Welche Faktoren erschweren Männern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Es gibt zahlreiche gesellschaftliche, individuelle, partnerschaftliche und betriebsspezifische Hindernisse, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer erschweren oder gar verhindern.
Gesellschaftliche Ebene:
Es gibt heute kein allgemein akzeptiertes Modell, wie man mit Kindern lebt. Paare müssen aus verschiedenen Optionen eine für sie geeignete Lebensform auswählen. Verschiedene Faktoren wie die individuellen Auffassungen von Partnerschaft und Kindererziehung, die Vorstellungen über den Umfang der Erwerbsbeteiligung, die beruflichen Ambitionen, die Aufteilung der Hausarbeit, die Kinderbetreuung, die Wohnform etc. spielen in diese Entscheidung hinein. Die bisherigen Emanzipationsbestrebungen haben die Neugestaltung des Geschlechterverhältnisses weitgehend ausgeklammert. Der Innovationsimpuls (ging und) geht vor allem in Richtung auf eine verstärkte Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt. Bestrebungen, die Väter vermehrt in die Familienarbeit zu integrieren, sind hingegen vergleichsweise schwach. Männer tragen bis anhin wenig zur Lösung der Vereinbarkeitsprobleme bei. Dafür sind nicht nur rationale sondern auch kulturelle Ursachen verantwortlich, insbesondere tief verwurzelte sozio-kulturelle Selbstverständlichkeiten über die Rollen von Vätern und Müttern. In den letzten 10 Jahren haben sich die Verhältnisse bezüglich der Verteilung der Haus-/Familienarbeit allerdings angeglichen. Der Anteil der Paarhaushalte mit Kindern unter 15 Jahren, in denen die Verantwortung geteilt wird, hat sich von 1997-2007 verdoppelt. Für das Beharren in alten Mustern ist auch die geschlechtsspezifische Struktur des Arbeitsmarkts verantwortlich. Die in den letzten Jahrzehnten stattgefundene Integration der Frauen in den Erwerbsbereich lief massgeblich über die Schaffung von Teilzeitstellen. Für die Väter galt (und gilt) weiterhin die Vollzeitarbeitsnorm. 2009 gingen weit über die Hälfte der erwerbstätigen Frauen, aber nur einer von acht Männern einer Teilzeitarbeit nach. Männer arbeiten in erster Linie Teilzeit, weil sie in Aus- oder Weiterbildung sind, weil sie noch in einen Nebenerwerb ausüben, weil sie kein Interesse an einem Vollzeitjob haben oder aus anderen Gründen. Teilzeitarbeit ist somit ein typisches Merkmal weiblicher Berufstätigkeit. Führungskräfte erweisen sich als besonders resistent gegen den Geschlechtsrollenwandel. Sie bevorzugen nach wie vor eine traditionelle Rollenteilung, in der die Frau ihnen den Rücken freihält für ihr berufliches Engagement. Doppelkarriere-Paare sind materiell zwar oft gut gestellt, müssen aber bezüglich der Vereinbarkeit einen anspruchsvollen Balanceakt vollbringen. Familienergänzende Kinderbetreuung stellt eine wesentliche Entlastung berufstätiger Eltern dar. Sie ist eine zentrale Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Rahmen eines vom Bund initiierten Impulsprogramms wurden in den letzten Jahren Tausende von neuen Kinderbetreuungsplätzen geschaffen. Gleichwohl kann das Angebot der steigenden Nachfrage noch immer nicht gerecht werden. Das Schweizer Schulsystem war bis vor kurzem ebenfalls wenig vereinbarkeitsfreundlich. Wo keine Blockzeiten, Tagesschulen, Mittagstische und Horte vorhanden sind, ist es für Eltern schwierig, einer Vollzeitarbeit nachzugehen. Auch die Steuer- und Sozialleistungssysteme beeinflussen die Lebensbedingungen von Familien und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Bei Paarhaushalten begünstigen sie tendenziell das Alleinverdienermodell. Die entsprechenden negativen Anreize für die Aufnahme eines Zweitverdiensts sind zwar schwach. Wenn man aber die Kosten für die familienergänzende Kinderbetreuung einbezieht, werden die negativen Anreize zu einer starken Barriere für die Erwerbsarbeit von Müttern. Zwar lohnt sich ein Zweitverdienst als Teilzeitarbeit, als vollzeitliche Erwerbstätigkeit aber oft nicht. Dies erklärt zu einem grossen Teil, weshalb so viele Frauen in der Schweiz Teilzeit arbeiten und die Vollzeitarbeit ihren Partnern überlassen. Ein weiterer Faktor, der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie belastet, ist die aktuelle Scheidungsgesetzgebung. Die Auflösung der Ehe erhöht den Druck auf Männer, ein hohes Einkommen zu erzielen, um den komplexer gewordenen Ansprüchen gerecht zu werden. Gleichzeitig verlieren Väter ganz oder teilweise die Möglichkeit, ihre Kinder weiterhin (mit) zu betreuen, was sowohl Betroffene und auch Väterorganisationen kritisieren. Leider hat das Thema "Vereinbarkeit von Beruf und Familie - auch für Männer" auch in Politik und Forschung noch wenig Gewicht. Die aus diesen Bereichen kommenden Impulse reichen noch nicht aus, um die Situation familienorientierter Männer nachhaltig zu verbessern.
Individuelle und partnerschaftliche Ebene:
Nach wie vor bestehen gewisse Unterschiede in den Bildungschancen von Buben und Mädchen. Es ist wichtig, beide Geschlechter zu Investitionen in ihre Bildung zu ermutigen, denn damit wird die Grundlage für ihre Eigenständigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit gelegt. Ein von der Gleichstellungspolitik seit Jahren intensiv bearbeitetes Feld ist auch jenes der geschlechtsspezifischen Berufs- und Karriereorientierungen. Obwohl eine gewisse Angleichung der Berufsorientierungen stattgefunden hat, gibt es nach wie vor Unterschiede bezüglich der Berufswahl von Jungen und Mädchen. Die Wahl der Lehrberufe und der Studienfachrichtungen sind in der Schweiz stark geschlechtsspezifisch geprägt. Solange sich junge Frauen aber auf die schlechter bezahlten "weiblichen" Berufe und Tätigkeiten konzentrieren, bleibt die Möglichkeit einer späteren partnerschaftlichen Rollenteilung unattraktiv. Der Mann ist aus finanziellen Gründen sehr oft gezwungen, die Ernährerrolle zu übernehmen. Die Frage, ob und unter welchen Umständen sich Männer heute Kinder wünschen, ist in den letzten Jahren mehrfach untersucht worden. Bereits in frühen Jahren werden die Weichen dafür gestellt, ob Männer später geneigt und fähig sind, als Väter Verantwortung zu übernehmen. Es zeigt sich, dass junge Männer sich durchaus Kinder wünschen, die Familiengründung jedoch an klare Bedingungen knüpfen. Der Qualität der Paarbeziehung kommt - unabhängig vom Geschlecht - eine grosse Rolle zu. Eine Familiengründung ist für junge Männer zudem nur dann möglich, wenn eine Form von Männlichkeit ausserhalb der Familie bewahrt und mit der Konstruktion von Familiengemeinschaft vereinbart werden kann. Zudem weist vieles darauf hin, dass für Männer eine Familiengründung erst in Betracht kommt, wenn die ökonomische Absicherung einer Familie - bspw. im Rahmen einer Vollzeit-Beschäftigung - gewährleistet werden kann. Zahlreiche Studien zeigen, dass die meisten Paare nach der Geburt eines Kindes ihre vormals egalitäre Rollenteilung in Richtung auf eine konventionellere Aufgabenteilung verändern. Es werden nun eher traditionelle Lösungen bevorzugt, insbesondere die männliche Vollzeitarbeit kombiniert mit weiblicher Teilzeitarbeit. Dafür scheinen verschiedenste Faktoren psychologischer, ökonomischer und alltagpraktischer Art verantwortlich. Männer, die sich an der Familienarbeit beteiligen wollen, müssen traditionell geprägte Rollenbilder ablegen und ein neues Selbstverständnis aufbauen. Viele junge Männer bekunden zwar Aufgeschossenheit gegenüber dem neuen Mann, halten sich aber sehr zurück, wenn es darum geht, ihn in die Tat umzusetzen. Als Gründe für diese Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten werden die schwierige Vereinbarkeit mit dem Beruf und der zu erwartende Einkommensverlust genannt. Wenn Männer sich gleichwohl in der Familie engagieren, tangiert dies auch die Rolle der Partnerin. Eine Neudefinition der väterlichen Rolle kann bei Frauen Ambivalenz erzeugen, selbst wenn sie den Einbezug des Partners in die Familienarbeit befürworten. Manche Frauen wünschen sich die Mitarbeit des Mannes, halten aber gleichzeitig an der eigenen primären Nähe und Wichtigkeit für das Kind fest. Sie wünschen sich den Partner in Hausarbeit und Kinderbetreuung eher in der Rolle des Helfers als des eigenständigen Mitgestalters. Dass Männer bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oft wenig erfolgreich sind, ist aber auch ihnen selber zuzuschreiben. Manche von ihnen zögern - im Gegensatz zu den Frauen - sich am Arbeitsplatz für familiäre Anliegen einzusetzen. Vor allem gut qualifizierte Männer meinen oft von vornherein, mit ihrem Wunsch auf Unverständnis und Ablehnung bei der Geschäftsführung zu stossen oder sie fürchten negative Reaktionen der Kollegen, des Freundeskreises, ja sogar der Familie selbst. Doch auch die ökonomische Situation entscheidet darüber, ob ein Mann sich in der Familienarbeit engagieren kann. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat ermittelt, dass sich die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie je nach materieller Situation eines Paarhaushalts unterscheidet: Gut verdienenden Familien stehen viele Möglichkeiten offen, sie brauchen kaum direkte Unterstützung. Einkommensschwache Familien hingegen haben oft wenige Wahlmöglichkeiten. Die Möglichkeiten der grossen Mehrheit schliesslich - Familien mit mittlerem Einkommen - werden zu einem beträchtlichen Grad von den Rahmenbedingungen (Alter und Zahl der Kinder, Betreuungsangebote etc.) beeinflusst. Ein weiterer ökonomischer Faktor, der die Gleichstellung der Geschlechter verhindert und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert, ist die Lohnungleichheit. Die Differenz zwischen den Männer- und den Frauenlöhnen ist einer der Gründe, weshalb Frauenarbeit oft ökonomisch unattraktiv ist und Männer die Hauptverdiener bleiben. Studien zeigen, dass die in der Schweiz immer noch ausgeprägte Lohndiskriminierung ein entscheidendes Hindernis für den Abbau von traditionellen Rollenverteilungen darstellt. Die Chancen einer egalitären Arbeitsteilung in den einzelnen Haushalten könnte mit der Durchsetzung der Lohngleichheit entscheidend erhöht werden.
Unternehmensspezifische Ebene:
Die Strukturen der heutigen Arbeitswelt sind eigentlich ein Relikt aus dem Industriezeitalter. Insbesondere in den qualifizierten Bereichen sind die Arbeitsbedingungen noch stark auf den Vollzeitarbeitnehmer zugeschnitten, der sich nicht um die Familienarbeit kümmern muss. Dieses Rollenteilungsmuster ist inzwischen von der gesellschaftlichen Realität überholt. Die Frau im Hintergrund, die dem Mann den Rücken freihält, ist zur Ausnahme geworden. Gleichwohl gehen traditionelle Unternehmen nach wie vor davon aus, die Qualität des beruflichen Engagements messe sich an hoher zeitlicher Präsenz und an der Bereitschaft, ausserberufliche Bedürfnisse zugunsten des Unternehmens zurückzustellen. Anwesenheitskultur und Vollzeitmentalität sind nach wie vor ausgeprägt und bestimmend für die Beurteilung der Mitarbeitenden. Der von männlichen Führungskräften vorgelebte Anspruch, den Beruf vor alles andere zu setzen, ist einer der Hauptgründe, weshalb es manche familienorientierte Männer am Arbeitsplatz schwer haben. Unter den bestehenden institutionellen Bedingungen können sie es nämlich nur unter Inkaufnahme von Nachteilen oder gar Sanktionen wagen, ihre Berufskarriere zugunsten der Vaterrolle oder wegen Verpflichtungen gegenüber Verwandten zurückzustellen. Während Frauen mit Verständnis rechnen können, wenn sie Vereinbarkeitsprobleme thematisieren oder familienfreundliche Angebote nutzen, erfahren familienorientierte Männer nur in Ausnahmefällen Unterstützung. Als Stolperstein erweist sich insbesondere die Bindung von Führungspositionen an Vollzeitarbeit. Eine proaktive familienfreundliche Personalpolitik könnte die Vereinbarungsproblematik wesentlich entschärfen und die Gleichstellung der Geschlechter fördern.