nach der Exposition und andererseits die physiologische und emotionale Stressreaktion wiederum im Vergleich zu einer neutralen Exposition. Drittens befasst sich die Studie mit der Frage, welche psychologischen Mechanismen an diesem Vorgang beteiligt sind und untersucht die Rolle kognitiver Verzerrungen als möglicher moderierender Faktor zwischen der Exposition mit Schönheitsidealen in Medien und der psychischen Befindlichkeit, der Körperbildzufriedenheit und der psychophysiologischen Stressreaktion. Viertens wird eine realitätsnahe Situation erzeugt, indem im Schlussteil des Experiments in Gruppen über die präsentierte Sendung und die Kandidatinnen diskutiert wird. Untersucht wird, ob sich durch diese freie und geleitete Gruppendiskussion (TSF-Induktion) der negative Einfluss von GNTM auf das Körperbild, die Stimmung, das Essverhalten und die physiologische Stressreaktion noch verstärkt.