Biographische Bewältigung diskontinuierlicher Verläufe und prekärer Übergänge in den Arbeitsmarkt - Zur Handlungsfähigkeit Sozialhilfe beziehender junger Erwachsener

Ref. 8801

This is version 2.0 of this project.

General description

Period

2002 bis 2006

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Kanton Basel-Stadt

Abstract

Im Zuge der weitreichenden Veränderungen des Arbeitsmarkts und des Berufsbildungssystems der letzten Jahre wurden Jugendliche auch in der Schweiz vermehrt mit Schwierigkeiten bei der beruflichen Integration konfrontiert. Als Folge davon nahm auch die Zahl der jungen Menschen, die wegen prekärer Arbeitsmarktintegration auf Sozialhilfe angewiesen sind, markant zu. Dies stellt Institutionen der sozialen Sicherheit, aber auch des Bildungssystems vor neue Herausforderungen. Welche Auswirkungen die schwierigen Berufsbildungs- und Arbeitsmarktbedingungen auf den Entwicklungsverlauf und die Integrationschancen der jungen Menschen haben, darüber weiss man insbesondere im schweizerischen Kontext noch wenig. Vermutet wurde, dass sich die strukturellen Veränderungen des Übergangs in den Verläufen der jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe widerspiegeln. Ausgehend von der quantitativen Untersuchung Young urban poor von Drilling (2004), welche unter anderem die schlechten Bildungsvoraussetzungen der Sozialhilfebezüger/innen nachweisen konnte, wurde für die vorliegende Studie eine vertiefende bildungsbiographische Verlaufsstudie geplant. Untersucht wurden die diskontinuierlichen Verläufe und prekären Übergänge der Jugendlichen von der Schule bis in die Erwerbsarbeit. Von Interesse waren die Bewältigungsanforderungen und -leistungen, die sich im Wechselspiel von individuellen und institutionellen Bedingungen für die Jugendlichen gegenwärtig stellen. Den Analyserahmen dazu bot das Konzept "biographische Lebensbewältigung und Sozialintegration" von Böhnisch (1984, 2001). Dieses Konzept versteht die Lebensbewältigung bzw. die Erweiterung der Handlungsfähigkeit als biographischen Aneignungsprozess. Damit ist das Konzept anschlussfähig an Ansätze zu biographischem Lernen. Die dazu konsultierten Ansätze wurden zu einem Bestimmungsrahmen zusammengeführt, der es ermöglichte, Bewältigungshandeln und biografische Lernprozesse zu untersuchen. Von besonderem Interesse war, wie es den Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelingt, ihre Handlungsfähigkeit zu erweitern und welchen Beitrag dabei institutionelle Unterstützungsangebote spielen. Diese Aspekte wurden empirisch anhand von problemzentrierten, offenen biografischen Interviews mit 20 jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe untersucht. Mit dem Fokus auf diskontinuierliche Verläufe von der Schule in die Erwerbsarbeit unter bildungs- und erwerbsbiografischen Gesichtspunkten stand eine typisch sozialpädagogische Fragestellung im Zentrum des Interesses. Die Ergebnisse dieser Studie sollen zum Wissen und zu einem differenzierteren Verständnis bezüglich diskontinuierlicher Verläufe von der Schule in die Erwerbsarbeit und der Lebenssituation der jungen Erwachsenen in der Sozialhilfe beitragen. Ferner können die Ergebnisse einen Beitrag zur Erweiterung der bildungspolitischen Entscheidungsgrundlagen sowie zur Verbesserung der sozialpädagogischen Handlungspraxis leisten.

Results

Die Anaylse diskontinuierlicher Verläufe zeigte neben zahlreichen individuellen Besonderheiten, wie neben Schwierigkeiten bei der beruflichen Integration insbesondere entwicklungsbedingte andere Bewältigungsanforderungen (Identitätsfindung, Ablösung, Orientierung, Selbstständigkeit etc.) zu Bewältigungsproblemen und zum Verpassen der Ausbildung führten. Vorallem bei sozial benachteiligten Jugendlichen, die kaum auf Unterstützung durch ihre Eltern oder wichtige andere Bezugspersonen zählen konnten oder nicht wollten, schienen problematische Verläufe vorprogrammiert. Beobachtet werden konnte, wie das jugendliche Bewältigungshandeln entwicklungsbedingt zwar für die Jugendlichen im Moment funktional sein konnte, aber oft dysfunktional in Bezug auf die tatsächliche Problemlösung. So trug ihr Handeln (z.B. biographische Entscheide, situatives Handeln, Emotionsregulierung) häufig zur Verschärfung von Problemen bei. Ferner fiel auf, dass die Jugendlichen fast alle früh die volle Selbstständigkeit für ihr Leben übernehmen mussten. Die meisten wurden mit 18 Jahren freigestellt aus familiären Bezügen, aus Massnahmen oder aus Herkunftsländern oder mussten früh die Verantwortung für eigene Kinder übernehmen. Ohne Vorbereitung auf die selbstständige Lebensführung bzw. Alltagsbewältigung und die Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche waren alle mit hohen weiteren Bewältigungsanforderungen konfrontiert. Weil ihnen der Einstieg in die Erwerbsarbeit zunächst kaum gelang - oder weil sie mit anderen Aufgaben beschäftigt waren - waren sie früh auf Sozialhilfeunterstützung angewiesen. Eine Phase des Suchens und Experimentierens zeigte sich bei allen. Allmählich lernten sie für sich zu sorgen. Voraussetzung dafür waren: emotionale Autonomie, Identitätsfindung, Selbstverantwortung. Damit verbunden war der Wunsch nach Veränderung und nach einer Erwerbsarbeit oder einer Nachqualifikation (Bedürfnis nach finanzieller Autonomie). Mit welchen Schwierigkeiten die Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche unter diesen Bedingungen (über 20 Jahre alt,in neuen Lebensumständen, wenig Kenntnisse des Arbeitsmarktes, ohne Ausbildung, mit geringe Berufserfahrung) verbunden war, zeigen die Ergebnisse ebenfalls. Insgesamt wurde auch deutlich, dass das Unterstützungsangebot für diese junge Menschen ungeeignet ist, bzw. kaum zur Erweiterung der Handlungsfähigkeit der jungen Menschen beitragen kann. Beobachtet werden konnte, wie das institutionelle Angebot häufig die Handlungsfähigkeit der jungen Menschen noch weiter einschränkt. Weiter zeigte sich, wie die Befragten mangels Veränderungsmöglichkeiten allmählich lernten, zwischen Arbeit, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfeunterstützung zu leben.