Die frühe sprachliche Förderung von mehrsprachigen Kindern ab 3 Jahren - MeKi

Ref. 10681

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Period

-

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Kanton Basel-Stadt

Abstract

Untersuchungen wie PISA zeigen, dass die Beherrschung der Unterrichtssprache für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn von entscheidender Bedeutung ist. Vor allem Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, welche die Unterrichtssprache nicht oder ungenügend beherrschen, laufen Gefahr, schon zu Beginn ihrer Bildungslaufbahn in Rückstand zu geraten. Als besonders wirkungsvolle Massnahme gilt die frühe sprachliche Förderung: Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sollen ihre schulische Bildungslaufbahn unter ähnlichen Voraussetzungen beginnen wie deutschsprachige Kinder. In der Forschung wird übereinstimmend die Qualität der Sprachförderung als eine der zentralen Variablen angesehen: Die Wirkung der Sprachförderung hänge davon ab, wie kompetent die Förderperson den Alltag in der Kindertagesstätte und die Sprachförderung gestaltet. Die Qualität im frühkindlichen Bereich ist bisher jedoch wenig untersucht worden. Es ist wenig darüber bekannt, wie die Sprachförderung in den Kindertagesstätten umgesetzt und gestaltet wird. Die Studie "Die frühe sprachliche Förderung von mehrsprachigen Kindern ab 3 Jahren - MeKi" setzte hier ein mit dem Ziel, die Sprachförderpraktiken und -konzepte von Förderpersonen auszuleuchten. MeKi war qualitativ ausgerichtet: Die Sprachförderung von insgesamt 16 Kindern mit Deutsch als Zweitsprache aus vier Jahrgängen, die eine Spielgruppe oder eine Kindertagesstätte mit alltagsintegrierter Sprachförderung besuchen, wurde untersucht. Zur Erhebung der Förderkonzepte der pädagogischen Fachpersonen wurden Interviews durchgeführt. Die Qualität der Sprachförderung, inklusive des sprachlich-kommunikativen Verhaltens der Förderpersonen wurde mittels Videoaufnahmen eines typischen Kindertagesstättenhalbtags/Spielgruppenhalbtags eingeschätzt und exemplarisch analysiert. Unsere Studie beleuchtete insbesondere jene Bereiche, über die - trotz der vermehrten Aufmerksamkeit für die sprachliche Förderung - noch kaum Informationen zur Verfügung stehen: die frühe sprachliche Förderung mit alltagsintegrierter Förderpraxis, die Qualität der Sprachförderung, das sprachlich-kommunikative Verhalten Kindern mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen gegenüber sowie die Orientierung der fördernden Personen. Damit leistet die Studie einen Betrag zur Professionalisierung in diesem Bereich.

Results

Die Zusammenschau auf die Orientierungs- und die Prozessqualität ergibt ein überwiegend kohärentes Bild: Den Fachpersonen ist eine alltagsintegrierte Umsetzung der Sprachförderung wichtig. Darunter verstehen sie die Nutzung alltäglicher Verrichtungen wie Pflege oder Zwischenmahlzeiten und weniger die gezielte Förderung des Kindes in dessen Spiel. Tatsächlich zeigt die Analyse der Videoaufnahmen, dass vor allem alltägliche Routinen wie beispielsweise der Toilettengang, An- und Ausziehen etc. für die Sprachförderung genutzt werden. Weniger genutzt wird hingegen das Freispiel: Dieses wird vielmehr als Gefäss für die Sprachförderung der Kinder untereinander ohne Eingriff der Fachperson verstanden. Von vielen Fachpersonen wird diese Form der Sprachförderung als besonders wirksam beschrieben. Jene Unterstützung auf der sprachlichen Ebene, die die Fachperson im Vergleich zu den Gleichaltrigen differenzierter geben kann, wird von den Förderpersonen also nicht nur vergleichsweise gering geschätzt, sondern auch tatsächlich nur in geringem Masse gegeben. Als weiterer Leitgedanke wird von den Fachpersonen die spielerische Vermittlung der deutschen Sprache unter Einbezug aller Kinder und auf freiwilliger Basis genannt. Der Bezug auf Sprache ist in den genannten Zielen der Sprachförderung überwiegend allgemein gehalten, der kommunikative Aspekt steht im Vordergrund. Sprachspezifische oder sprachformale Aspekte werden kaum genannt. Möglicherweise haben die Förderpersonen die Vorstellung, die Förderung sprachspezifischer und -formaler Aspekten sei gleichbedeutend mit einer schulischen Vermittlung von Sprache. In ihrem sprachlich-kommunikativen Handeln lassen die Förderpersonen das Modellieren kindlicher Äusserungen (z. B. Erweiterungen, Umformungen etc.) denn auch häufig vermissen. Bei der Durchführung der Sprachförderung orientieren sich die Förderpersonen eher an konkreten Umsetzungsideen wie Materialien, Aktivitäten sowie Abläufen und weniger an theoretischen Konzepten oder Eigenschaften der Kinder wie Entwicklungsstand, Interessen oder Bedürfnisse. Damit korrespondiert die gefundene Dominanz instruktiven Handelns gegenüber responsivem Handeln in den Interaktionen mit dem Zielkind. In den Äusserungen zum eigenen (Sprach-)verhalten in den Interaktionen zeigt sich ein hohes Bewusstsein für die Rolle der Fachpersonen als Sprachvorbild und Modell für die deutsche Sprache. Allerdings wird diese Rolle einseitig ausgelegt: es wird darauf geachtet, eine einfache, nicht zu komplexe Sprache zu verwenden und weniger, den Kindern eine vielfältige und reichhaltige Sprache anzubieten. Ein Bewusstsein sowie Techniken für das Aufgreifen, Nutzen, Erweitern von kindlichen Äusserungen sowie für das Aufrechterhalten und Weiterführen des Gesprächs sind den Aussagen der Fachpersonen hingegen weniger zu entnehmen. Die Orientierung an der Unmittelbarkeit sprachlehrenden Inputs im alltäglichen Gespräch spiegelt sich in der faktischen Kürze und Zweckhaftigkeit der Gespräche. Die Fachpersonen scheinen sich vorrangig an den pragmatischen Belangen unmittelbarer kommunikativer Verständigung zu orientieren. Der nah am Handlungsgeschehen ausgerichtete kommunikative Erfolg scheint präsenter und leitender zu sein, als auf Sprachanregung zielende Absichten. Die Resultate zeigen, dass die Umsetzung der alltagsintegrierten Sprachförderung gelingt und eine Reihe von sprachförderlichen Verhaltensweisen realisiert wird. Allerdings weisen die Fachpersonen im untersuchten Feld eine einseitige Auffassung und Umsetzung von alltagsintegrierter Sprachförderung auf: Die Sprachförderung soll Spass machen, spielerisch und freiwillig sein, die Förderung kommunikativer Aspekte steht stark im Vordergrund. Genutzt werden vorwiegend alltägliche Routinen wie Zwischenmahlzeiten, An- und Ausziehen etc. Bei der Umsetzung orientieren sich die Fachpersonen vor allem an konkreten Materialien, Abläufen und Aktivitäten. Der Fokus liegt auf der eigenen Rolle als Modell für eine einfache und korrekte Sprache.