Mit der Revision in den Jahren 1996 und 1997 wurde der Vollzug der Arbeitslosenversicherung in der Schweiz neu organisiert. Die Anwesenheitskontrolle durch die Gemeinden, das sogenannte "Stempeln", wurde ersetzt durch die Schaffung von inzwischen 155 (März 00) Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Dort werden die Stellensuchenden nicht mehr nur kontrolliert, sondern zudem beratend unterstützt. Die gezielte Integration und allenfalls Verbesserung der Qualifikationen von erwerbslosen Personen steht im Zentrum der Bemühungen. Wer sich dieser Zielsetzung widersetzt oder die aktive Stellensuche verweigert, muss mit drastischen Kürzungen des Taggeldes rechnen. Dabei kommt den Personalberaterinnen und Personalberatern eine durchwegs ambivalente Funktion zu: Sie beraten und strafen zugleich. Soziologisch betrachtet stellen diese Beratungen insofern Schlüsselsituationen dar, als dass der "Staat" hier, im Rahmen der Arbeitslosenversicherung, mit Individuen deren Zukunft verhandelt. Für die erwerbslosen Person und den Verlauf ihrer Biographien ist die Beratungspraxis der RAV deshalb von entscheidender Bedeutung. Ziel der Studie ist es, die Qualität dieser Beratungspraxis aus mikrosoziologischer Sicht zu untersuchen. Im Zentrum der Untersuchung steht der Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes in der Praxis - die Interaktionsprozesse zwischen erwerbslosen Personen und den in RAV tätigen PersonalberaterInnen. Die sehr unterschiedliche Dynamik dieser Prozesse soll unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte analysiert werden. Erfolg und Misserfolg der Beratungen sind letztlich entscheidend dafür, ob die mit der Revision des Arbeitslosenversicherung im Gesetz verankerte Absicht tatsächlich realisiert wird. Dabei stellt sich im Gegenzug die Frage, ob die vom Gesetzgeber vorgesehenen Massnahmen der heutigen Problematik gerecht werden. Auch soll danach gefragt werden, ob in der Praxis im Gesetz angelegte Widersprüche oder Lücken sichtbar werden. Konkret wird also untersucht, inwiefern sich die Beratungspraxis der öffentlichen Arbeitsvermittlung auf die Karrierenverläufe von Erwerbslosen auswirkt. Welches sind positive Auswirkungen, welches negative? Welche hinter dem Rücken der Beteiligten sich realisierenden Mechanismen können verhindern, dass eine Beratung gelingt? Werden bei Beratungen allenfalls Vorurteile wirksam?