Check out the new features of the release 4.0.

Verlängerung der Halbgefangenschaft: Evaluation "Modellversuch Halbgefangenschaft", Kanton Zürich

Ref. 1587

General description

Period

Versuch: 1993 bis 1998; Auswertung: bis 2000/6

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Verurteilte des Kantons Zürich mit einer Nettostrafe zwischen 6 und 12 Monaten

Abstract

Es handelt sich um ein Begleitforschungsprojekt in der Tradition der Evaluationsforschung im Interesse der Politikberatung für ein vom Bundesamt für Justiz gemäss Art. 8 des Bundesgesetz über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Massnahmenvollzug vom 5.10.1984 geförderten Modellversuch im Straf- und Massnahmenvollzug. Diese Modellversuche dienen der Entwicklung neuer Vollzugsmethoden und werden deshalb wissenschaftlich evaluiert. Gegenstand des Forschungsprojekts ist die versuchsweise von 6 auf 12 Monate verlängerte Halbgefangenschaft in einem auf diese Strafform spezialisierten Gefängnis im Kanton Zürich (Abteilung für Halbgefangenschaft, Winterthur). Vollzugspolitische Strategie des Modellversuchs ist es, die privilegierende Strafform der Halbgefangenschaft einem weiteren Kreis von Berechtigten zugänglich zu machen. Für die neue Zielgruppe wurde ein eigenes Konzept entwickelt (mit Einwirkungsprogramm bestehend aus Gesprächsgruppe, Sport und Kreativtätigkeit), das der längeren Haftdauer und dem etwas anders gearteten Profil der Verurteilten Rechnung tragen soll. Die Abwicklung des Einwirkungsprogramm verlangt ein paketweise Durchführung des Vollzugs für eine Gruppe von Insassen. Mit der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs soll herausgefunden werden, inwieweit Halbgefangenschaft auch für eine verlängerte Strafdauer durchführbar und wirksam ist. Dem Evaluationsprojekt ist die allgemeine Hypothese unterstellt, dass sich die Zielgruppe von Halbgefangenen mit kürzerer Strafdauer markant unterscheidet (mehr Sozialprobleme), wodurch das Einwirkungsprogramm neben der Strukturierung der längeren Vollzugsdauer auch als "Behandlung" indiziert sei.

Results

Der Modellversuch konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Das Einwirkungsprogramm erwies sich als betriebstauglich, verlangt allerdings gewisse Voraussetzungen, über die ein Gefängnisbetrieb verfügen sollte (gewohnt mit Gruppenvollzug, Leitidee eines behandlungsorientierten Strafvollzugs kein Fremdwort, vollzugskulturelle Gegebenheiten), Voraussetzungen, die bei der Beurteilung der Übertragbarkeit des Modells beachtet werden wollen. Umgekehrt ist Halbgefangenschaft (HG) im Verlängerungsbereich ohne Programm kaum durchzustehen. Das durch die Ausweitung der Berechtigung entstandene zusätzliche Potential erreicht keinen Zehntel des bisherigen Potentials, was einerseits mit der Gerichtspraxis zusammenhängen dürfte, (im Ausweitungsbereich werden markant weniger Strafen und diese seltener unbedingt ausgesprochen) und anderseits durch den hohen Anteil an Arbeitslosen bedingt ist. Nur ca. die Hälfte aller zum Vollzug in Form der HG Berechtigten nutzen diese Möglichkeit auch aus, was bedeutet, dass die HG für dieses Segment von Verurteilten weniger attraktiv ist, als ursprünglich angenommen. Die Beobachtung der Absolvierungsquote während des Modellversuchs (durchschnittlich 81%) weist darauf hin, dass einerseits schon der tägliche Zeitstress das Durchstehen können erschwert und anderseits gruppendynamische Effekte im Spiele sind, welch letztere durch das psycho-sozial dynamisierende Einwirkungsprogramm noch verstärkt werden. Deshalb ist der individuelle Vollzug bei der langen HG krisenanfälliger als bei kürzerer Vollzugsdauer und bedingt im Interesse des Bestehenkönnens auch Kriseninterventionsmassnahmen. Wer die lange HG durchhält, empfindet das Programm mehrheitlich als Hilfe und empfindet die Erfahrungen des Strafvollzugs als Anstoss für neue Lebensziele. Die kriminalpräventive Wirkung des Modells (Rückfälligkeit, neue Verhaltensweisen, Selbststeuerung) kann noch nicht abschliessend beurteilt werden, da die Nachuntersuchung zwei Jahre nach Vollzugsende noch nicht abgeschlossen ist. Die noch unvollständigen Ergebnisse bezüglich der Rückfallquote zeigen aber, dass die Programmteilnehmer zwei Jahre nach Entlassung im Vergleich mit dem Normalvollzug markant weniger rückfällig geworden sind. Eine differrenzierte Beurteilung der Rückfälligkeit erfordert jedoch die Berücksichtigung der nicht zufälligen Allokation der Verurteilten auf die Versuchs- und die verschiedenen Vergleichsgruppen.