Wirtschaftlich denken und büromässig arbeiten. Die Modell-schüler dualer und vollschulischer kaufmännischer Berufsbildung im Spiegel betriebswirtschaftlicher (Berufs-)Schulbücher des 20. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur historischen (Berufs-)Schulbuchforsch

Ref. 10253

General description

Period

1880-2009

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Stadt Zürich

Abstract

Was konnten und sollten Schüler in der kaufmännischen Ausbildung lernen? Dieser Frage geht das von Prof. Dr. Philipp Gonon betreute Dissertationsprojekt nach, das nachfolgend kurz vorgestellt wird. Es ist integriert in das an laufende Nationalfondprojekt (PH-FHNW und PI Universität Zürich) zur Geschichte der kaufmännischen Berufsbildung in der Schweiz zwischen 1880 und der Gegenwart. Über tatsächlich lehrbare bzw. gelehrte Inhalte - und somit mehr über die Schulwirklichkeit als etwa Lehrplan- oder Schulfachforschung - berichten Lehrbücher. Das darin vermittelte Wissen steht im Spannungsfeld zwischen Innovation und Rückständigkeit, besonders, wenn man annimmt, dass Schulbücher nicht nur Hilfsmittel für den Unterricht darstellen, sondern den Unterricht auch weitgehend vorstrukturieren. Als massgebliche Quellen der Untersuchung der kaufmännischen Ausbildungsinhalte wurden Berufsschulbücher des Fachbereichs Betriebswirtschaftslehre festgelegt, die im letzten Jahrhundert nachweislich an der kantonalen Handelsschule Zürich und/oder an der Handelsschule des kaufmännischen Vereins Zürich im Unterricht verwendet wurden. Die Betriebswirtschaftslehre, in der ab ca. 1925 die so genannten Handelsfächer aufgingen etablierte sich im letzten Jahrhundert als Kernfach der kaufmännischen Ausbildung. Die Beschränkung auf einen dualen und einen vollschulischen Verwendungskontext berücksichtigt die wichtigsten kaufmännischen Ausbildungswege. Die Untersuchung des kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Vermittlungswissens in Berufsschulbüchern ist demnach als historische, berufsspezifische Kontextforschung konzipiert. Deshalb werden einschlägige Zeitschriften, Jahresberichte der genannten Schulen sowie normative Vorgaben miteinbezogen. Um über die blosse Inventarisierung der Berufschulbücher hinaus zu kommen, wird auf das Konzept des Modell-Lesers von Umberto Eco (1998) rekurriert. Es ist die Idee leitend, dass in Schulbuchtexten ein Modell-Schüler als Zielvorstellung mit eingeschrieben ist, der den Text in erzieherischer und fachinhaltlicher Hinsicht verstehen konnte und daraus lernte, was zu lernen vorgesehen wurde. Im Zentrum steht die Aktivität der Mitarbeit, durch die Empfänger veranlasst werden, einem Text das zu entnehmen, was dieser nicht unbedingt sagt, aber voraussetzt, anspricht, beinhaltet und mit einbezieht. Ein Schulbuchautor wird einen 'Modell-Schüler' voraussetzen, der in der Lage ist, an der Aktualisierung des Textes so mitzuwirken, wie es sich der Autor gedacht hat. In der Gestalt der Lehrperson ist dem Berufsschulbuch ferner ein Ko-Leser bereitgestellt, der als das Einfallstor für gesellschaftlich bzw. beruflich etabliertes Wissen bezeichnet wird. Kaufmännische Aufgaben, kaufmännische Arbeiten, kaufmännisches Können sowie kaufmännische Verantwortung verschmelzen sich in einem Kern dessen, was mit dem Begriff 'kaufmännischer Beruf' bezeichnet wird. Er stellt einen Sachbezug zwischen textlicher und aussertextlichen Seite her. Somit geben Berufsschulbücher Auskunft über die geschichtliche Kraft präsentierter Leitfiguren und liefern so gesehen eine Dramaturgie professionellen Handelns. Der 'Modell-Schüler' in der Analyse der Schulbuchtexte ist also nur schwer vom 'Modell-Kaufmann' zu trennen. Für die Rekonstruktion des Modell-Schülers der kaufmännischen-betriebswirtschaftlichen Ausbildung werden Identifikationsangebote strukturierende Schulbuchtexte wie Aufgabenstellungen, Handlungsanweisungen, veranschaulichende Beschreibungen und Beispiele, Kommentare und Musterlösungen deshalb besonders interessant. An solchen Indikatoren didaktischer Logik wird nämlich ersichtlich, bis zu welchem Punkt die Mitarbeit des Lesers kontrolliert, ausgelöst, gelenkt oder frei gelassen wird. Was angehende Kaufleute lernen konnten bzw. lernen sollten, die berufserzieherische Wirkungserwartung also, tritt dort an die Oberfläche und wird mit sprachanalytischen Mitteln fassbar.

Results

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