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Industrialisierung und ländliche Lebenswelt in Ceara-Brasilien

Ref. 7769

Allgemeine Beschreibung

Periode

1994-2002

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Ceara - Nordosten/Brasilien

Kurzbeschreibung

Die qualitative Untersuchung erforscht die Kultur der Sertanejo-Bauern aus dem Landesinnern des nordöstlichen Brasiliens unter veränderten ökonomischen Bedingungen und versucht aufzuzeigen, dass der Sertanejo aufgrund seiner historischen Elends- und Migrationserfahrungen seit der Kolonialzeit schon immer sozialen und ökonomischen Veränderungen, Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt war. Die Landarbeiter bilden die untersten Schichten in der Hierarchie der brasilianischen Gesellschaft: sie nehmen nur am Rande am sozialen, ökonomischen und politischen Geschehen der Gesellschaft teil und verinnerlichen das Stigma der sozialen Marginalisierung. Ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten und die erarbeiteten Produkte werden als ökonomisch nicht wichtig gewertet. Sie sind Arme, die Nahrungsmittel für die untersten Schichten - lavoura de pobre - produziert. Somit ist ihr Stellenwert sehr niedrig, sie sind Aussenseiter, die selbst ihrer Bedeutung für die Gesellschaft entfremdet sind. In der Region kann man das Zusammenleben unterschiedlicher Dynamiken der ökonomischen und sozialen Dimensionen beobachten. Es gibt eine Überlagerung der materiellen Bedingungen, die sich modernisieren und der sozialen, die sich stark negativ entwickeln. Die Industrien sind meist nur Fassade einer neuen Produktionsform. Arbeitsverträge zwischen Industrie und Arbeiterschaft existieren nicht. Meistens bilden sich Produktionsgenossenschaften, die die Industrie von allen Arbeitskosten und die Arbeiter von ihren Rechten befreien. Die Genossenschaften produzieren und arbeiten innerhalb der Industrien. Sie sind Pseudogenossenschaften die oft von den eigenen Industrien gebildet und geleitet werden. Die Industrienunternehmen sind von ökonomischen Prinzipien und supraregionalen Interessen geprägt. Anhand der empirischen Daten wird die genossenschaftliche Arbeit besprochen: die Rekrutierung und die Formen der Arbeitsverträge; Produktionskontrolle und Disziplin innerhalb der Genossenschaft; Struktur der Genossenschaft und ihre Organisation; Formen der Arbeitslöhne; Grad des Bewusstseins der genossenschaftlichen Mitglieder; Arbeitsrecht und -bedingungen innerhalb der Genossenschaft. Ceara erhielt in den letzten 2 Jahren 183 neue Unternehmen die sich in 37 Landkreisen installiert haben. Laut offizieller Daten der Sekretariats für die ökonomischen Entwicklung des Bundesstaats Ceara (2000) wurden 39.361 direkte und 157.444 indirekte Arbeitsplätze geschaffen (Programa de Promoçao Industrial e Atraçao de Investimento, Secretaria de Desenvolvimento Economico do Estado, 2000). Nachdem ich einige Gastgemeinden dieser Industrien besucht habe, beschloss ich die Industriegenossenschaft in Itapajé zur Erfassung der relevanten Daten des Alltags, der Lebensweise und Weltsichten der Bevölkerung, auszuwählen. Itapajé ist eine kleine Gemeinde mit Agrartradition und liegt nicht sehr weit, d.h. 125 km, von der Hauptstadt Fortaleza entfernt. Somit waren kurzfristige Besuche zur Erfassung der Daten möglich. Derzeit kann ich noch nicht über die Kultur der Sertanejo sprechen da ich noch Daten sammle und darüber lese. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Diskussion über das Hybridsein der Camponeses und deren Familien weiterzuleiten und zu vertiefen.

Resultate

Es handelt sich hierbei um Teilbemerkungen, da Daten noch ausgewählt und erarbeitet werden. Aufgrund der bereits vorhandenen Daten kann man schon vorab feststellen, dass die Genossenschaft die Arbeitsgesetze verletzt und die Arbeitsbedingungen verschlechtert.Die Genossenschaftsmitglieder/-arbeiter unterliegen schutzlos den Bedingungen der Industrie. Die Genossenschaftsmitglieder haben keine Arbeitssicherheit, weder bezahlte Ferien noch Krankenkassen. Da sie nicht angestellt sind gehören sie auch nicht den Gewerkschaften an. Da sie Mitglieder der Genossenschaft und keine Angestellten sind, wird davon ausgegangen, dass sie sich ihre Bestimmungen selbst ausgesucht haben. Die Gruppe übt eine starke Erfolgskontrolle über den Einzelnen aus. Die vorhandene Individualisierung wird durch den Wettbewerb innerhalb der Fabrik noch verstärkt und jeder verhandelt vereinzelt mit den Vorarbeiter oder Manager der Industrie. Die Mitglieder erfahren sich selbst als ein wechselbares Teil der Industrie und nicht als Genossenschaftler. Die Lebensbedingungen der Arbeiter zeigen eine Pseudomobilität. Da sie jetzt ein Mindesteinkommen - ca. R$ 180 (ca. 90 US$) aufweisen können, können sie auch Kredite aufnehmen und Güter in den Geschäften kaufen. Die Arbeit änderte also ihr Konsum und Lebenserwartungen. Die Verschlechterung der Lebensqualität wird ein Gefühl des Aufstiegs bedingt durch den Konsum und Kredit überlagert. Aber genau das macht sie verwundbar. Jetzt mehr als zuvor müssen sie das Geld verdienen und sind bereit unter jeder Bedingung zu arbeiten. Aufgrund der Überarbeitung in der Fabrik und im Haushalt, werden Freundschaften selten geschlossen und viele wollen keine eigene Familie bilden. Da die "Kinder" das Brot verdienen, sehen die Eltern ihre Autorität in der Familie komprometiert. Meistens kommt es zwischen Eltern und Kindern zu Konfliktsituationen und Auseinandersetzungen. Obwohl es meistens Frauen sind, die eine Stelle in der Fabriken erhalten, ist die Unterordnung gegenüber den Männern der Familie die Regel. Die Männer der Familien - Väter oder Brüder - bestimmen was es mit dem spärlichen verdienten Geld gemacht wird. Man sieht eine Kommunikationslücke zwischen Eltern und Kindern. Die Kinder schämen sie sich über ihrer Herkunft als Camponeses. Aber, weil das was sie verdienen nicht ausreichend ist um die Familie zu ernähren sind sie doch auf die Landwirtschaftstätigkeit der Eltern angewiesen. Die Jugendlichen fühlen sich "entwickelter" als die Eltern und diskriminieren das Landleben. Die Eltern sehen dadurch ihre Stellung in der Familie ausgehöhlt, ihre Autorität als Eltern gefährdet und das Selbstwertgefühl in der Familie und Gesellschaft geschädigt, da sie nicht in der Lage sind eine Arbeitsstelle zu finden. Allerdings, gibt es nicht genug Arbeitsplätze für alle Jugendlichen in der Gemeinde und die Gehälter der angestellten Jugend reichen nicht aus, die Familien zu unterhalten. Die Landwirtschaft bildet weiterhin eine notwendige Aktivität für den Unterhalt der Familien, wird aber nur als Komplementäraktivität gesehen.