Nachfolgend einige ausgewählte Ergebnisse der Studie in Kurzform: - Bildungsinteressierte Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer finden - so sie nur wollen - im relevanten Repertoire der in der Deutschschweiz zugänglichen Fernsehprogramme praktisch jeden Tag zu fast jeder Stunde eine Bildungssendung.
- Der Anteil der Bildungssendungen am Programm des Schweizer Fernsehens (SF1, SF2) machte im Jahr 2005 11% aus. Der Anteil der Bildungssendungen sank im Untersuchungszeitraum relativ, nahm aber in absoluter Zeit zu. Die Bildungssendungen im Programm des Schweizer Fernsehens wurden nach Tageszeit und Wochentagen konzentriert. Die Bildungssendungen im Programm des Schweizer Fernsehens erfuhren keine kontinuierliche Entwicklung.
- Bildungsaffine Abteilungen und Redaktionen wurden innerhalb der Organisation Schweizer Fernsehen im Untersuchungszeitraum immer wieder neu geordnet. Bildung wurde verschoben und hinabgeschoben. Die explizite Bezeichnung "Bildung" verschwand auf Abteilungsebene 1993 aus dem Organigramm. Seither wurden in den Jahresberichten keine statistischen Angaben zu den entsprechenden Programmleistungen veröffentlicht. In der "Leistungsbilanz 2006" des Schweizer Fernsehens wurde der "Leistungsauftrag" "in Sachen Bildung" anhand der Sendungen "wie Horizonte, MTW, nano, Schulfernsehen,..." festgelegt.
- Das Schulfernsehen machte einen kontinuierlichen und relevanten Anteil des Bildungsangebotes im Schweizer Fernsehen aus (im Jahr 2005 14.2% des gesamten Bildungsangebotes). Markante Veränderungen des Anteils der Bildungssendungen konnten auf Veränderungen in den Bereichen Schulfernsehen und Telekurse zurückgeführt werden. Reduktion und Exitus der Telekurse zogen signifikante Änderungen des Gesamtanteils mit sich. Ebenso deutlich zeigte sich die vorübergehende Auslagerung des Schulfernsehens auf SF2 in den Untersuchungsjahren 1995 und 2000.
- Insgesamt lies sich zeigen, dass das Bildungsangebot bis in die 1990er Jahre hinein sehr stark geprägt war durch eher formal bildende Sendegefässe mit qualifizierendem, kursartigem Charakter ("Schulfernsehen", "Telekurse"). Daneben spielten nicht in standardisiertem Rahmen ausgestrahlte Einzelsendungen eine wichtige Rolle. In den 1990er Jahren zeigte sich - parallel zum Verschwinden der "Telekurse" - eine Verteilung des Bildungsangebots auf eine Vielfalt an Magazine mit fixen Sendezeiten. Bildungsfernsehen in nicht standardisiertem Kontext (Einzelsendungen) verlor zunehmend an Relevanz.
- Der Bereich "Kultur/Künste" wurde in Bildungssendungen zunehmend berücksichtigt.
- Nach einem Rückgang 1980 und 1985 war auch "Wissenschaft" vermehrt wieder Thema.
- Für Sendungen mit Bildungsintention konnte tendenziell ein Rückgang beobachtet werden. Dies hing in erster Linie mit dem Verschwinden der Sendung "Telekurse" im Untersuchungszeitraum zusammen.
- Zunehmend wichtiger wurde die Vermittlung von alltagsrelevantem Wissen. Die Thematisierung von fremden Welten und Kulturen wies einen konstant hohen Anteil unter den Bildungssendungen auf.
- Sendungen mit pädagogischer Absicht verschwanden - fast - aus dem Programm. Als Paradebeispiel einer solchen Sendung kann "Das Spielhaus" angeführt werden. Das erklärte Ziel der Sendung war die kreative, kognitive, emotionale, soziale und motorische Förderung des Kindes. Das Modell der BBC-Sendung "Play School" diente als Vorlage.
- Sendungen, die Berufswissen vermittelten, waren im Bildungsangebot des Schweizer Fernsehens stets marginal vertreten.
Die hier in kurzer Form zusammengestellten Resultate der inhaltsanalytischen Untersuchung von Programmzeitschriften im Zeitraum von 1975 bis 2005 wurden in einem Workshop ausgewählten Fachleuten aus den Bereichen Bildung, Fernsehen und Wissenschaft vorgestellt. Ziel war zum einen eine kommunikative Validierung der Ergebnisse aus der Programmanalyse. Zum anderen wurden die Gespräche einer qualitativen Analyse unterzogen. Hier sollen - verkürzt - einige Gedanken aufgegriffen werden, die im Workshop intensiv diskutiert wurden. Festgestellt wurde, dass in verschiedenen Lebensbereichen eine zunehmende Individualisierung des Lernens festgestellt werden kann, und dass dieses Lernen vermehrt unabhängig vom Bildungssystem stattfindet. Für mediale Bildung - im Fernsehen - ist diese Aussage gleich in mehrerer Hinsicht relevant. So wurde angesprochen, dass eine Pluralisierung der Lernorte stattfindet. Einer dieser Orte ist das Fernsehen - so ist es verfassungsmässig festgeschrieben. Verschiedene Institutionen - auch das Fernsehen - besitzen neben dem Bildungssystem eine Definitionsmacht darüber, was Bildung sein soll und kann. Verschiedene technische Entwicklungen tragen dazu bei, dass neue Lernorte geschaffen werden. Als Beispiel kann die geplante online-Wissensplattform des Schweizer Fernsehens genannt werden. Es stellte sich die Frage, ob und wie sich solche Lernorte ergänzen aber auch ersetzen können. Es wurde darüber gesprochen, wie Programmschaffende mit Bildung umgehen. So scheint das Label "Bildung" in der Fernsehpraxis an Attraktivität verloren zu haben: Der Begriff "Bildung" - beispielsweise in einem Sendungstitel - wirke abschreckend auf das Publikum, so der Grundtenor aus der Fernsehpraxis. Entsprechend äusserte sich auch Friedrich Hagedorn (Adolf Grimme Institut, LernZeit.de): "Die Akzeptanz solcher mit Bildungsbegriffen etikettierten Programme ist seit geraumer Zeit bei vielen Zuschauern immer mehr gesunken und hat dazu geführt, dass sich die meisten ARD-Sender von Formaten wie Bildungsfernsehen, Tele- und Funkkolleg verabschiedet haben." Schliesslich wurden auch strukturelle Veränderungen innerhalb der Organisation Schweizer Fernsehen und ihre Auswirkungen auf das Bildungsangebot diskutiert. Festgestellt wurde, dass neben dem Zeitgeist die Organisationsform, vor allem aber auch verantwortliche Personen darüber entscheiden, in welcher Form und mit welcher Häufigkeit Bildung im Fernsehen stattfindet.