Evaluation des Modellversuchs "Gemeinnützige Arbeit als neue Vollzugsform im Kanton Bern"

Ref. 1105

Description générale

Période concernée

Wissenschaftliche Begleitung des MVs der GA: 1.Juli 1991-28. Februar 1994

Région géographique

-

Informations géographiques additionnelles

Kanton Bern

Résumé

Zielsetzungen des Auswertungskonzepts: Die Evaluation will erstens den Modellversuch in seinem Verlauf und den dabei auftretenden Problemen möglichst umfassend darstellen. Die Auswertung will zweitens klären, ob die mit der Einführung der GA als neue Vollzugsform für Freiheitsstrafen verknüpften Erwartungen aus der Sicht der Betroffenen erfüllt worden sind. Dabei sollen selbstkritische Einschätzungen der am Modellversuch beteiligten Personen berücksichtigt und Verbesserungsmöglichkeiten konzeptioneller und methodischer Art vorgeschlagen werden. Drittens soll die Aussagekraft der erhobenen Befunde des Modellversuchs für eine eventuelle künftige Einführung der GA als primäre strafrechtliche Sanktion in den Allgemeinen Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuchs eruiert werden. Bei der Darstellung des Modellversuchs in seinem tatsächlichen Verlauf geht es darum: - die praktischen Probleme bei der Einrichtung einer Organisationsstruktur und der Abwicklung konkreter Arbeitseinsätze – also die sogenannten Implementationsbedingungen und -schwierigkeiten – aufzuweisen; - quantitative Gesichtspunkte der Inanspruchnahme des Modellversuchs und der Auslastung vorhandener Kapazitäten der durchführenden Instanz zu erheben; - zu ermitteln, welche Verurteiltenpopulation von der Möglichkeit der GA Gebrauch macht und wie sich diese Population von der Population im kurzen Freiheitsentzug unterscheidet. Die generellen Erwartungen an die probeweise zeitlich begrenzte Einführung der GA als neue Vollzugsform lassen sich zusammenfassend wie folgt skizzieren: Mit der versuchsweisen Einführung der GA als Vollzugsform für Freiheitsstrafen bis zu 30 Tagen ist man bestrebt: - für Verurteilte, bei denen der Vollzug der Freiheitsstrafe eine besondere persönliche Härte bedeuten würde, eine alternative Vollzugsform bereitzustellen; - Verurteilten die Möglichkeit der tätigen Abarbeitung ihrer Schuld durch eine von der Allgemeinheit und ihnen selbst als sinnvoll empfundene Beschäftigung zu erlauben; - zu einer Entlastung der Strafanstalten beizutragen durch eine im Vergleich zum Freiheitsstrafenvollzug kostengünstigere Vollzugsform; - die Durchführung gemeinnütziger Tätigkeiten zu erleichtern, für die sich auf dem freien Arbeitsmarkt nur schwer Interessenten finden lassen. Die Auswertung will prüfen, ob diese mit der versuchsweisen Einführung der GA als neue Vollzugsform für kurze Freiheitsstrafen generell verknüpften Erwartungen nach der subjektiven Einschätzung der am Modellversuch beteiligten Personen – Beamter bzw. Beamtin der Bewährungshilfe, GA-Arbeitgeber/in, GA-Leistender bzw. -Leistende – erfüllt werden. Die Evaluation des Modellversuchs im Hinblick auf seine Aussagekraft für eine eventuelle künftige Einführung der GA als primäre strafrechtliche Sanktion in den Allgemeinen Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuchs will klären: - wie die Organisationsstruktur und die Abwicklung konkreter Arbeitseinsätze optimiert werden können; - ob das sehr spezifische Konzept der GA im Modellversuch die Chancen ausschöpft, die dieser neuartigen Sanktionsform zugeschrieben werden, und damit; - ob der Modellversuch Anhaltspunkte für eine abweichende Konzeption der GA als selbständige Sanktion nach künftigem Recht bietet.

Résultats

Der Berner Modellversuch zur Gemeinnützigen Arbeit (GA), der grundsätzlich allen GA-Gesuchstellern offensteht, stiess auf eine grosse Nachfrage nach gemeinnützigen Arbeitseinsätzen. Das Bestrafungskonzept der Gemeinnützigen Arbeit wurde überwiegend positiv aufgenommen und der Modellversuch insgesamt – von den GA-Leistenden und den gemeinnützigen Arbeitgebern – gut bewertet. Verglichen mit dem Strafvollzug galt der gemeinnützige Arbeitseinsatz als deutlich weniger diskriminierend. Hauptmotive für den GA-Einsatz waren neben der Vermeidung des Gefängnisses die gesellschaftlich nützliche Arbeit. Die Bewährungshilfe des Kantons Bern sicherte durch ihre hohe Effizienz die praktische Durchführung des Modellversuchs trotz des hohen Arbeitsanfalls. Durch die breite Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen konnte für jeden Arbeitswilligen auch ein Arbeitsplatz gefunden werden. Arbeitszeiten von bis zu 240 Stunden waren bei Rücksichtnahme auf sonstige Verpflichtungen durchaus erbringbar. Von den 603 Einsätzen innerhalb der Beobachtungsperiode wurden nur 60 abgebrochen. In den Modellversuch kamen mit mehr als der Hälfte überwiegend jüngere ledige Männer, die zumeist wegen wiederholter Verkehrsdelikte verurteilt waren, und die in der Regel beruflich als einfache Angestellte gearbeitet haben. Es konnte gezeigt werden, dass die GA deutlich billiger kommt als der Vollzug in Strafanstalten. Mit 37810 geleisteten Arbeitsstunden konnte ein Reingewinn von jährlich 1,5 Millionen Franken erzielt werden. Gestützt auf die mit dem Modellversuch gesammelten Erfahrungen hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement inzwischen einen Verordnungsentwurf zur Änderung der bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen der Durchführungspraxis der Gemeinnützigen Arbeit in den Kantonen vorgelegt, die ab 1.1.1996 in Kraft treten soll. Hier ist u. a. vorgesehen, dass künftige Freiheitsstrafen bis zu einer Dauer von 3 Monaten in Form der gemeinnützigen Arbeit vollziehbar sind, wobei ein Tag Freiheitsentzug vier Stunden Gemeinnütziger Arbeit entspricht.