Gender Studies haben - gemessen am späten Zeitpunkt ihrer Institutionalisierung - rasch die Entwicklungen anderer europäischer Länder nachvollzogen; eine intensive und pragmatische Auseinandersetzung über die mit der Frauen-, Männer- und Geschlechterforschung verknüpften Inhalte, Qualifikationsziele und beruflichen Perspektiven von Studierenden wird heute auf akademischer wie wissenschaftspolitischer Ebene geführt. Als Wissenschaft generieren Gender Studies Erkenntnisse theoretischer und methodischer Art, die immer auch Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Einflussnahme und Transformation eröffnen. Dies beruht auf einer inter- und transdisziplinären Perspektive und einem fachübergreifenden Vorgehen, bei dem jeweils beide Geschlechter in Problemstellung einbezogen werden. Bei den befragten Studierenden und StudienabgängerInnen ist nicht ein "radikaler Feminismus" vorherrschend, sondern entwicklungsfördernde Vorstellungen, bei denen der Geschlechterdualismus und daran geknüpfte Wirklichkeitsvorstellungen und Diskurse in Frage gestellt werden können.
In erster Linie kann heute das im Studium erworbene Wissen in den professionalisierten Bereich der Frauen- und Gleichstellungsarbeit einfliessen. Neben diesem "Kernbereich" kommt genderbezogenem Wissen nach Aussage der hier befragten Frauen und Männer auch im Bildungs-, Gesundheits- und Rechtswesen, in sozialen Berufen oder der Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige Rolle zu. Schliesslich bildet die Ausbildung Ausgangspunkt der Entwicklung innovativer Aufgabenbereiche oder selbständiger unternehmerischer Tätigkeit, indem mittels der eigenständigen Anwendung von geschlechterbezogenem Wissen auf Fragestellungen anderer Disziplinen und Themengebiete Berufsfelder erschlossen, ergänzt und generiert werden. Gemessen an ihrer Bedeutung, finden die von den Studienangeboten vermittelten Qualifikationen und Kompetenzen aus Sicht der Hochschulvertreterinnen in der Arbeitswelt noch zu wenig Resonanz, was auf einem Defizit an Wissen und Informationen über die Inhalte und Zielsetzungen der Gender Studies zurückzuführen sein dürfte. Auch kritisieren VerteterInnen des Arbeitsmarktes die "Praxisferne" der Geschlechterstudien, wobei nicht die Theorie bzw. das empirisch begründeten Wissen der Gender Studies selbst in Frage gestellt wird, sondern dessen mangelnder Vermittlung, genauer: dem Mangel an Überführung von akademischem Wissen in den gesellschaftlichen und beruflichen Alltag.
Ausgehend von einer nicht primär berufsorientierten Bildungskonzeption, hat das Geschlechterstudium einen Anspruch auf Persönlichkeitsbildung und die Vermittlung von Orientierungswissen. Das im Studium erworbene Wissen trägt zu einer spezifischen Sensibilität für Geschlechterfragen und Geschlechtergerechtigkeit, zum "Empowerment" im Sinne eines gestärkten Selbstverständnisses und Selbstbewusstseins bei. Bereits bei der Studienwahl stand das Interesse an einer intensiven persönlichen Auseinandersetzung mit Geschlechterbeziehungen und eines ausgeprägten Bewusstseins für Geschlechterungleichheiten im Vordergrund. Die Verwertbarkeit der Studienqualifikationen auf dem Arbeitsmarkt bildet dabei für viele der von uns Befragten kein zentrales Studienmotiv. Allerdings ist in der jüngeren Studiengeneration durchaus eine stärkere Berufs- und Beschäftigungsorientierung festzustellen. Doch vermag die Realität auf dem Arbeitsmarkt diese im europäischen Vergleich sogar überdurchschnittlichen Erwartungen der schweizerischen Befragten an ihre späteren Berufsaussichten bei weitem nicht zu entsprechen.
Bis heute mangelt es gleichermassen aus der Sicht der Hochschulvertreterinnen wie aus Sicht des Arbeitsmarktes an einem "Brückenschlag" zwischen der an den Hochschulen verankerten Ausbildung und Forschung und den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes. Qualifikationsbeschreibungen müssen in die aktuellen Curriculum-Reformen eingebracht und für Studierende wie den Arbeitsmarkt erkennbar werden. Gender Studies nehmen wichtige Entwicklungen zukünftiger Wissenschaftspraxis vorweg, können aktiv an der Entwicklung neuer Standards in Forschung und Lehre partizipieren und darauf Einfluss nehmen. Indem sie ihre wissenschaftlichen Potentiale gerade auch im Rahmen neuerer Wissenschaftskonzeptionen aufzeigen, können sie ihr eigenes Schicksal an den Hochschulen mitgestalten.