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Persönlichkeitsentwicklung durch Schulsport - Macht Sport "bessere" Menschen aus uns? Möglichkeiten sportbezogener Interventionen für die Persönlichkeitsentwicklung im Schulsport

Ref. 9016

Allgemeine Beschreibung

Periode

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Geographischer Raum

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Zusätzliche geographische Informationen

Stadt Bern und nähere Umgebung

Kurzbeschreibung

Als eine wesentliche Begründungslinie für die Legitimation des Schulsports wird seit jeher seine persönlichkeitsbildende Funktion angeführt. Obwohl die Sportpsychologie seit mehr als einem halben Jahrhundert versucht, dieses sportpädagogische Postulat empirisch zu belegen, konnten bislang keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen schulsportlicher Aktivität und Persönlichkeitsentwicklung nachgewiesen werden.Die letzte Dekade hat in der deutschsprachigen Sportpsychologie Fortschritte in der Bearbeitung der Thematik "Sport und Persönlichkeitsentwicklung" gebracht. Die Abkehr von (zeitlich relativ überdauernden) Traits, die Beschäftigung mit kognitiven Ansätzen (z. B. Selbstkonzept) und die Beachtung dynamisch-interaktionistischer Entwicklungskonzepte sind vielversprechend und haben zumindest auf theoretischer Ebene zu mehr Konsistenz geführt. Bei der empirischen Umsetzung der relativ komplexen Ansätze sind in vielen aktuellen Studien allerdings noch deutliche Forschungsdefizite erkennbar, zudem sind kaum empirische Studien zum Schulsport zu identifizieren. Um diesen Forschungsdefiziten zu begegnen, wurde der Frage nach der Wirkung von Schulsportinszenierungen auf die Persönlichkeit in der geplanten Untersuchung mittels eines theoretisch-methodisch neuartigen Forschungsdesigns nachgegangen. Vor dem Hintergrund einer dynamisch-interaktionistischen Perspektive wurden in systematischer Weise Einflüsse schulsportbezogener Interventionen auf die Selbstkonzeptentwicklung von Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 11 und 12 Jahren untersucht. 17 Mittelstufenklassen mehrerer Berner Primarschulen haben hierfür im Rahmen einer quasi-experimentellen Längsschnittstudie während einem Schuljahr zwei Treatmentphasen à 10 Wochen durchlaufen, die theoriegeleitet entwickelt wurden und sich durch spezifische Sportaktivitäten und Inszenierungsformen auszeichnen. Vor jedem und im Anschluss an jeden Interventionsteil (Module: Spiel, Wagnis, Leistung) wurden verschiedene Aspekte des Selbstkonzepts sowie (mit Blick auf differentielle Fragen) die aktuelle Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler erhoben. Als Vergleichsgruppe wurden sechs Mittelstufenklassen in die Studie miteinbezogen, die einen lehrplanorientierten Sportunterricht ohne spezifische Auflagen in Bezug auf Lernziele und Unterrichtsgestaltung durchführten. Die variablenzentrierten Auswertungen zeigen für das Modul ‚Spiel’, dass die soziale Selbstwirksamkeitserwartung als zentraler Prädiktor für sozial kompetentes Verhalten erwartungskonform durch die Intervention erhöht werden konnte. Für die Selbstwirksamkeitserwartung der Teamfähigkeit zeigte sich lediglich eine tendenzielle Steigerung bei den Kindern in den Testklassen. Die selbst wahrgenommene Einbindung in die Klasse (Selbstkonzept der sozialen Akzeptanz), was als wichtiges Mass für den individuellen Beitrag zu einem Interaktionen förderlichen Klassenklima bezeichnet werden kann, konnte mit der Intervention ebenfalls positiv beeinflusst werden. Die Befunde zum Modul ‚Wagnis‘ zeigen, dass im Rahmen des wagniserzieherischen Interventionsprogramms körper-, bewegungs- und sportunterrichtsnahe Aspekte der Selbstevaluation eine Verbesserung erfahren: Für das Selbstwertgefühl als unspezifische Selbstevaluation können erwartungsgemäss keine Veränderungen nachgewiesen werden, was auf den knapp bemessenen Interventionszeitraum oder auf die zu spezifisch ausgerichteten Interventionsinhalte zurückzuführen ist. Dagegen zeigt sich unabhängig vom Ängstlichkeitsniveau für die Experimentalgruppe eine Erhöhung des Körperselbstwerts. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse bewirken wagniserzieherische Inszenierungen bei ängstlichen Kindern zudem eine tendenzielle Erhöhung des sportbezogenen Fähigkeitsselbstkonzepts und motivational günstigere Voraussetzungen für die Bewältigung von Leistungssituationen im Sportunterricht. Die Ergebnisse zum Modul ‚Leistung‘ zeigen, dass besonders fähigkeitsbezogene Selbsteinschätzungen, denen während der Intervention genügend Ausmerksamkeit geschenkt wurde, durch die Intervention positiv beeinflusst werden können. So erhöhte sich die Selbstkonzeptfacette Ausdauer der Experimentalgruppe nachweislich, während die Selbstkonzeptfacette Kraft beinahe unverändert blieb. Dass der gewünschte Effekt nur für die Ausdauer zu verzeichnen war, ist allenfalls auf die Intensität und Spezifität der während der Intervention durchgeführten Lektionen zurückzuführen. Während im Bereich der Ausdauer pro Woche die gesamte Lektion zur Verbesserung der Laufleistung eingesetzt wurde, gliederte sich die wöchentliche Lektion zur Verbesserung der Kraft weiter auf. Die Veridikalität der Selbstkonzeptfacetten Ausdauer und Kraft kann durch die Intervention nachweislich erhöht werden. So steigen die Korrelationswerte bei beiden untersuchten Selbstkonzeptfacetten in der Experimentalgruppe stärker an als in der Kontrollgruppe. Dass die Erhöhung der Veridikalität im Bereich der Kraft weniger stark ausfällt als bei der Ausdauer, lässt sich ebenfalls auf die schwache Treatmentintensität dieser Facette zurückführen. Die vorläufigen Projektergebnisse zeigen also, dass Schülerinnen und Schüler durch persönlichkeitsfördernden Unterricht ihre spezifische Selbstwirksamkeit beim Lösen von sportmotorischen Aufgaben mit einer ausgeprägt sozialen, emotionalen oder physischen Orientierung positiver erfahren. Entsprechend ist festzuhalten, dass die Frage der inhaltlichen Umsetzung nur dann relevant ist, wenn einzelne Selbstkonzeptbereiche direkter angesteuert werden sollen: Selbstwirksamkeitserfahrungen werden in allen Modulen generiert. Vergleicht man den Unterricht in den Experimentalklassen mit jenem der Kontrollklassen, ist bezogen auf die Inhaltsauswahl kein bedeutender Unterschied auszumachen: Themen wie Spielentwicklung, Geräteturnen, Klettern und Fallen, Ausdauertraining oder Hochsprung finden wir entsprechend den saisonalen Empfehlungen und Lehrplanvorgaben für fünfte Klassen auch in den Sportlektionen unserer Kontrollklassen. Zentrale Erfahrungsdifferenz zwischen Schülerinnen und Schülern der Interventions- und Vergleichsgruppe war der Aspekt der bewussten Auseinandersetzung im Sinne einer Selbst- und Fremdbeobachtung a) des eigenen Leistungsvermögens und der eigenen Leistungsentwicklung, b) der Erfahrungen in Gruppenprozessen und/ oder c) der Angst in Grenzsituationen. Dieser konsequent geförderte reflexive Überbau der Sportlektion in Form von Feedbackgesprächen zwischen Schülerinnen und Schülern und der Lehrkraft, unter den Schülerinnen und Schülern oder im Protokollieren der individuellen Lernentwicklung und deren Bewertung im Sportheft vermag aus unserer Sicht wesentliche Effekte der Studie zu erklären.

Resultate

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