Als Ethnologe habe ich mich Jugendlichen und jungen Erwachsenen genähert, die in möglichst unterschiedlichen sozialen Kontexten Folien rauchten. Dabei habe ich versucht, Folienraucherinnen und -raucher möglichst in ihren alltäglichen Umgebungen zu treffen. Obwohl ich es anfänglich vermeiden wollte, wurde die bei Studienbeginn im Frühjahr 94 noch "offene Drogenszene" am Zürcher Letten ein wichtiger Ausgangspunkt. Die Öffentlichkeit sah damals vor allem "sehr junge und gut integrierte" Jugendliche von dieser für die Schweiz neuen Konsumform des Heroins bedroht und nahm nicht zur Kenntnis, dass auch auf dem Letten verkehrende Heroinkonsumentinnen und -konsumenten etwa zu einem Drittel die Droge rauchten. Ich lernte dort viele junge Leute kennen, die ausser dem Folien Rauchen kaum etwas miteinander gemein hatten. Kontakte vermittelten aber auch verschiedene im sozialen Bereich Tätige. Insbesondere entstand so eine lockere Gesprächsrunde mit einigen Jugendlichen, die sich in wechselnder Zusammensetzung im Laufe eines Jahres mehrmals traf. Daneben sprach ich Jugendliche aber auch in S-Bahn- oder Intercity-Zügen, in Bars oder an Parties an. Gelegentlich wurde ich auch in einen Freundeskreis eingeführt, lernte Freund oder Freundin, Geschwister und Eltern kennen. Von insgesamt 50 Jugendlichen nahm ich Aussagen auf Tonband auf. Einen Teil der Interviewten verlor ich gleich wieder aus den Augen, mit etwa der Hälfte von ihnen stehe ich nun aber seit z.T. mehr als zwei Jahren in Kontakt. Öfters kam es zu zwei bis drei aufgezeichneten Gesprächen. Zum grösseren Teil handelt es sich um "narrative" Einzelinterviews. Es wurde aber auch eine grössere Anzahl unterschiedlicher Gruppengespräche aufgezeichnet, wobei vor allem spezifische Gruppennormen fassbar wurden. So entstanden vor allem in der Zeit zwischen Frühjahr 94 und Herbst 95 rund 60 Stunden Tonbandaufzeichnungen, die möglichst wörtlich auf 1'500 Schreibmaschinenseiten verschriftlicht wurden. Bei der Übertragung ins Hochdeutsche wurde darauf geachtet, spezifische Ausdrücke von Schweizerdeutsch und Slang möglichst beizubehalten.
Die Interviews waren nicht streng strukturiert, es wurde aber jeweils vor allem über die subjektive Bedeutung des Drogenkonsums auf einem biographischen Hintergrund geredet. Ziel der Auswertung ist neben der Sammlung objektiv soziographischer Daten vor allem die Rekonstruktion subjektiver Lebenswelten aufgrund der transskribierten Gespräche. Dieser Versuch wird von einer ethnopsychoanalytischen Interpretation begleitet. Es wird dabei individuelles Erleben mit einem Persönlichkeitsmodell beschrieben, das innerpsychische Konflikte mit einem interaktionistisch-soziologischen Ansatz verbindet. Inhaltlich interessiert dabei vor allem die narzisstische Dimension im Umgang mit Drogen. Konkret werden zwei Bereiche der subjektiven Wahrnehmung von Drogenwirkungen zu rekonstruieren versucht: pharmakologische (momentane, langfristige) Wirkungen einerseits und indirekte soziale "Wirkungen"(auf Ausbildung/Beruf, Sexualität, Familie) anderseits. Dabei soll besonders die Vermutung zu erhärten versucht werden, dass risikoreiches Verhalten geprägt ist von einem höchst widersprüchlich ambivalenten und angstlustvollen Spiel mit den körperlichen, psychischen und sozialen Gefahren einer drohenden Sucht. Auf einer andern Ebene soll dann die Frage gestellt werden, warum sich die schweizerische Öffentlichkeit anfangs der 90er Jahre dermassen in das "Drogenproblem" verbiss und dabei viel zentralere, im Zusammenhang mit der Rezession neu aufgetauchte gesellschaftliche Probleme wie betäubt kaum wahrnahm.