Wohlfahrtsstaatliches Kontraktmanagement. Die Verhandlung und Umsetzung von Leistungsverträgen als Herausforderung für Nonprofit-Organisationen

Ref. 7775

Allgemeine Beschreibung

Periode

2002 - 2006

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz, mit internationalem Vergleich, insbesondere zu Deutschland, Österreich und USA

Kurzbeschreibung

Private Nonprofit-Organisationen sind eine der zentralen Tragsäulen des Schweizer Sozialstaats. Seit Aufkommen von New Public Management in den 90er Jahren lösen zunehmend Leistungsverträge die bisherigen defizitorientierten Subventionsverfügungen ab, welche bis anhin die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privaten Leistungserbringer/innen prägten. Mit dem Einsatz von Leistungsverträgen, auch Kontrakte genannt, finden nicht nur verwaltungsintern Veränderungen statt, sondern auch überall dort, wo die Verwaltung mit öffentlich-rechtlichen und privat-rechtlichen Organisationen zusammenarbeitet. Obwohl in den letzten Jahren auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene zunehmend Leistungsverträge abgeschlossen und korrespondierende Controllinginstrumente eingeführt werden, ist unbekannt, ob und was durch den Einsatz von Leistungsverträgen in der strategischen und operativen Führungsarbeit sowie in der konkreten Leistungserbringung durch die Mitarbeitenden verändert wird und wie die betroffenen Personen dieseVeränderungen interpretieren. Diese Dissertation geht diesen Fragen aus konstruktivistischer, interpretativ-organisationssoziologischer Sicht nach und hat als Ziel, die in theoretischen und essayistischen Abhandlungen oft emotional geführte Debatte zu Kontraktmanagement im Sozialbereich empirisch zu fundieren. Dabei sollen die empirischen Erkenntnisse aus der Schweiz gezielt in Bezug zur US-amerikanischen Kontraktmanagementdebatte gestellt werden, da diese im internationalen Vergleich am längsten geführt wird (seit den 60er Jahren) und empirisch am ausgewiesensten ist.

Resultate

Mit New Public Management hat in der Schweiz in den 90er Jahren auch das wohlfahrtsstaatliche Kontraktmanagement Eingang in Politik und Verwaltung gefunden. Unter Einbezug des internationalen wissenschaftlichen Diskurses untersucht diese Dissertation interdisziplinär anhand des Alltags zweier Nonprofit-Organisationen, welche öffentliche Mittel erhalten, inwiefern Leistungsverträge ihre Strategie, Struktur, Kultur und ihr Potential beeinflussen. Eine Umfrage bei der Schweizer Städteinitiative hinsichtlich der Kontraktmanagementpraxis im Sozialen Sektor zeigt, dass Kontraktmanagement in jeder Gemeinde und oftmals von Fall zu Fall anders wahrgenommen und umgesetzt wird. Der Wechsel vom Subventionsmodell zum Kontraktmanagement ist für alle beteiligten Fach- und Führungspersonen einschneidend, beinhaltet jedoch (heute noch) weniger Veränderungen für die Klient/innen. Eine bisher qua Gewohnheitsrecht stattfindende Zusammenarbeit in der Bestellung und Erbringung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen bedarf nun nämlich nicht nur der Klärung von Menge, Qualität und Kosten konkreter Leistungen, sondern auch der Klärung sozialpolitischer Zielsetzungen und der Offenlegung politischer Verflechtungen. Die Planung des Kontraktprozesses, die Transparenz über die Möglichkeiten und Grenzen der Verhandlungsführung und die zwischen den Verhandlungsteilnehmenden gepflegten Umgangsformen erweisen sich für einen gelingenden Kontraktmanagementprozess als zentral. Kontraktmanagement beinhaltet latent die Gefahr der zeitlichen und fachlichen Überforderung von in Nonprofit-Organisationen ehrenamtlich tätigen strategischen Führungspersonen, die zivilgesellschaftlich eine wichtige Funktion ausüben. Die Berechnung der Kontraktsumme, der hohe Transaktionskostenaufwand und die Bindung von Ressourcen an Qualitätskontrolle, Leistungserhebung und Berichterstattung bergen überdies die Gefahr einer Innovationshemmung. Kontraktmanagement, so das Fazit, stellt eine sozialpolitische Aushandlungsarena dar, in welcher wohlfahrtsstaatspolitische Vorstellungen zu Zielen, Zielgruppen, Leistungen und Erbringungsstrukturen expliziert werden. Nonprofit-Organisationen, seit je her Tragsäulen des Schweizer Wohlfahrtsstaates, befinden sich dabei im Spagat zwischen ihrer ökonomischen Orientierung und ihrer gesellschaftlichen Vision.