Mit dem Projekt soll ein Beitrag zur Verbesserung eines integrierenden SU in der Schweiz geleistet werden: Angesichts der zunehmenden Komplexität der gesell. Wirklichkeit und der damit zusammenhängenden Vernetztheit der einzelnen Wirklichkeits- und Wissensbereiche gewinnt interdisziplinäres Lernen an Bedeutung. Damit sollen die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, versch. Wissensbestände aufeinander zu beziehen, gegeneinander abzuwägen und zu fundierten Entscheidungen im Hinblick auf komplexe Fragestellungen (stufenspezifisch aus der Lebenswelt der Kinder) zu kommen. Der SU kann diesem Anliegen in besonderem Masse Rechnung tragen, da ihm mehrere fachwissenschaftliche Bezugsdisziplinen zugrunde liegen. Durch die Auseinandersetzung mit versch. fachlichen Perspektiven soll der SU aber auch das Spezifische jeder Perspektive, deren Grenzen und Möglichkeiten auch im Hinblick auf deren Aufklärungspotential für komplexe gesell. Probleme erkennbar machen. Somit hätte gerade dieses Fach ein grosses Potential, früh ein Bewusstsein für die Unterschiedlichkeit, Komplementarität und somit Gleichwertigkeit der versch. fachlichen Zugänge zu wecken.
Die Fragen nach dem Verhältnis von Fachbezug und Integration sowie nach der Art der Integration sind für den SU folglich sehr zentral. Es gibt in theoretischen Ansätzen unterschiedliche Antworten auf diese Fragen, wobei die Vorschläge zur Perspektivenintegration insgesamt nicht zu überzeugen vermögen: Kaiser (2006) kritisiert, dass sich "das Denken (trotz Orientierung an Überfachlichkeit) (...) im Sachunterricht weitgehend an einzelfachlichen Perspektiven orientiert" (181) und sie betont, dass die gewünschte Integration auch in der Theorie des SU "lediglich eine Addition, in der nach- und nebeneinander Einzelthemen vermittelt werden" (Richter 2001, 2), sei. Es lässt sich festhalten, dass Vorstellungen zur Integration der SU-Perspektiven "weiterhin so heterogen wie eh und je, klärungsbedürftig immer wieder (seien)" (Thiel 2003, 289). Dies wird auch von von Reeken (2002) bestätigt, der das Integrationsproblem als eines der zentralen Themen der Sachunterrichtsforschung bezeichnet. Auch Duncker (2007) betont, es könne "nicht darum gehen, miniaturisierte Taschenausgaben universitärer Disziplinen wie Biologie, Geschichte usw. zu vermitteln und additiv nebeneinander zu stellen, wie es heute leider oft noch der Fall ist. (...) Die Interdisziplinarität wäre deshalb dahingehend auszuloten, dass Fragestellungen und Themen auf die Analyse und Klärung von Phänomenen und Problemen bezogen werden, die im Horizont kindlicher Lebenswelten stehen und die zu einem Verständnis der sachlich, symbolisch und sozial strukturierten Wirklichkeit beitragen und eine Bildungsperspektive begründen können" (14).
Zudem gibt es kaum Studien, welche die Integration und das Verhältnis von Fachbezug und Integrationsorientierung in der Praxis des SU und in Vorstellungen zum Fach bei Lehrpersonen in den Blick nehmen. Inwiefern das oben erwähnte Potential dieses Fachbereichs in der Praxis genutzt wird, ist somit bis anhin unerforscht. Für die Schweiz gelten diese Feststellungen in besonderem Masse (vgl. unten). Konkrete Ergebnisse/Produkte Systematik versch. Formen des Verhältnisses von Integration und Fachbezug - inkl. Darstellungder jeweiligen Potentiale, Herausforderungen und Schwierigkeiten. Darstellung der Vorstellungen von Lehrpersonen zum Fach im Hinblick auf Fragen nach Integration undFachbezug. Beschreibung von Aus- und Weiterbildungsmassnahmen, wie bei den Lehrpersonen eine reflektierte Auseinandersetzung mit Fragen der Integration sowie des gezielten Fachbezugs angeregt und gefördert werden könnten. Darstellung von konkreten Möglichkeiten, wie im SU die Integration versch. Perspektiven gezielt angeregt und umgesetzt werden kann (Darstellung von Beispielen guter Praxis und von konkreten Instrumenten). Um diese Ergebnisse und Produkte zu erarbeiten, wird mit dem Projekt folgendes Erkenntnisinteresse verfolgt: Vergleichende Beschreibung versch. theoretischer Ansätze zum SU in Bezug auf das Verhältnis zwischen Fachbezug und Integration im SU und auf die Umsetzung der Integration. Diese Beschreibung soll ergänzt werden durch eine Analyse von empfohlenen Lehrmitteln der deutschen Schweiz, von Arbeiten zu Interdisziplinarität und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE). Beschreibung der Praxis des SU (Unterrichtsplanung, Unterrichtsdokumentation sowie berichtetes Handeln bei der Unterrichtsdurchführung), der Vorstellungen zum Fach bei Lehrpersonen (Kindergarten bis 6. Klasse) in der Deutschschweiz sowie deren Einschätzung ihres eigenen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissens in diesem Fachbereich hinsichtlich der oben erwähnten Aspekte. Methodisches Vorgehen: Literaturarbeit und Dokumentenanalyse Fallstudien: problemzentrierte Interviews mit ausgewählten Lehrpersonen und Analyse von Planungsunterlagen und Unterrichtsdokumentationen Die oben genannten methodischen Elemente sind grösstenteils konsekutiv angelegt: Die Analyse der Unterrichtspraxis richtet sich nach theoretisch hergeleiteten Kriterien, mit denen das reale Handlungsgeschehen (Planungs- und Unterrichtsdokumente) bzw. das berichtete Handlungsgeschehen sowie die Vorstellungen zum SU (problemzentrierte Interviews) verglichen werden. Gleichzeitig werden die theoretisch hergeleiteten Kriterien durch die empirischen Erkenntnisse differenziert und erweitert. Das Projekt orientiert sich am Modell der Methodentriangulation, um durch die Verwendung der unterschiedlichen Methoden ein umfassenderes Bild des untersuchten Gegenstandes zu gewinnen und gleichzeitig auch die Validität der Ergebnisse zu erhöhen.