Dieses international vergleichende explorative Forschungsprojekt ist im Zusammenhang mit einer Habilitationsarbeit und gemeinsam mit Lehrkräften durchgeführt worden, die zugleich Studierende an der FernUniversität Hagen sind (es ist dies die einzige Volluniversität Deutschlands, an der ein Hochschulstudium ausschliesslich im Rahmen von Fernunterricht absolviert werden kann). Die Forschungsgruppe interessierte sich für die Frage, wie Lehrkräfte mit der Modernisierung von Schule und Unterricht umgehen. Zur Klärung dieser Frage wurden drei Untersuchungsregionen gewählt: der Kanton Zürich als Region, wo eine weitgehende Modernisierung eingeführt wurde (TaV); im Kontrast dazu Bayern als eine eher traditionell verfasste Schullandschaft; dazwischen Hamburg, das Reformbestrebungen auf mittlerem Niveau zeigt, insofern als immerhin ein Element der Modernisierung (Schulprogramm) für alle Schulen verbindlich gemacht wurde. Die interviewten Lehrkräfte wurden auf insgesamt sieben Stufen und in drei Gruppen eingeteilt, nach einem Kriterium, das die Forscher "Aufmerksamkeitsreichweite" nennen; diese betrifft nicht nur die Art, sich selber und die eigene Biographie wahrzunehmen, sondern auch das Ausmass, in welchem Sinnbereiche aus der inneren und äusseren Schulumwelt für den Unterricht genutzt werden.
In der Gruppe 1 (Lehrkräfte mit grosser Aufmerksamkeitsreichweite) finden sich vor allem ältere Lehrkräfte aus dem Kanton Zürich und aus Hamburg, die neben einer Perspektive des eigentlichen Unterrichts und der Klasse auch noch eine externe Sicht auf die Schule in den Unterricht einbringen können, indem sie z. B. an spätere Übergänge der Schüler denken und so auch mehr auf Schüler eingehen. Für diese Lehrer existiert kaum eine Trennung von beruflicher und privater Welt. In der Gruppe 3 (Lehrkräfte mit geringer Aufmerksamkeitsreichweite) finden sich Berufsanfänger, die typischerweise von eigenen Identitätsproblemen in Anspruch genommen sind. In Gruppe 2 finden sich jüngere und ältere Lehrkräfte aus Bayern und mit mittleren Aufmerksamkeitsreichweiten, die die externe Sicht auf die Schule nicht für den Unterricht nutzen, die stärker zwischen Beruf und Privatem trennen, die - anders als Gruppe 1 - so gut wie keine Teamarbeit kennen, die ihr berufliches Engagement deutlich mehr begrenzen als Gruppe 1. Diese Orientierung an Teamarbeit, Qualitäts- und Organisationsentwicklung zeigen zudem die älteren Hamburger Lehrkräfte mehr als die älteren Lehrkräfte aus dem Kanton Zürich. Am Ende des Buchs wird als Grund dafür vermutet, dass Steuerung nicht (wie in Zürich) zu stark sein dürfe, damit Lehrkräfte Raum für eine Eigenentwicklung haben. Zugleich sollte die Steuerung auch nicht so wenig anregend sein wie in Bayern.