Wirkungen von Beschäftigungsprogrammen für ausgesteuerte Arbeitslose

Ref. 7165

General description

Period

1998 bis 2001

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Kanton Basel-Stadt, Kanton Genf, Stadt Zürich

Abstract

Das Ziel des Projekts ist, mehr über die Wirkungen von Beschäftigungsprogrammen für Ausgesteuerte zu erfahren. Dabei geht es um die Wirkungen auf die Ausgesteuerten selbst (soziale und berufliche Integration) und um volkswirtschaftliche Wirkungen (Konkurrenzierung bestehender und Schaffung neuer Stellen). Aus den Resultaten der geplanten Untersuchung sollen Empfehlungen, die zu Verbesserungen an den Programmen führen, abgeleitet werden. Die drei Hauptfragestellungen lauten: - Inwieweit stellen Beschäftigungsprogramme für ausgesteuerte Arbeitslose ein geeignetes Instrument zur beruflichen Wiedereingliederung dieser Personengruppe dar? - Inwieweit stellen Beschäftigungsprogramme für ausgesteuerte Arbeitslose ein geeignetes Instrument zur sozialen Wiedereingliederung dieser Personengruppe dar? - Inwieweit werden durch Beschäftigungsprogramme für ausgesteuerte Arbeitslose bestehende Stellen konkurrenziert bzw. ersetzt und neue Stellen geschaffen? Es werden sowohl quantitative als auch qualitative Methoden eingesetzt, nämlich: - Bestandesaufnahme und Analyse der Programme - Analyse der Merkmale der Teilnehmer an Programmen und der Nicht-Teilnehmer - Persönliche Interviews mit 30 Experten, Programm-Anbietern und Sozialpartnern - Telefonische Befragung von 453 Programm-Teilnehmern und von 313 Nicht-Teilnehmern Das Untersuchungsgebiet umfasst Teile der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz, nämlich den Kanton Basel-Stadt, den Kanton Genf und die Stadt Zürich. Erstmals werden Programme für ausgesteuerte Arbeitslose kantonsübergreifend evaluiert. Von Bedeutung ist, dass die Wirkungsanalyse über eine längere Zeitspanne erfolgt, denn die telefonische Befragung findet eineinhalb bis zweieinhalb Jahre nach Programmende statt.

Results

A) Wichtigste Ergebnisse der Dokumentenanalyse und der Interviews mit Fachleuten: Im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt Zürich gibt es keine speziellen Programme für Ausgesteuerte. Bezugsberechtigte Arbeitslose und Ausgesteuerte, in Zürich auch Personen, die nie Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hatten, sind in den gleichen Programmen anzutreffen. Der Kanton Genf dagegen hat Programme speziell für Ausgesteuerte aufgebaut. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Beschäftigungsprogrammen, nämlich die kollektiven Programme und die Einzelarbeitsplätze. In den kollektiven Programmen arbeiten mehrere bezugsberechtigte Arbeitslose und/oder Ausgesteuerte miteinander in Gruppen, z. B. in einer Bäckerei, in einer Baugruppe, in einer Kantine. Diese Betriebe wurden speziell ins Leben gerufen, um bezugsberechtigte Arbeitslose und/oder Ausgesteuerte zu beschäftigen. Die kollektiven Programme sind der realen Arbeitswelt etwas weniger nahe und haben meistens weniger Anforderungen an die Teilnehmer als die Einzelarbeitsplätze. Der Kanton Genf kennt keine kollektiven Programme. Einzelarbeitsplätze sind Stellen in der öffentlichen Verwaltung und in gemeinnützigen Organisationen, die bezugsberechtigten Arbeitslosen und/oder Ausgesteuerten zur Verfügung stehen. Die Ausgesteuerten arbeiten dort, wie wenn es reguläre Stellen wären. Ihre Kollegen sind nicht andere Ausgesteuerte, sondern reguläre Angestellte. Die Einzelarbeitsplätze im Kanton Genf heissen Emplois temporaires. Die Programme und die Bestimmungen dazu unterscheiden sich von Untersuchungsgebiet zu Untersuchungsgebiet sehr stark. Ausgesteuerte im Kanton Genf haben ein gesetzlich verankertes Recht, an einem Emploi temporaire teilzunehmen. Im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt Zürich gibt es ein solches Recht nicht. Dort bestimmen Beamte, wer ein Programm absolvieren kann. Im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt Zürich gelangt nur ein kleiner Anteil (weniger als 10 %) der Ausgesteuerten in ein Programm, im Kanton Genf macht etwas mehr als ein Drittel der Ausgesteuerten von ihrem Recht Gebrauch. Eines der hauptsächlichen Ziele der Emplois temporaires im Kanton Genf ist, den Ausgesteuerten zu ermöglichen, wieder einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu erlangen. Damit kann sich der Kanton Genf von Sozialausgaben entlasten. Dieses Ziel besteht im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt Zürich nicht. Im Kanton Basel-Stadt und in der Stadt Zürich sind die Programme und die Politik und die Konzepte, die ihnen zu Grunde liegen, in einem starken Wandel. Im Kanton Basel-Stadt werden seit ungefähr August 2000 nur noch ausgesteuerte Personen zu den Programmen zugelassen, wenn sie Sozialhilfebezüger sind oder nach der Aussteuerung zum Bezug von Sozialhilfe berechtigt wären. In der Stadt Zürich besteht seit April 2000 die Vorschrift, dass nur Sozialhilfebezüger in die Programme aufgenommen werden. Wenn also jemand heute in Basel oder Zürich ausgesteuert wird und im Moment noch „zu viel" Einkünfte oder Vermögen hat, um von der Sozialhilfe unterstützt zu werden, hat erst Zugang zu einem Programm, wenn diese Einkünfte unter ein Minimum fallen oder wenn er einen grossen Teil seiner Ersparnisse aufgebraucht hat. Vor dem April 2000 in Zürich und vor dem August 2000 in Basel konnten auch Ausgesteuerte ein Programm absolvieren, wenn sie nicht Sozialhilfebezüger bzw. sozialhilfebezugsberechtigt waren. In beiden Gebieten untersuchten wir dieses alte Programm-System, denn die Änderungen traten erst nach dem Beginn unserer Arbeiten ein. B) Die wichtigsten Ergebnisse der telefonischen Befragung zur beruflichen Integration Im Kanton Basel-Stadt fanden die Programm-Teilnehmer eher wieder eine neue Stelle als die Nicht-Teilnehmer. Dies gilt für Einzelarbeitsplätze und für kollektive Programme. Die Einzelarbeitsplätze schnitten besser ab als die kollektiven Programme: - Tabelle 1: Basel-Stadt: Ergebnis der Stellensuche nach Programm-Teilnahme/Nicht-Teilnahme Kein Programm: 58.5% (zur Zeit Arbeit); 41.5% (zur Zeit keine Arbeit) Kollektives Programm: 66.7% (zur Zeit Arbeit); 33.3% (zur Zeit keine Arbeit) Einzelarbeitsplatz: 76.7% (zur Zeit Arbeit); 23.3% (zur Zeit keine Arbeit) Werden die Teilnehmer der kollektiven Programme und der Einzelarbeitsplätze in Basel-Stadt zu einer Gruppe zusammengefasst, wird der Unterschied gegenüber den Nicht-Teilnehmern schwach signifikant (Irrtumswahrscheinlichkeit = 5,6 bzw. 5,7 %). Das obige Resultat wird durch die subjektiven Aussagen der Basler Programm-Teilnehmer, die Arbeit gefunden haben, gestützt. Beinahe die Hälfte der Programm-Teilnehmer mit Arbeit gab an, das besuchte Programm habe ‚sehr viel' oder ‚eher viel' dazu beigetragen, die jetzige Stelle zu bekommen: - Tabelle 2: Basel-Stadt: Subjektive Beurteilung der arbeitsmarktlichen Wirkung der Programme Hat die Teilnahme am Programm dazu beigetragen, dass Sie Ihre jetzige Stelle gefunden haben? Sehr viel (23.5 %); Eher viel (23.5 %); Eher wenig (5.9%); Sehr wenig (7.8%); Gar nicht (27.5%), Fehlende Angabe (11.8%) Hier mussten nur die 51 Personen, die im Moment der Befragung Arbeit hatten und ein Programm besucht hatten, antworten. In der Stadt Zürich waren nur die Inhaber von Einzelarbeitsplätzen bei der Stellensuche erfolgreicher als die Nicht-Teilnehmer. Die Teilnehmer von kollektiven Programmen dagegen schnitten schlechter ab als die Nicht-Teilnehmer: -Tabelle 3: Stadt Zürich: Ergebnis der Stellensuche nach Programm-Teilnahme/Nicht-Teilnahme Kein Programm: 60.9% (zur Zeit Arbeit); 39.1% (zur Zeit keine Arbeit) Kollektives Programm: 53.3% (zur Zeit Arbeit); 46.7% (zur Zeit keine Arbeit) Einzelarbeitsplatz: 73.8% (zur Zeit Arbeit); 26.2% (zur Zeit keine Arbeit) Auch in der Stadt Zürich stellten die Programm-Teilnehmer, die bei der Arbeitsuche Erfolg hatten, den Programmen ein gutes Zeugnis aus. Etwas weniger als die Hälfte der Programm-Teilnehmer mit Arbeit - nur 3 Prozentpunkte weniger als in Basel - gab an, das besuchte Programm habe ‚sehr viel' oder ‚eher viel' dazu beigetragen, die jetzige Stelle zu bekommen. Im Kanton Genf fanden die Teilnehmer der Emplois temporaires etwas weniger oft eine neue Arbeit als die Nicht-Teilnehmer: - Tabelle 4: Kanton Genf: Ergebnis der Stellensuche nach Programm-Teilnahme / Nicht-Teilnahme Kein Programm: 59.8% (zur Zeit Arbeit); 40.2% (zur Zeit keine Arbeit) Emploi temporaire: 51.8% (zur Zeit Arbeit); 48.2% (zur Zeit keine Arbeit) In Bezug auf den Kanton Genf gilt es jedoch, zu berücksichtigen, dass dort eines der Hauptziele der Programme ist, den Ausgesteuerten wieder einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu verschaffen. Alle Absolventen der Programme könnten dort im Prinzip arbeitslos bleiben und wieder von der Arbeitslosenversicherung leben. Möglicherweise besuchen einige das Emploi temporaire nur, um nachher wieder Arbeitslosenentschädigung zu beziehen.Ein Drittel der Genfer Teilnehmer, die Arbeit fanden, gab an, das absolvierte Emploi temporaire habe ‚sehr viel' oder ‚eher viel' dazu beigetragen, die jetzige Stelle zu bekommen. Aber 55% waren der Ansicht, dass das absolvierte Emploi temporaire gar nicht dabei geholfen habe. C) Die wichtigsten Ergebnisse der telefonischen Befragung zur sozialen Integration Auf die Frage „Hat Ihnen die Arbeit im Programm etwas gebracht?" antworteten im Kanton Genf und in der Stadt Zürich fast zwei Drittel und im Kanton Basel-Stadt etwas mehr als die Hälfte der ehemaligen Programm-Teilnehmer mit und ohne Arbeit mit „eher viel" oder „sehr viel". Diese Programm-Teilnehmer, denen die Einsätze insgesamt eher viel oder sehr viel gebracht haben, wurden nach dem Grund ihrer Einschätzung gefragt. Ein grosser Teil von ihnen nannte dabei auch Gründe, die wichtige Elemente der sozialen Integration sind: Sie hatten neue Leute kennen gelernt und neue Kontakte geknüpft; ihr Selbstvertrauen verbesserte sich; sie hatten wieder einen geregelten Tagesablauf; sie kamen wieder aus ihrer Wohnung heraus. Mit den Fragen, die sich auf die soziale Integration im Moment der Befragung und auf deren Veränderung zwischen dem Zeitpunkt der Aussteuerung und dem Moment der Befragung bezogen, konnte aber keine Wirkung der Programme auf die soziale Integration der Teilnehmer mehr festgestellt werden. Auf alle Fragen zur sozialen Intgration, in denen die Situation im Zeitpunkt der Befragung mit der Situation im Moment der Aussteuerung verglichen wurde, antwortete die Mehrheit der ehemaligen Programm-Teilnehmer und der Nicht-Teilnehmer, es habe sich nichts verändert. Die Unterschiede zwischen den weiterhin arbeitslosen und den wieder beschäftigten Ausgesteuerten waren meistens deutlich grösser als diejenigen zwischen den ehemaligen Programm-Teilnehmern und den Nicht-Teilnehmern. Diejenigen Ausgesteuerten, die wieder zu einer Stelle gelangten, waren tendenziell sozial besser integriert als diejenigen, die arbeitslos geblieben sind. Wer beruflich wieder eingegliedert ist, ist also tendenziell auch sozial besser integriert. Es gibt also einerseits deutliche Hinweise darauf, dass die untersuchten Programme die soziale Integration mindestens während der Dauer dieser Massnahmen verbesserten. Andererseits konnte mit den Fragen, die sich auf die soziale Integration im Moment der Befragung und auf deren Veränderung zwischen dem Zeitpunkt der Aussteuerung und dem Moment der Befragung bezogen, keine Wirkung der Programme auf die soziale Integration der Teilnehmer mehr festgestellt werden. Da asserdem die soziale Integration der Personen, die wieder Arbeit gefunden haben, tendenziell besser war als diejenige der weiterhin arbeitslosen Personen, liegt die folgende Schlussfolgerung nahe: Die Programme fördern die soziale Integration der Absolventen. Wenn die Teilnehmer aber nachher keine Arbeit finden, verschwindet diese Wirkung möglicherweise relativ rasch wieder. Menschen, die wieder Arbeit gefunden haben, also beruflich wieder eingegliedert sind, sind tendenziell auch sozial besser integriert. Arbeit leistet also einen grossen Beitrag zur sozialen Integration und ist darum ein Mittel, diese zu erreichen bzw. zu verbessern. Programme, die ausschliesslich die soziale Integration fördern, sind deshalb nur für diejenigen Menschen sinnvoll, die wegen langer Arbeitslosigkeit oder aus gesundheitlichen und psychischen Gründen zur Zeit des Programmbeginns nicht oder sehr beschränkt arbeitsfähig sind und starke Defizite im sozialen Bereich haben.