Schule, Leistung und Persönlichkeit: TIMSS+. Schule und Unterricht, mathematisch-naturwissenschaftliche Leistungen und ausgewählte Persönlichkeitsmerkmale im internationalen und nationalen Vergleich

Ref. 1224

General description

Period

Datenerhebung: 1995

Geographical Area

Additional Geographical Information​

Schweiz, 40 Vergleichsländer

Abstract

Nach "Computers in Education" (vgl. Referenznr. 2647) und "Reading Literacy" (vgl. Referenznr. 1160) beteiligte sich die Schweiz zum drittenmal an einem Projekt der IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement). Die Beteiligung an TIMSS (Third International Mathematics and Science Study), verlief im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 33 ("Wirksamkeit unserer Bildungssysteme"). In TIMSS werden die Bildungssysteme von etwa 40 Ländern verglichen, darunter fast alle Länder Europas. Im internationalen Vergleich geht es vorerst darum, Wirkungen von Merkmalen der Bildungssysteme wie Schulstrukturen, Klassengrösse, Lehrpläne usw. auf die Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften zu erheben. Die internationale Untersuchung wurde in diesem schweizerischen Projekt ergänzt und für national relevante Fragestellungen genutzt. Es wurde zwischen verschiedenen Schultypen (z. B. Berufsschulen vs. Mittelschulen, Maturitätstyp vs. Maturitätstyp, Berufsmittelschule vs. Berufsschule) und zwischen verschiedenen Kantonen oder Regionen verglichen. Mit dem "plus" (TIMSS+) wollten die Forscherinnen und Forscher darauf hinweisen, dass ihr Interesse nicht nur der Schule und der Leistung, sondern auch der persönlichen Entwicklung sowie den Bezügen zwischen Lernerfolg und verschiedenen Unterrichtsbedingungen gilt. Zu Kriterien des Lernerfolgs wurden auch fachübergreifende Kompetenzen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Selbstvertrauen, Kooperationsfähigkeit, Lern- und Denkstrategien und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen gezählt. An der praktischen Durchführung der Erhebung waren in der Schweiz drei Institute beteiligt. Für die italienischsprachige Schweiz war es das Ufficio studi e ricerche in Bellinzona, für die französischsprachige das IRDP in Neuenburg und für die Deutschschweiz das Amt für Bildungsforschung des Kantons Bern, das zugleich für die Gesamtkoordination sorgte.

Results

Ergebnisse Was den internationalen Vergleich betrifft, sind die wichtigsten Ergebnisse von TIMSS+ in den am Ende angegebenen Quellen sowie in der Nummer 1/1998 der Zeitschrift „Bildungsforschung und Bildungspraxis" beschrieben. Aus den vielfältigen Ergebnissen seien hier einige Beispiele herausgegriffen: o In der Mathematik schneidet die Schweiz bei allen Vergleichen gut ab, sowohl auf der Sekundarstufe I als auch am Ende der Sekundarstufe II, und zwar bei der Grundbildung und im gymnasialen Vergleichstest. Auf der Sekundarstufe I zeigen die ostasiatischen Länder allerdings deutlich bessere Leistungen. Sie haben sich an der Untersuchung auf der Sekundarstufe II nicht beteiligt. o In den Naturwissenschaften erreicht die Schweiz nur mittlere Ergebnisse. Auch dies gilt für alle Vergleiche. Auf der Sekundarstufe I werden ihre Leistungen von manchen ostasiatischen und europäischen Ländern deutlich übertroffen. In der naturwissenschaftlichen Grundbildung am Ende der Sekundarstufe II schneidet sie zwar etwas besser ab, liegt aber immer noch im Mittelfeld. In der gymnasialen Physik liegt ihre Leistung knapp unter dem internationalen Mittelwert. o Dass die Schweiz in den Naturwissenschaften schlechter abschneidet als in Mathematik, hat seine Gründe. Es ist zwar in fast allen Ländern so, dass der Mathematik mehr Lektionen zugeteilt werden als den Naturwissenschaften und dass Schülerinnen und Schüler der Mathematik einen höheren Stellenwert geben. Diese Unterschiede sind in der Schweiz aber besonders gross. o Die Analyse der naturwissenschaftlichen Aufgaben auf der Sekundarstufe I zeigt, dass schweizerische Schülerinnen und Schüler vor allem dann scheitern, wenn direkt nach Wissen gefragt wird und komplexe Fachausdrücke verwendet werden. Besser lösen sie Aufgaben, die einfache Fachausdrücke verwenden und bei denen es um Problemlösen und das Anwenden von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen geht. Dies entspricht den Prioritäten des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Schweiz. Aber auch bei den Aufgaben, die den schweizerischen Prioritäten entsprechen, resultiert im internationalen Vergleich ein schwächeres Resultat als in der Mathematik. o TIMSS setzt schriftliche Tests ein, die mehrheitlich aus Multiple-Choice-Aufgaben bestehen. Mit solchen Tests lässt sich nur schwer prüfen, ob auch komplexe, lebensnahe Aufgaben gelöst werden können. Um dies festzustellen, wurde auf der Sekundarstufe I in einer reduzierten Stichprobe ein Experimentiertest durchgeführt, bei dem die Schülerinnen und Schüler Experimente planen und durchführen, Ergebnisse protokollieren, Schlussfolgerungen ziehen und anhand von Fachbegriffen erklären mussten. Bei diesem Vergleich zählte die Schweiz in der Mathematik und in den Naturwissenschaften zu den besten Ländern. o Auf der Sekundarstufe I sind in Mathematik und Naturwissenschaften zwischen den Geschlechtern keine grossen Leistungsunterschiede festzustellen. Das Interesse und das Selbstvertrauen bezüglich Mathematik, Physik und Chemie sind bei den Schülern dagegen bereits zu diesem Zeitpunkt erheblich höher als bei den Schülerinnen. Schülerinnen, Schüler und auch die Lehrpersonen halten Mathematik und Physik für männliche Domänen. Diese Einstellungen haben Folgen: Am Ende der Sekundarstufe II sind nicht nur das Interesse und das Selbstvertrauen, sondern auch die Leistungen der jungen Frauen erheblich niedriger als jene der jungen Männer. Dies gilt sowohl in der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung als auch in der gymnasialen Mathematik und Physik. Bei den gymnasialen Vergleichen sind die Geschlechterunterschiede grösser als in den meisten anderen Ländern. Selbst innerhalb des Maturitätstypus C mit seinem mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt sind die Geschlechterunterschiede erheblich. o Erwartungsgemäss bestehen in der Schweiz am Ende der Sekundarstufe II zwischen den verschiedenen berufs- und allgemeinbildenden Ausbildungsrichtungen erhebliche Unterschiede im Niveau der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung. Sieht man vom Maturitätstypus C ab, so erreichen jedoch die Lehrlinge aus technischen Spitzenberufen eben so gute Leistungen wie die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. In der Deutschschweiz wurde zusätzlich eine Untersuchung zu Beginn der Sekundarstufe II durchgeführt. Sie zeigt, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Ausbildungsrichtungen schon zu Beginn dieser Stufe ähnlich gross sind wie am Ende. Das Leistungsniveau in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundbildung steigt zudem während der Sekundarstufe II nur noch wenig. Folgerungen Aus einem Projekt wie TIMSS+ ergeben sich Denkanstösse. Praktische Folgerungen setzen bildungspolitische Wertsetzungen und Entscheide voraus. o Eine erste Frage betrifft den Stellenwert der Naturwissenschaften in der Schweiz. Dieser ist im Vergleich zur Mathematik in der Schweiz offenbar niedriger als in andern Ländern. Das wirkt sich in den Leistungen aus. Kann sich die Schweiz diese Gering-schätzung der Naturwissenschaften leisten? o Die Defizite der jungen Frauen in den Leistungen, im Selbstvertrauen und im Interesse an Mathematik und an den ‚harten' Naturwissenschaften haben unerwünschte Folgen, z. B. eingeschränkte Möglichkeiten bei der Berufswahl. Es drängen sich daher Massnahmen auf, die den jungen Frauen Mathematik, Physik und Chemie nahe bringen. Gefordert ist insbesondere die Ausbildung und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer. o In Teilen der Berufsbildung ist ein hohes Niveau an mathematisch-naturwissenschaftlicher Grundbildung festzustellen. Dennoch konnten diese Lehrlinge, anders als vergleichbare Jugendliche in andern Ländern, nicht in die anspruchsvollen Tests in Mathematik und Physik einbezogen werden: Sie werden in diesen Fächern nicht genügend ausgebildet. Angesichts der hohen beruflichen Mobilität fragt es sich, ob in der Berufsbildung nicht mehr für eine allgemeine Qualifikation in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern getan werden müsste. Auf Seite der Lehrlinge wäre das Potenzial dazu vorhanden. Soweit einige Folgerungen aus TIMSS+. Aus den vielfältigen Ergebnissen lassen sich manche weiteren Folgerungen ziehen, etwa aus den Feststellungen, dass grosse Klassen zu einer ungünstigen Lernsituation führen oder dass zwischen den Klassen und Gymnasien erhebliche Leistungsunterschiede festzustellen sind, obwohl in der ganzen Schweiz gleichwertige Maturitätszeugnisse ausgestellt werden. Ergebnisse Was den internationalen Vergleich betrifft, sind die wichtigsten Ergebnisse von TIMSS+ in den am Ende angegebenen Quellen sowie in der Nummer 1/1998 der Zeitschrift „Bildungsforschung und Bildungspraxis" beschrieben. Aus den vielfältigen Ergebnissen seien hier einige Beispiele herausgegriffen: o In der Mathematik schneidet die Schweiz bei allen Vergleichen gut ab, sowohl auf der Sekundarstufe I als auch am Ende der Sekundarstufe II, und zwar bei der Grundbildung und im gymnasialen Vergleichstest. Auf der Sekundarstufe I zeigen die ostasiatischen Länder allerdings deutlich bessere Leistungen. Sie haben sich an der Untersuchung auf der Sekundarstufe II nicht beteiligt. o In den Naturwissenschaften erreicht die Schweiz nur mittlere Ergebnisse. Auch dies gilt für alle Vergleiche. Auf der Sekundarstufe I werden ihre Leistungen von manchen ostasiatischen und europäischen Ländern deutlich übertroffen. In der naturwissenschaftlichen Grundbildung am Ende der Sekundarstufe II schneidet sie zwar etwas besser ab, liegt aber immer noch im Mittelfeld. In der gymnasialen Physik liegt ihre Leistung knapp unter dem internationalen Mittelwert. o Dass die Schweiz in den Naturwissenschaften schlechter abschneidet als in Mathematik, hat seine Gründe. Es ist zwar in fast allen Ländern so, dass der Mathematik mehr Lektionen zugeteilt werden als den Naturwissenschaften und dass Schülerinnen und Schüler der Mathematik einen höheren Stellenwert geben. Diese Unterschiede sind in der Schweiz aber besonders gross. o Die Analyse der naturwissenschaftlichen Aufgaben auf der Sekundarstufe I zeigt, dass schweizerische Schülerinnen und Schüler vor allem dann scheitern, wenn direkt nach Wissen gefragt wird und komplexe Fachausdrücke verwendet werden. Besser lösen sie Aufgaben, die einfache Fachausdrücke verwenden und bei denen es um Problemlösen und das Anwenden von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen geht. Dies entspricht den Prioritäten des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Schweiz. Aber auch bei den Aufgaben, die den schweizerischen Prioritäten entsprechen, resultiert im internationalen Vergleich ein schwächeres Resultat als in der Mathematik. o TIMSS setzt schriftliche Tests ein, die mehrheitlich aus Multiple-Choice-Aufgaben bestehen. Mit solchen Tests lässt sich nur schwer prüfen, ob auch komplexe, lebensnahe Aufgaben gelöst werden können. Um dies festzustellen, wurde auf der Sekundarstufe I in einer reduzierten Stichprobe ein Experimentiertest durchgeführt, bei dem die Schülerinnen und Schüler Experimente planen und durchführen, Ergebnisse protokollieren, Schlussfolgerungen ziehen und anhand von Fachbegriffen erklären mussten. Bei diesem Vergleich zählte die Schweiz in der Mathematik und in den Naturwissenschaften zu den besten Ländern. o Auf der Sekundarstufe I sind in Mathematik und Naturwissenschaften zwischen den Geschlechtern keine grossen Leistungsunterschiede festzustellen. Das Interesse und das Selbstvertrauen bezüglich Mathematik, Physik und Chemie sind bei den Schülern dagegen bereits zu diesem Zeitpunkt erheblich höher als bei den Schülerinnen. Schülerinnen, Schüler und auch die Lehrpersonen halten Mathematik und Physik für männliche Domänen. Diese Einstellungen haben Folgen: Am Ende der Sekundarstufe II sind nicht nur das Interesse und das Selbstvertrauen, sondern auch die Leistungen der jungen Frauen erheblich niedriger als jene der jungen Männer. Dies gilt sowohl in der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung als auch in der gymnasialen Mathematik und Physik. Bei den gymnasialen Vergleichen sind die Geschlechterunterschiede grösser als in den meisten anderen Ländern. Selbst innerhalb des Maturitätstypus C mit seinem mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt sind die Geschlechterunterschiede erheblich. o Erwartungsgemäss bestehen in der Schweiz am Ende der Sekundarstufe II zwischen den verschiedenen berufs- und allgemeinbildenden Ausbildungsrichtungen erhebliche Unterschiede im Niveau der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung. Sieht man vom Maturitätstypus C ab, so erreichen jedoch die Lehrlinge aus technischen Spitzenberufen eben so gute Leistungen wie die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. In der Deutschschweiz wurde zusätzlich eine Untersuchung zu Beginn der Sekundarstufe II durchgeführt. Sie zeigt, dass die Leistungsunterschiede zwischen den Ausbildungsrichtungen schon zu Beginn dieser Stufe ähnlich gross sind wie am Ende. Das Leistungsniveau in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundbildung steigt zudem während der Sekundarstufe II nur noch wenig. Folgerungen Aus einem Projekt wie TIMSS+ ergeben sich Denkanstösse. Praktische Folgerungen setzen bildungspolitische Wertsetzungen und Entscheide voraus. o Eine erste Frage betrifft den Stellenwert der Naturwissenschaften in der Schweiz. Dieser ist im Vergleich zur Mathematik in der Schweiz offenbar niedriger als in andern Ländern. Das wirkt sich in den Leistungen aus. Kann sich die Schweiz diese Gering-schätzung der Naturwissenschaften leisten? o Die Defizite der jungen Frauen in den Leistungen, im Selbstvertrauen und im Interesse an Mathematik und an den ‚harten' Naturwissenschaften haben unerwünschte Folgen, z. B. eingeschränkte Möglichkeiten bei der Berufswahl. Es drängen sich daher Massnahmen auf, die den jungen Frauen Mathematik, Physik und Chemie nahe bringen. Gefordert ist insbesondere die Ausbildung und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer. o In Teilen der Berufsbildung ist ein hohes Niveau an mathematisch-naturwissenschaftlicher Grundbildung festzustellen. Dennoch konnten diese Lehrlinge, anders als vergleichbare Jugendliche in andern Ländern, nicht in die anspruchsvollen Tests in Mathematik und Physik einbezogen werden: Sie werden in diesen Fächern nicht genügend ausgebildet. Angesichts der hohen beruflichen Mobilität fragt es sich, ob in der Berufsbildung nicht mehr für eine allgemeine Qualifikation in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern getan werden müsste. Auf Seite der Lehrlinge wäre das Potenzial dazu vorhanden. Soweit einige Folgerungen aus TIMSS+. Aus den vielfältigen Ergebnissen lassen sich manche weiteren Folgerungen ziehen, etwa aus den Feststellungen, dass grosse Klassen zu einer ungünstigen Lernsituation führen oder dass zwischen den Klassen und Gymnasien erhebliche Leistungsunterschiede festzustellen sind, obwohl in der ganzen Schweiz gleichwertige Maturitätszeugnisse ausgestellt werden.