Gender Studies in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt. Eine Studie zur Schweiz und Europa

Ref. 8940

Allgemeine Beschreibung

Periode

2004-2006

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz, Europa

Kurzbeschreibung

Gender Studies stehen in der Schweiz schon seit den 1970er Jahren auf der Agenda universitärer Bildungsangebote. Im Vergleich zu vielen anderen westeuropäischen Staaten ist ihr Institutionalisierungsgrad trotz erster Professuren, Studiengänge und Graduiertenprogramme sowie einem grossen Spektrum regional und überregional koordinierter Netzwerke jedoch noch sehr gering. Mit Blick auf den Bologna-Prozess sowie die internationale Anschlussfähigkeit von Gender Studies als akademische Disziplin widmet sich die Studie unter anderem den Fragen, welches die mit dem spezifischen Angebot in Lehre und Forschung verknüpften sozialen und berufsbezogenen Qualifikationen und Kompetenzen sind, die dieser Studiengang vermittelt und wie die Gender Studies diese in aktuelle Curriculum-Reformen einbringen sowie welche Bedeutung und Umsetzungsmöglichkeiten dieser Studiengang auf dem Arbeitsmarkt aufweist. Es wurde ermittelt, in welche Berufsfelder und berufliche Tätigkeiten die StudienabgängerInnen münden. Dabei ging es einerseits um ein Erfassen der Beschäftigungschancen, die Studierende, Hochschullehrerinnen, Arbeitsmarkt und Wissenschaftspolitik mit der Aufnahme eines Studiums im Bereich Gender Studies assoziieren. Andererseits wurde versucht, die Bestimmungen der sozialen und berufsbezogenen Dimensionen von "Genderkompetenz" auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Lebenswelten und Rationalitäten von Wissenschaft und Arbeitsmarkt abzubilden.

Resultate

Gender Studies haben - gemessen am späten Zeitpunkt ihrer Institutionalisierung - rasch die Entwicklungen anderer europäischer Länder nachvollzogen; eine intensive und pragmatische Auseinandersetzung über die mit der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung verknüpften Inhalte, Qualifikationsziele und beruflichen Perspektiven von Studierenden wird heute auf akademischer wie wissenschaftspolitischer Ebene geführt. Als Wissenschaft generieren Gender Studies Erkenntnisse theoretischer und methodischer Art, die immer auch Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Einflussnahme und Transformation eröffnen. Dies beruht auf einer inter- und transdisziplinären Perspektive und einem fachübergreifenden Vorgehen, bei dem jeweils beide Geschlechter in Problemstellung einbezogen werden. Bei den befragten Studierenden und StudienabgängerInnen ist nicht ein "radikaler Feminismus" vorherrschend, sondern entwicklungsfördernde Vorstellungen, bei denen der Geschlechterdualismus und daran geknüpfte Wirklichkeitsvorstellungen und Diskurse in Frage gestellt werden können. In erster Linie kann heute das im Studium erworbene Wissen in den professionalisierten Bereich der Frauen- und Gleichstellungsarbeit einfliessen. Neben diesem "Kernbereich" kommt genderbezogenem Wissen nach Aussage der hier befragten Frauen und Männer auch im Bildungs-, Gesundheits- und Rechtswesen, in sozialen Berufen oder der Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle zu. Schliesslich bildet die Ausbildung Ausgangspunkt der Entwicklung innovativer Aufgabenbereiche oder selbständiger unternehmerischer Tätigkeit, indem mittels der eigenständigen Anwendung von geschlechterbezogenem Wissen auf Fragestellungen anderer Disziplinen und Themengebiete Berufsfelder erschlossen, ergänzt und generiert werden. Gemessen an ihrer Bedeutung, finden die von den Studienangeboten vermittelten Qualifikationen und Kompetenzen aus Sicht der Hochschulvertreterinnen in der Arbeitswelt noch zu wenig Resonanz, was auf einem Defizit an Wissen und Informationen über die Inhalte und Zielsetzungen der Gender Studies zurückzuführen sein dürfte. Auch kritisieren VerteterInnen des Arbeitsmarktes die "Praxisferne" der Geschlechterstudien, wobei nicht die Theorie bzw. das empirisch begründeten Wissen der Gender Studies selbst in Frage gestellt wird, sondern dessen mangelnder Vermittlung, genauer: dem Mangel an Überführung von akademischem Wissen in den gesellschaftlichen und beruflichen Alltag. Ausgehend von einer nicht primär berufsorientierten Bildungskonzeption, hat das Geschlechterstudium einen Anspruch auf Persönlichkeitsbildung und die Vermittlung von Orientierungswissen. Das im Studium erworbene Wissen trägt zu einer spezifischen Sensibilität für Geschlechterfragen und Geschlechtergerechtigkeit, zum "Empowerment" im Sinne eines gestärkten Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins bei. Bereits bei der Studienwahl stand das Interesse an einer intensiven persönlichen Auseinandersetzung mit Geschlechterbeziehungen und eines ausgeprägten Bewusstseins für Geschlechterungleichheiten im Vordergrund. Die Verwertbarkeit der Studienqualifikationen auf dem Arbeitsmarkt bildet dabei für viele der von uns Befragten kein zentrales Studienmotiv. Allerdings ist in der jüngeren Studiengeneration durchaus eine stärkere Berufs- und Beschäftigungsorientierung festzustellen. Doch vermag die Realität auf dem Arbeitsmarkt diese im europäischen Vergleich sogar überdurchschnittlichen Erwartungen der schweizerischen Befragten an ihre späteren Berufsaussichten bei weitem nicht zu entsprechen. Bis heute mangelt es gleichermassen aus der Sicht der Hochschulvertreterinnen wie aus Sicht des Arbeitsmarktes an einem "Brückenschlag" zwischen der an den Hochschulen verankerten Ausbildung und Forschung und den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Qualifikationsbeschreibungen müssen in die aktuellen Curriculum-Reformen eingebracht und für Studierende wie den Arbeitsmarkt erkennbar werden. Gender Studies nehmen wichtige Entwicklungen zukünftiger Wissenschaftspraxis vorweg, können aktiv an der Entwicklung neuer Standards in Forschung und Lehre partizipieren und darauf Einfluss nehmen. Indem sie ihre wissenschaftlichen Potentiale gerade auch im Rahmen neuerer Wissenschaftskonzeptionen aufzeigen, können sie ihr eigenes Schicksal an den Hochschulen mitgestalten.