Von Hausfrauen und Hausmännern wird pro Haushalt je nach Familiengrösse und Verhältnissen ca. 16 bis 80 Wochenstunden Hausarbeit geleistet. Die Funktion dieser Arbeit für die Gesellschaft besteht u.a. in der Reproduktion der Bevölkerung (Erziehung und Betreuung der heranwachsenden Generation) und in der Regeneration der Arbeitskraft der Erwerbstätigen (Ermöglichung physischer und psychischer Erholung). Verschiedene voneinander unabhängige Untersuchungen über den Umfang der Hausarbeit lassen sich vereinfacht, aber beeindruckend auf die Formel bringen: Mehr als ein Drittel aller volkswirtschaftlich relevanten Arbeit ist Haus- und Familienarbeit. Die Haus- und Familienarbeit nimmt eine lange Zeit unterschätzte Schlüsselposition ein: Geburtenrückgang, "Wiedereinsteigerinnen"-Situation, Mutterschaftsurlaub, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Angebot und Nachfrage nach Krippenplätzen, Kindsmisshandlung, Geschlechterproblematik usw. sind Problembereiche, die aufs engste mit Haus- und Familienarbeit und ihrer gesellschaftlichen Organisation zusammenhängen. Diese Zusammenhänge werden zunehmend erkannt. Kleinere und umfassendere Massnahmen für Verbesserungen im Bereich der Haus- und Familienarbeit werden diskutiert und in Einzelfällen umgesetzt. Sie betreffen die ideelle und materielle Anerkennung dieser Leistungen (AHV, Erhöhung der Kinderzulagen u.a.m.), ihre Verteilung zwischen den Geschlechtern, Möglichkeiten ihrer teilweisen Verlagerung aus der Familie (Tagesschulen u.ä.), Beratungsangebote, Vertretung der Interessen von Kindern und verschiedene andere Möglichkeiten der Einflussnahme. Um unter diesen Massnahmen geeignete auszuwählen, Prioritäten zu setzen und Synergien zu nützen, sind übergeordnete Zielsetzungen zu diskutieren. Dazu wählt dieses Forschungsprojekt einen in der Forschung zur Haus- und Familienarbeit neuen Ansatz: Auf Grund A) einer eingehenden Situationsanalyse werden B) Leitlinien für die gesellschaftliche Organisation der Haus- und Familienarbeit erarbeitet. Danach werden C) mögliche Massnahmen und Modelle besprochen.
A) Die verschiedenen Leistungen der Hausfrauen und Hausmänner werden aufgelistet, inhaltlich beschrieben, ihr Arbeitsumfang wird nach Stunden oder Franken abgeschätzt und ihre gesellschaftliche Bedeutung wird dargestellt. Zusammenhänge zwischen diesen verschiedenen Leistungen werden geklärt, sodass sie gemeinsam als Leistungskomplex begriffen werden können. Anschliessend werden die typischen Probleme dieser Arbeit, welche die Forschung je als einzelne heute zunehmend besser darstellt, zusammengestellt und ebenfalls gemeinsam als Komplex interdependenter Probleme begriffen. Eine solche umfassende Darstellung der Leistungen und Probleme der Haus- und Familienarbeit fehlt bisher.
B) Ein Set von sechs bis zehn prägnanten Leitlinien (diskursorientierten, reflektierten Normen für Umorganisationen, welche die Haus- und Familienarbeit betreffen) wird entworfen. Zusammen sollen sie für möglichst alle Freiräume gesellschaftlicher Gestaltbarkeit der Haus- und Familienarbeit Orientierung bieten. Basis der Erarbeitung der einzelnen Leitlinien ist die Besprechung einerseits der hier bestimmenden Werthaltungen als den aktuell wirksamen Normen und andererseits verschiedener einschlägiger Reflexionen und Normvorschläge aus der ethischen Disziplin. Ein kritischer Vergleich dieser unterschiedlichen normativen Positionen bildet die Basis für die Formulierung der Leitlinien und für eine ausführliche Begründung, die auch verbleibende Schwierigkeiten und Unsicherheiten offenlegt.
C) Anschliessend werden verschiedene mögliche Massnahmen und Modelle für Umgestaltungen im Bereich der Haus- und Familienarbeit dargestellt - seien es im Verlaufe dieses Projektes neu entdeckte, bisher schon vorgeschlagene oder auch lokal bereits erprobte. Ihre Besprechung anhand des Leitliniensets zeigt Stärken und Schwächen und ausserdem mögliche sinnvolle Kombinationen. Dieses Projekt kann einen fundierten, neuen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs und zugleich zur Weiterentwicklung der Familienpolitik, der Gleichstellungspolitik, von Arbeits(um)verteilungskonzepten und der Beratung im Familien- und Frau/Mann-Bereich leisten. Es erschliesst der wissenschaftlichen Ethik die Haus- und Familienarbeit.