Erwerbsunterstützung mündlicher Textfähigkeiten im Kindergarten (EmTiK)

Ref. 13950

General description

Period

Schuljahre 2019/20 und 2020/21

Geographical Area

Additional Geographical Information​

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Abstract

Sprachhandlungen wie Berichten, Erzählen oder Erklären sind für schulisches Lernen in allen Fächern von hoher Relevanz. Je nach ihren familiären Erwerbskontexten haben junge Kinder aber unterschiedlich Erfahrungen damit. Im Kindergarten können alle Kinder - unabhängig von ihrer Herkunft - mit solchen «mündlichen Texten» vertraut werden. Damit sind konzeptionell schriftliche, aber medial mündlich realisierte Sprachproduktionen gemeint, die a) solistisch produziert werden, b) distante Inhalte sprachlich repräsentieren, c) textuell strukturiert sind und d) genrespezifische Merkmale aufweisen. Mündliche Textfähigkeiten erwerben Kinder bei der Bearbeitung kommunikativer Aufgaben durch Modelllernen und zugeschnittene Unterstützung. Die Ausgestaltung von Gesprächen durch Kindergarten-Lehrpersonen ist deshalb ein Schlüsselfaktor für ihre Förderung. Mit der Interventionsstudie «Erwerbsunterstützung mündlicher Textfähigkeiten im Kindergarten» (EmTiK) wird der Zusammenhang zwischen dem erwerbsunterstützenden Lehrpersonenhandeln und den mündlichen Textfähigkeiten der Kinder überprüft. Bearbeitet werden drei Hauptfragen: Wie entwickeln sich die mündlichen Textfähigkeiten der Kinder vom Anfang bis zum Ende des Kindergartens? Lässt sich das kommunikative Handeln von Lehrpersonen in Alltagsgesprächen durch eine Weiterbildung weiterentwickeln? Wirkt sich ein optimiertes kommunikatives Handeln auf den Erwerb mündlicher Textfähigkeiten durch die Kinder aus? In einem Pre-Post-Followup-Design mit Interventions- und Kontrollgruppe werden zu Beginn des ersten Kindergartenjahres sowie zu Beginn und am Ende des zweiten Kindergartenjahres bei 65 Lehrpersonen und 293 Kindern Daten erhoben. Bei den Lehrpersonen wird die Qualität des erwerbsunterstützenden Handelns im Kindergartenalltag eingeschätzt, bei den Kindern werden die mündlichen Textfähigkeiten beim Nacherzählen eines Trickfilms geratet (beide Instrumente wurden im Projekt EmTiK-Pilot vorgängig entwickelt). Die Lehrpersonen der Interventionsgruppe erhalten zwischen der ersten und zweiten Erhebung eine Weiterbildung, die aus einem Online-Kurs, einem individuellen Videocoaching und gemeinsamen Videoanalysen in Kleingruppen besteht. Nach Abschluss der Erhebungen erhalten die Lehrpersonen der Kontrollgruppe dieselbe Weiterbildung als Incentive. Die statistischen Auswertungen zur Überprüfung der Hypothesen erfolgen mittels latenter Wachstumskurvenmodelle und autoregressiver Modelle. Die Studie trägt erstens dazu bei, das Wissen über die alltagsintegrierte Sprachbildung zu erweitern. Dieser Ansatz wird heute aufgrund theoretischer Überlegungen und praktischer Erfahrungen im Frühbereich und im Kindergarten favorisiert, seine Wirksamkeit wurde aber bisher noch nicht empirisch überprüft. Zweitens wird neues, belastbares Wissen über den Erwerb mündlicher Textfähigkeiten von vier- bis sechsjährigen Kindern generiert. Drittens wird ein innovatives Weiterbildungsformat entwickelt und erprobt, welches – bei entsprechender Bewährung – in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen eingesetzt werden soll.

Results

H1: Die Kinder beider Gruppen (Interventionsgruppe und Kontrollgruppe) verzeichnen im Lauf von eineinhalb Jahren einen Zuwachs mündlicher Textfähigkeiten. Diese Hypothese konnte für beide Gruppen bestätigt werden. Der Zuwachs der mündlichen Textfähigkeiten vom Herbst des ersten bis zum Frühsommer des zweiten Kindergartens (über 18 Monate) betrug rund 50%. Das Kindergarten-Alter ist damit nachweislich eine wichtige Phase für den Erwerb mündlicher Textfähigkeiten. Gute kognitive Fähigkeiten, die Präsenz von Deutsch im Familienalltag und qualifizierte Bildungsabschlüsse der Eltern begünstigen die mündlichen Textfähigkeiten der Kinder, das Geschlecht spielt dagegen keine Rolle. H2: Die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe wirkt positiv auf die durchschnittlichen mündlichen Textfähigkeiten der Klassen. Diese Hypothese konnte nicht bestätigt werden. Zwar hat sich die EmTiK-Weiterbildung positiv auf das Lehrpersonenhandeln ausgewirkt (s. Hypothese 3), ein Zusammenhang der Intervention mit den mündlichen Textfähigkeiten sowohl der einzelnen Kinder als auch der Klassen liess sich aber nicht nachweisen. H3: Die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe wirkt positiv auf die Erwerbsunterstützung der Lehrpersonen. Diese Hypothese konnte bestätigt werden. Die Weiterbildung hat sich nachweislich und nachhaltig positiv auf die Erwerbsunterstützung der Lehrpersonen ausgewirkt. Im Verlauf der rund eineinhalb Schuljahre von T0 bis T2 nahm die Qualität der Erwerbsunterstützung bei der Kontrollgruppe leicht ab, während sie bei der Interventionsgruppe leicht zunahm. Für die Zugehörigkeit zur Interventionsgruppe zeigten sich bei allen Analysen signifikante Zusammenhänge und Wirkungen bezüglich der Erwerbsunterstützung der Lehrpersonen. H4: Die Erwerbsunterstützung durch die Lehrpersonen wirkt positiv auf die durchschnittlichen mündlichen Textfähigkeiten der Klassen. Diese Hypothese konnte vorsichtig bestätigt werden. Zu Beginn des Kindergartens besteht kein Zusammenhang zwischen EULE und MüTex, nach vierzehn Monaten korrelieren die beiden Konstrukte signifikant, d.h. in Klassen, deren Lehrpersonen eine bessere Erwerbsunterstützung realisieren, sind auch die durchschnittlichen mündlichen Textfähigkeiten der Kinder höher ausgeprägt. Bei einer multivariaten längsschnittlichen Modellierung lässt sich zudem eine marginal signifikante Wirkung von EULE T0 auf MuTex T1 nachweisen, dies auch bei Kontrolle mehrerer relevanter Kovariaten (kognitive Fähigkeiten, Klassengrösse, Belastung der Klassen und Berufserfahrung der Lehrperson). Für den Zeitraum von T1 bis T2 liessen sich die für die ersten drei Semester gefundenen Zusammenhänge zwischen den Konstrukten nicht mehr nachweisen.