Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht - Grundlagen, Erscheinungsformen und Ausgestaltung im geltenden Recht vor dem Hintergrund europäischer Rechtsentwicklung

Ref. 5700

Dies ist die Version 1.0 dieses Projekts.

Allgemeine Beschreibung

Periode

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Geographischer Raum

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Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz, teilweise Europa

Kurzbeschreibung

Gegenstand der Forschungsarbeit ist eine rechtswissenschaftliche Habilitation mit dem Thema: "Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht." Das schweizerische Haftpflichtrecht wird gewöhnlich in zwei Teile gegliedert: Die Haftung beruht entweder auf vertraglicher Bindung oder auf deliktischem Verhalten. Die Haftungsmodalitäten - Verjährung, Einstehen für Hilfspersonen, Beweislast - sind für beide Haftungsarten verschieden. Die deliktische Haftung setzt voraus, dass ein absolutes Rechtsgut wie Leib, Gesundheit oder Eigentum verletzt wurde. Nur in Ausnahmefällen werden reine Vermögensinteressen (wo keines der vorgenannten Rechtsgüter verletzt ist) geschützt. Insbesondere gilt ein Verstoss gegen Treu und Glauben, ein Vertrauensbruch, nicht als Delikt. Schäden infolge enttäuschten Vertrauens sind daher nur zu ersetzen, wenn der Geschädigte sein Vertrauen vertraglich abgesichert hat. Diese Haftungsregelung ist Ausdruck der vorherrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, wonach die Handlungsfreiheit dem Bestandesschutz grundsätzlich übergeordnet ist. Das Gesetz und - in jüngster Zeit vermehrt - die Praxis lassen aber Ausnahmen von diesem Grundsatz zu. So ist heute anerkannt, dass künftigen Vertragspartnern während der Vertragsverhandlungen - also schon vor Vertragsabschluss - Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflichten obliegen, deren Verletzung Schadenersatzfolgen nach sich zieht. Die Praxis reagiert damit auf eine durch die zunehmende Spezialisierung und Arbeitsteilung bedingte Gefährdung von Vermögensinteressen und Abhängigkeit von Information. Immer häufiger spielen auch Umstände ausserhalb des eigentlichen Vertragsbereichs eine Rolle. Für einen ausgewogenen Ausgleich von Handlungsfreiheit und Bestandesschutz erscheint daher ein erweiterter Vermögensschutz erforderlich. In diesem Forschungsprojekt soll - unter Einbezug der europäischen Rechtsentwicklung - untersucht werden, ob und im welchem Umfang im geltenden schweizerischen Schuldrecht eine dritte generelle Haftungsart zwischen Vertrags- und Deliktshaftung besteht, welche gesteigertes Vertrauen infolge Teilnahme am geschäftlichen Verkehr (Vorliegen einer Sonderverbindung) schützt. Die Herleitung und Beschreibung einer solchen Vertrauenshaftung würde es ermöglichen, die isolierten höchstrichterlichen Urteile ins richtige Licht zu rücken, wertungsmässig konsistente Zusammenhänge zu den gesetzlichen Regelungen des Vertrauensschutzes herzustellen und Grundlagen für eine angemessene Rechtsfortbildung in für die Wirtschaft zentralen Bereichen zu schaffen. Die schweizerische Literatur hat die mit der Vertrauenshaftung verbundene Problematik punktuell, an Hand von Anwendungsbereichen diskutiert. In der schuldrechtlichen Literatur gibt es hingegen keine Gesamtdarstellung der Vertrauenshaftung im allgemeinen und in ihren einzelnen Ausprägungen. Eine solche Gesamtdarstellung wird insbesondere bei der dogmatischen Verarbeitung der neueren Rechtsprechung und der anstehenden Gesamtrevision des Haftpflichtrechts vermisst. Die sich abzeichnende Rechtsvereinheitlichung in Europa verlangt zudem nach einer Prüfung der Frage, ob und inwieweit Haftungsregeln gestützt auf den Vertrauensgedanken europatauglich sind.

Resultate

Einleitung und Erster Teil 1 1. Seit rund zehn Jahren ist im schweizerischen Recht eine Diskussion über die Rechtsfigur einer Vertrauenshaftung bzw. einer responsabilité pour la confiance im Gang, welche hauptsächlich durch Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Mitte der neunziger Jahre ausgelöst worden ist. Im Zusammenhang mit der Vertrauenshaftung wird häufig von einer Verallgemeinerung der culpa in contrahendo gesprochen. Wie weit diese Verallgemeinerung reicht und welches Verhältnis zu den im schweizerischen Schuldrecht mehrfach vorgesehenen Fällen des Gutglaubensschutzes besteht, ist aber unklar. Ebenfalls bleibt weitgehend offen, wann eine genügende, rechtlich relevante „Sonderverbindung“ zwischen den Betroffenen gegeben ist. Die heute bestehende Unsicherheit setzt die Rechtsfigur der Vertrauenshaftung dem Vorwurf der Konturenlosigkeit aus und birgt das Risiko, dass sich die Wirtschaftsakteure aufgrund unberechenbarer Haftungsrisiken über das erforderliche Mass hinaus vorsichtig verhalten. Notwendig sind daher eine wertungskongruente Systematisierung und eine Theorie der Vertrauenshaftung, welche erlaubt, Kriterien für ihre Anwendung herauszuarbeiten. Zu klären bleibt insbesondere die Frage nach der massgeblichen Sonderverbindung, die Ausgestaltung der Vertrauenshaftung sowie ihre Einordnung im schweizerischen Schuldrecht. Angesichts der sich anbahnenden Schuldrechtsvereinheitlichung in Europa ist es dabei geboten, die pflichtbegründende Bedeutung des Vertrauensgedankens sowie die Ausprägung der einzelnen Bereiche der Vertrauenshaftung vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsentwicklung zu untersuchen. 2 2. Bevor die einzelnen Erscheinungsformen der Vertrauenshaftung (Zweiter Teil: §§ 5–16) dargestellt und die Verantwortlichkeit im Schuldrecht eingegliedert werden kann (Dritter Teil: §§ 17–19) erweist es sich als erforderlich, im Grundlagenteil unter Berücksichtigung des wechselseitigen Verhältnisses von Vertrauen und Recht (§ 2) sowie der Bedeutung des Vertrauensgedankens im Vertragsrecht (§ 3) auf den Begriff und die Legitimation der Vertrauenshaftung einzugehen (§ 4). 3 In § 2 hat sich gezeigt, dass Ausgangslage der Vertrauensschutzanliegen im Allgemeinen und der Vertrauenshaftung im Besonderen das Problem ungenügender oder unverarbeitbarer Information der Akteure ist. Vertrauen erweist sich als psychologisch-soziologisch und ökonomisch sinnvolle Strategie zur Bewältigung von Unsicherheitslagen. Die unterschiedliche Gewichtung der sich daraus ergebenden Vertrauensschutzbedürfnisse im Verhältnis zum Prinzip der Pflichtbegründung durch individuelle Selbstbestimmung spiegelt sich in der Rechtsentwicklung bis zurück ins römische Recht. Dabei lässt sich in neuerer Zeit und insbesondere im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur europäischen Schuldrechtsvereinheitlichung eine Verstärkung des Vertrauensgrundsatzes beobachten. Die Vielfalt der massgeblichen Gesichtspunkte macht deutlich, dass es sich bei der Bestimmung des Vertrauensschutzes um eine normative Aufgabe handelt, welche nach schweizerischem Verständnis grundsätzlich dem Gesetzgeber obliegt. Sowohl soziologische Erkenntnisse über eine allfällige Selbstbindung durch interaktives Verhalten als auch ökonomische Anforderungen an eine „effiziente“ Ausgestaltung des Vertrauensschutzes sind daher nicht verbindlich, wobei aber gerade letztere zum übergreifenden Verständnis der vereinzelten Vertrauensschutzbestimmungen und zur Kontrolle rechtsfortbildend geschaffener Regeln einen notwendigen Beitrag leisten. 4 Die Vertrauenshaftung deckt nur einen Teil der rechtlichen Vorschriften mit vertrauensschützender Wirkung ab. Abzugrenzen sind insbesondere die Regelungen über den Vertrauensschutz, die zu einem Rechtsverlust führen. Aber auch hinsichtlich der in dieser Arbeit interessierenden Bestimmungen über die Entstehung von Schuldpflichten aus dem Vertrauensgedanken bedarf es weiterer Eingrenzung: Nicht zur Vertrauenshaftung zählen der Erwartungsschutz, welcher sich aus den klassischen deliktischen Pflichten zur Ordnung des menschlichen Zusammenlebens ergibt, sowie der Vertrauensschutz im Zusammenhang mit vertraglichen Vereinbarungen, zumal bei diesen gleichzeitig die Selbstbestimmung bzw. Autonomie der Parteien betroffen ist. 5 3. Auf den vertraglichen Schutz von Erwartungen und Vertrauenslagen war in § 3 aber dennoch näher einzugehen, einerseits im Hinblick auf die Abgrenzung zur Vertrauenshaftung in Zweifelsfällen, andererseits wegen seines Charakters als modellartiger Regelung des Vertrauensschutzes, woraus für die Vertrauenshaftung Folgerungen ableitbar sind. Dabei wurde erkennbar, dass sich nicht nur das Grundprinzip der Bindung obligatorischer Verträge, sondern auch die einzelnen Ausprägungen der vertraglichen Verantwortlichkeit mit dem Vertrauensgedanken vereinbaren lassen. Am überzeugendsten erscheint es, weder allein auf den Gedanken der Selbstbestimmung noch allein auf den Vertrauensschutz abzustellen, sondern den Geltungsgrund für die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung in einer Kombination beider Kriterien zu sehen. Der Vertrauensgedanke bietet auch den Lösungsansatz für die Frage, ob bei missverständlichem Verhalten ein (vertragliches) Versprechen vorliegt und mit welchem Inhalt. Im Unterschied zu vielen europäischen Rechtsordnungen ist die Kommunikationsordnung im schweizerischen Recht grundsätzlich bloss durch einen beschränkten Vertrauensschutz gekennzeichnet: Dem Vertrauen wird im Ergebnis nicht entsprochen (keine definitive Konsenswirkung im Sinne eines positiven Vertrauensschutzes), sondern der Vertrauende wird – das Verschulden des Partners vorausgesetzt – lediglich so gestellt, als hätte er nicht vertraut (Schadenersatz im Sinne eines negativen Vertrauensschutzes). Soweit es ausnahmsweise im Sinne positiven Vertrauensschutzes zur Vertragswirkung kommt, liegt der materielle Grund zwar im Vertrauensgedanken, die Verantwortlichkeit ist angesichts ihres Autonomiebezugs (das Vertrauen ist auf die Selbstbestimmung des Partners gerichtet) aber dennoch der Vertragshaftung zuzuordnen, so dass von einer „vertraglichen Vertrauenshaftung“ gesprochen werden kann. Sowohl die Verantwortlichkeit bei unrichtigen Aussagen über subjektive Leistungshindernisse als auch die Objektivierung der Vertragshaftung sowie teilweise die Vertragsergänzung im Fall von Regelungslücken sind im Übrigen durch den Vertrauensgedanken bestimmt, ohne dass es sich dabei um eine Vertrauenshaftung handeln würde. 6 4. Für die in § 4 im Zentrum stehende Legitimation der Vertrauenshaftung, welche bei der Ausprägung der gesetzlich geregelten Haftungsbereiche und der Fortentwicklung darüber hinaus zum Tragen kommt, erweist es sich als richtig, eine funktionale Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Die Vertrauenshaftung ist Ausdruck eines Grundsatzes der gesteigerten Verantwortlichkeit bei rechtsgeschäftsbezogenen Sonderverbindungen, der sich aus ihrer doppelten Schutzfunktion ergibt, nämlich dem Individualschutz und dem Institutionsschutz: (1) Die Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr ist für die Beteiligten mit erhöhten Risiken verbunden (z.B. hinsichtlich unrichtiger Annahmen über das Zustandekommen oder Bestehen einer vertraglichen Bindung, unrichtiger Entscheidungsgrundlagen für die eigene rechtsgeschäftliche Disposition oder der Beeinträchtigung der Rechtsgüter bei der Abwicklung des Kontaktes). Führt ein Verkehrsteilnehmer durch Erwecken von Vertrauen eine Risikolage für den Rechtskreis der anderen Partei herbei, hat er dafür rechtliche Verantwortung zu übernehmen: Im Sinne des Individualschutzes sind die Nachteile eines Vertrauensbruchs zu beheben oder auszugleichen. (2) Die Unsicherheitsproblematik bei rechtsgeschäftlichen Kontakten hat aber noch eine überindividuelle Tragweite. Eine effiziente und funktionsfähige Rechtsgeschäftsordnung setzt voraus, dass die Beteiligten ihre Informationslücken nicht in jedem Fall durch Informationsbeschaffung und Absicherung beseitigen, sondern durch Vertrauen als Alternativstrategie zur Komplexitätsreduktion ausgleichen. Im Sinne des überindividuellen Institutionsschutzes kann die Vertrauenshaftung daher zur Optimierung der Institution des Rechtsgeschäftsverkehrs als eines zentralen Bestandteils der Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. – Aus der gesetzlich legitimierten Funktion ergibt sich die Eingrenzung der schützenswerten Sonderverbindungen, welche zu einer Vertrauenshaftung führen können: Erforderlich ist die Teilnahme an einem geschäftlichen bzw. rechtsgeschäftlichen Kontakt. Das schliesst indessen nicht aus, dass gestützt auf andere gesetzliche Wertungen weitere Sonderverbindungen zu einer gesteigerten Verantwortlichkeit führen können. 7 Die funktionale Legitimation stellt aber nicht das einzige Kriterium dar, um den Umfang des rechtlich gebotenen Vertrauensschutzes zu bestimmen. Es sind auch die weiteren im Gesetz angelegten Wertungen sowie die Lösungsmodelle zur Bewältigung von Haftungsfragen zu berücksichtigen, denn die Vertrauenshaftung muss sich in das bestehende (innere) Wertungssytem des Schuldrechts integrieren. Dabei erweist sich die Vertrauenshaftung nur scheinbar als Fremdkörper in der Perspektive des Vertragsrechts. Richtig besehen ist sie durchaus mit der Vertragslehre wie mit dem Prinzip der Privatautonomie vereinbar und dient sogar als dessen notwendige Ergänzung. 8 Gestützt auf diese Erkenntnisse lässt sich die Vertrauenshaftung begrifflich als ein ausservertraglicher Entstehungsgrund von Obligationen wegen Vertrauens bei rechtsgeschäftsbezogener Sonderverbindung bestimmen. Zweiter Teil 9 5. Die wertungskongruente Konkretisierung und Ausdifferenzierung der Vertrauenshaftung ist – nachdem in § 4 einzelne Grundfragen, etwa zur notwendigen Begrenzbarkeit der Haftung, zum Primat des Vertrages für den Erwartungsschutz, zum Umfang der Haftung sowie zur Berücksichtung subjektiver Umstände und Sorgfaltsanforderungen seitens beider Beteiligten geklärt werden konnten – hauptsächlich Aufgabe des Zweiten Teils (§§ 5–16). Dabei wurde im Unterschied zur herkömmlichen Konzeption, welche primär nach Rechtsfolgen und der Stärke des Vertrauenstatbestandes unterscheidet, eine funktionsorientierte Gliederung der Haftungfälle mit fünf Interessenbereichen gewählt: (1) der Bereich der Bindungsinteressen im Hinblick auf den Schutz des Vertrauens in das Bestehen, Entstehen oder Erhalten einer vertraglichen Bindung; (2) der Bereich der Entscheidungsinteressen im Hinblick auf den Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen beim Abschluss eines Geschäfts; (3) der Bereich der (sonstigen) Abwicklungsinteressen im Hinblick auf einen reibungslosen Geschäftsverkehr; (4) der bloss ausnahmsweise zulässige Schutz der Erwartung einer „freiwilligen“ Leistungserbringung; und (5) die Schutzwirkungen zugunsten von Drittpersonen. 10 Das in § 5 untersuchte, praktisch bedeutsamste Anwendungsgebiet des Schutzes der Bindungsinteressen ergibt sich, wenn trotz Abschluss eines Vertrages bloss dem Schein nach eine rechtsgeschäftliche Bindung eintritt. Dabei kann dem Gesetz in mehrfacher Weise eine modellartige Regelung der Vertrauenshaftung entnommen werden, welche durchaus weiterentwickelt und auf andere Bereiche übertragen werden kann. – Eine erste Kategorie stellen die Fälle des fehlenden Bindungswillens (z.B. infolge eines Erklärungsirrtums oder mangelnden Erklärungsbewusstseins) dar. Soweit sich hier eine Vertrauensentsprechung im Sinne positiven Vertrauensschutzes rechtfertigt, kommt es allerdings zur Vertragshaftung („vertragliche Vertrauenshaftung“); das gilt auch für den Sonderfall der Konstitutivwirkung des Schweigens auf ein abweichendes kaufmännisches Bestätigungsschreiben. – Ein breites Anwendungsfeld der Vertrauenshaftung öffnet sich bei Begründung von vertraglichen Ansprüchen durch Drittpersonen. Dazu zählen der Anschein einer Ermächtigung zur Pflichtbegründung in fremdem Namen (Rechtsscheinvollmacht) wie auch der Anschein eines eigenen Verpflichtungswillens des Namensträgers, obwohl tatsächlich ein Dritter gehandelt hat (d.h. das Handeln unter fremdem Namen, welches im Rahmen des elektronischen Geschäftsverkehrs erhöhte Aktualität erhalten hat ). Eine Vertrauenshaftung kann sich aber auch beim Erwerb von früher begründeten Verpflichtungen gegenüber anderen Personen ergeben, wenn die Verpflichtung nur scheinbar besteht oder nur scheinbar übertragen werden kann. Diese Kategorie umfasst nicht nur den Schutz des Erwerbers im Zessionsrecht, sondern auch den Schutz beim Erwerb von Wertpapieren mit öffentlichem Glauben. Eine weitere Kategorie der Vertrauenshaftung mit Drittbezug ergibt sich bei vertraglicher Begründung von Ansprüchen zugunsten von Dritten. Für die Ausgestaltung der Verantwortlichkeit müssen die Erkenntnisse zum Vertrauensschutz bei der Vertragshaftung herangezogen werden. So erweist sich der positive Vertrauensschutz grundsätzlich nicht mehr als gerechtfertigt, wenn die Kundgabe der (scheinbaren) Rechtslage ohne Erklärungsbewusstsein erfolgte. Ausnahmen können sich aber bei gesteigerten Verkehrsschutzinteressen ergeben. Diese sind auch in sonstiger Hinsicht für den Vertrauensschutz häufig bestimmend. So werden etwa im Bereich der umlauffähigen Wertpapiere Einreden auch inhaltlicher Art ausgeschlossen, welche bei der Zession gewöhnlicher Forderungen erhalten bleiben. – Haftungsauslösend kann sodann der Anschein einer gegenüber dem Partner gültig begründeten Verpflichtung sein, welche tatsächlich aber wegen Formmangels, Handlungsunfähigkeit oder aus anderen Gründen ungültig ist. Wiederum kommt neben dem negativen Vertrauensschutz auch eine weitergehende Verantwortlichkeit in Frage, insbesondere bei absichtlich täuschendem Verhalten oder wenn die Vertrauensdispositionen zu einer geradezu irreversiblen Lage geführt haben. 11 Abgesehen von weiteren Fällen der Verantwortlichkeit der Person, welche als Partner des geschlossenen Vertrages oder als Schuldner des erworbenen Anspruchs erscheinen, wurde in § 5 auch die Haftung von Drittpersonen untersucht, die lediglich bei der Begründung der scheinbaren Ansprüche mitgewirkt haben und das Vertrauen in das Bestehen der Bindung förderten. Dabei erweist sich die Verantwortlichkeit des falsus procurator gemäss Art. 39 OR als gesetzliches Haftungsmodell auch für weitere Konstellationen, wobei allerdings die kausale Haftung gemäss Absatz 1 sowie der gänzliche Haftungsausschluss bei eigener Unsorgfalt des Vertrauenden aufgrund ihrer Systemwidrigkeit einschränkend anzuwenden sind. 12 6. Wer ohne Vorbehalte Vertragsverhandlungen führt, weckt oder bestärkt beim Verhandlungspartner Erwartungen. Dieser wird regelmässig darauf vertrauen, dass ein seinen Vorstellungen entsprechender Vertrag zustande kommt oder zumindest ernsthafte Chancen dazu bestehen. Waren die Erwartungen zum damaligen Zeitpunkt ungerechtfertigt, weil etwa gar keine Bereitschaft zum Vertragsschluss vorhanden war, rechtfertigt sich gemäss den Untersuchungen in § 6 bei schuldhaftem Verhalten eine Haftung. Nur ausnahmsweise fällt zudem eine Verantwortlichkeit in Betracht, wenn die Erwartungen dadurch enttäuscht werden, dass der Verhandelnde später seine Meinung ändert und vom Vertragsschluss Abstand nimmt. Im Unterschied zu den bisher behandelten Fällen der Vertrauenshaftung wird hier nicht das Vertrauen in eine gegenwärtige Informationslage, sondern lediglich in ein zukünftiges Verhalten enttäuscht. Für einzelne Fälle ist ein Schutz dieser (zukunftsgerichteten) Erwartung gesetzlich geregelt. Im Übrigen setzt er voraus, dass der Vertragsschluss geradezu als sicher hingestellt wird. – In beiden Haftungsvarianten ist positiver Vertrauensschutz ausgeschlossen, würde ansonsten doch die Abschlussfreiheit als besondere Ausprägung der Privatautonomie untergraben. Wer weiss, dass ein bindender Vertrag gerade noch nicht geschlossen ist, sondern erst zur Diskussion steht, ist nicht berechtigt, auf umfassenden Schutz seiner Dispositionen zu vertrauen. 13 7. Kurz eingegangen wurde in § 7 auf den Schutz des Vertrauens in das Erhalten einer vertraglichen Bindung, wobei sich auch in Bezug auf den Anwendungsfall der Kündigung des Auftrages zur Unzeit gemäss Art. 404 OR zeigte, dass eine vertragliche Verantwortlichkeit vorliegt. 14 8. Soweit es um die Haftung für die Beeinträchtigung an einer richtigen und vollständigen Grundlage für rechtsgeschäftliche Entscheidungen, d.h. um den Schutz der Entscheidungsinteressen geht, können drei Stufen der Verantwortlichkeit unterschieden werden: die Verantwortlichkeit für fehlerhafte Information, die Verantwortlichkeit für unterlassene Aufklärung sowie – unter beiden Aspekten – die Verantwortlichkeit eines nicht als (angehender) Partner am Geschäft beteiligten Dritten. 15 In Bezug auf die in § 8 untersuchte Vertrauenshaftung des Partners, welche von der vertraglichen Informationsverantwortlichkeit abzugrenzen ist, bietet die Feststellung der Pflichtwidrigkeit bei fehlerhaften Angaben wenig Schwierigkeiten. Heikle Fragen können sich dagegen im Zusammenhang mit den Haftungsfolgen ergeben, wobei im schweizerischen Recht eine Lösung von der vertraglichen Bindung ausserhalb der gesetzlichen Regelung über die Willensmängel in Art. 23 ff. OR nicht erforderlich und zulässig ist. – Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei unterlassener Information bedarf es demgegenüber einer besonderen Begründung. Ausgehend von der französischen Lehre können vier Kriterien für die Festlegung einer Aufklärungspflicht bestimmt werden: (1) die Wesentlichkeit der Information und (2) die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen der aufklärungspflichtigen Tatsache; vor allem aber auch (3) die Unzumutbarkeit der Selbstinformation im Sinne eines berechtigten Informationsbedarfs sowie (4) das Fehlen eines Geheimhaltungsgrundes. Im Erfordernis des berechtigten Informationsbedarfs kommt das Prinzip der Selbstverantwortung bei rechtsgeschäftlichen Entscheidungen zum Ausdruck. Der Bedarf ist insbesondere gegeben, wenn einer Partei weder zumutbar ist, durch Fragen die Entscheidungsgrundlagen zu beschaffen, noch sich anderweitig sachkundig zu machen, oder wenn besondere Gründe zum Vertrauen auf die notwendige Aufklärung durch den Partner vorliegen. 16 9. In Bezug auf die in § 9 behandelte Verantwortlichkeit von Drittpersonen für unrichtige oder unvollständige Entscheidungsgrundlagen ist für die Begründung der zur Loyalität verpflichtenden Sonderverbindung und die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf ein funktionales Verständnis der Vertrauenshaftung abzustellen. Es kann an mehrere Kriterien angeknüpft werden, wozu die Einflussnahme des Informanten auf das fragliche Geschäft (verstanden in einem weiten, wirtschaftlichen Sinn), seine über die Gehilfenrolle hinausgehende Stellung sowie die qualifizierte Wissenslage zu zählen sind. Das Vertrauen einer Partei erweist sich aber nicht mehr als schutzwürdig, soweit sie allfällige verantwortlichkeitsbegrenzende Umstände wie etwa den ursprünglich ins Auge gefassten Verwendungszweck der Information kennt oder kennen muss. Vom Vertrauensschutz muss auch insoweit abgesehen werden, als der objektive Anschein dem Informanten nicht mehr zurechenbar ist, wenn der Dritte also insbesondere die ihm objektiv betrachtet zukommende Rolle bei der Entscheidungsfindung nicht erkennen kann oder vorhersehen konnte. Der Dritte muss somit nicht unbegrenzt das Risiko einer missbräuchlichen oder zumindest den ursprünglichen Vorstellungen nicht entsprechenden Verwendung der von ihm ausgehenden Information tragen. 17 In Betracht fällt neben (1) der Haftung von Organen oder Stellvertretern, (2) Abschlussgehilfen, Gewährspersonen und anderen Beteiligten aus dem Kreis der Geschäftspartei (z.B. im Rahmen der Prospekthaftung), welche auch bloss im Hintergrund mitwirken können, (3) sowie Geschäftsvermittlern vor allem (4) die Verantwortlichkeit von Experten und Berichterstattern. Dabei ist ein direkter oder persönlicher Kontakt nicht erforderlich. Die Information muss aber objektiv betrachtet für den Informationsverwender bestimmt, d.h. auf weitere Verwendung „gerichtet“ sein. Zudem entfällt die Haftung in der Regel, wenn die Information nicht für ein bestimmtes Projekt, sondern lediglich gestützt auf eine gesetzliche Informationspflicht erfolgt. Daraus folgt, dass sich eine Verantwortlichkeit von Wirtschaftsprüfern für Pflichtprüfungen sowie von Emittenten aus börsenrechtlichen Publizitätspflichten grundsätzlich nicht auf die Vertrauenshaftung stützen lässt. (5) Eine (umfangmässig beschränkte) Haftung kann sich demgegenüber aus dem erweckten Anschein einer Organschaft, z.B. in Konzernverhältnissen, ergeben. 18 Zudem gelangt unter Umständen auch eine Drittverantwortlichkeit aus unterlassener Aufklärung zur Anwendung, z.B. wenn der Dritte im Sinne einer Patronatserklärung – aber nicht rechtsgeschäftlich bindend – zusagt, für die korrekte Erfüllung oder Abwicklung eines Geschäfts zu sorgen. 19 10. Die Abwicklung von rechtsgeschäftlichen Kontakten ist regelmässig verbunden mit der Öffnung des eigenen Rechtskreises und daher mit der Gefährdung eigener Interessen. Das Vertrauen des Betroffenen, dass die Integrität seines Rechtskreises gewahrt bleibe, ist erwünscht, erleichtert es doch die Aufnahme und die Durchführung des rechtsgeschäftlichen Kontakts und vermeidet ineffiziente Bemühungen zur Absicherung der eigenen Sphäre. Daher rechtfertigt sich, den Bereich der Loyalitätspflicht auszudehnen auf den in § 10 untersuchten Schutz der sonstigen Abwicklungsinteressen und die Abwicklung von geschäftlichen Beziehungen vom Zeitpunkt ihrer Anbahnung bis zu ihrer Beendigung oder allenfalls darüber hinaus. Darunter fällt auch die schon in einem frühen Zeitpunkt bedeutsame Sicherheit der Geschäftsräumlichkeiten (z.B. in einem Warenhaus). Nachdem ein Vertrag zustande gekommen ist, begründet die Verletzung entsprechender Loyalitätspflichten ebenfalls eine (ausservertragliche) Vertrauenshaftung und keine vertragliche Verantwortlichkeit. Geschützt sind im Übrigen nicht nur die absoluten Rechtsgüter, sondern etwa auch die Vertraulichkeit oder weitere Vermögensinteressen. 20 11. Auch eine Haftung von Drittpersonen für die Beeinträchtigung der Abwicklungsinteressen kommt gemäss den Untersuchungen in § 11 in Betracht, wenn sie das Vertrauen in Anspruch nehmen, für eine integritätswahrende Abwicklung des geschäftlichen Kontakts zu sorgen und dadurch die Partei zur Öffnung des Rechtskreises veranlassen. Dies kann etwa bei aufgegliederten Leistungsbeziehungen (Produkteherstellung und -absatz oder Zahlungsverkehr) sowie bei einem vereinheitlichten Marktauftritt zum Tragen kommen. 21 12. Nur unter ganz besonderen Umständen ist es gerechtfertigt, auf eine – nicht vertraglich abgesicherte und insofern – „freiwillige“ Leistungserbringung zu vertrauen. Denn der Schutz einer derartigen Erwartung steht in ausgeprägtem Widerspruch zu dem das Schuldrecht beherrschenden Prinzip der Selbstbestimmung. Ein unzulässiger Wertungswiderspruch kann aber ausnahmsweise entfallen: Für die in § 12 behandelte Fallgruppe des ungültigen Vertragsschlusses, insbesondere des formungültigen Vertrages, kommt dies hauptsächlich in Betracht, (1) wenn die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie gestört sind, (2) wenn der Normzweck der Nichtigkeitsvorschrift bloss in beschränktem Masse beeinträchtigt wird oder (3) wenn der Vertrauensbruch bereits vorgängig beabsichtigt ist. Eine Störung der Voraussetzungen privatautonomen Handelns kann sich z.B. daraus ergeben, dass der Partner unter Ausnutzung seiner ausgeprägten Machtstellung die andere Partei davon abhält, die Einhaltung der vorgeschriebenen Form für das Geschäft durchzusetzen. Und der Formzweck ist nur beschränkt beeinträchtigt, wenn eine Partei, z.B. das Gemeinwesen, typischerweise weniger schutzbedürftig ist, oder wenn die im Vordergrund stehenden Erfüllungshandlungen bereits erbracht sind. – Über den negativen Vertrauensschutz hinausgehende Ansprüche setzen dabei den Eintritt einer irreversiblen Lage voraus, z.B. weil sich der Vertrauende auf die Erfüllung des Versprechens eingerichtet hat und die Rückabwicklung für ihn mit unzumutbaren Konsequenzen verbunden wäre, oder weil er einen Vorteil erlangt hat, den er nicht mehr herausgeben muss. Soweit dem Vertrauen durch einen Erfüllungsanspruch zu entsprechen ist, sollte im Übrigen nicht auf die (ausservertragliche) Vertrauenshaftung zurückgegriffen werden. Die Verantwortlichkeit lässt sich über eine teleologische Reduktion der Unwirksamkeitsnorm auch mit dem Instrumentarium der Vertragshaftung begründen. (.....) Dritter Teil und Schluss 27 17. Während im Zweiten Teil untersucht worden war, in welchen Interessenbereichen und in welchem Ausmass Loyalitätspflichten und eine Haftung wegen Vertrauens nach den Wertungen der Rechtsordnung gerechtfertigt sind, blieb im Dritten Teil die dogmatische Einordnung der Verantwortlichkeit im schweizerischen Schuldrecht zu klären. Es geht mit anderen Worten darum, das massgebliche Gefäss für die Vertrauenshaftung zu bestimmen. Diese Frage konnte bisher offen bleiben – mit der Einschränkung, dass es sich um einen ausservertraglichen Haftungsgrund handle –, weil sich die materielle Legitimation der Vertrauenshaftung nicht aus dem dogmatischen Rechtsgrund ergibt, sondern vielmehr das rechtliche Gefäss den Anforderungen einer gerechtfertigten Verantwortlichkeit aus Vertrauen zu genügen und zu folgen hat. 28 Aus den in § 17 rekapitulierten Erörterungen zum Verhältnis von Vertrauenshaftung und Vertragshaftung ergibt sich, dass angesichts der Bedeutung des Vertrauensgedankens für die rechtsgeschäftliche Verantwortlichkeit in materieller Hinsicht teilweise geradezu von einer „vertraglichen Vertrauenshaftung“ gesprochen werden kann. Aufgrund des Autonomiebezugs der Vertragshaftung ist diese aber vom Rechtsinstitut der Vertrauenshaftung abzugrenzen. Weder ist die Vertragshaftung in die Vertrauenshaftung zu integrieren, noch lässt sich diese durch die Rechtsgeschäftslehre erklären. Vielmehr schliessen sich Vertragshaftung und Vertrauenshaftung grundsätzlich gegenseitig aus, wobei diese als subsidiärer Haftungsgrund nur zum Tragen kommt, soweit sich eine Verantwortlichkeit nicht rechtsgeschäftlich begründen lässt. 29 18. In § 18 wurde untersucht, ob die Erscheinungsformen der Vertrauenshaftung gesamthaft oder zumindest teilweise deliktsrechtlich erklärbar sind oder ob die Annahme eines anderen Haftungsgrundes notwendig ist. Dabei erweist sich das Deliktsrecht grundsätzlich zwar als mögliches Instrument, um die Vertrauenshaftungfälle zu erfassen, lässt sich doch die Verletzung der Loyalitätspflicht unabhängig von der zugrunde gelegten Rechtswidrigkeitskonzeption als rechtswidriges Verhalten auffassen. Die Haftungsordnung des schweizerischen Deliktsrechts kann aber in wichtigen Aspekten (insbesondere hinsichtlich der Einstandspflicht für Hilfspersonen, der Beweislast für das Verschulden sowie der Verjährung) angemessene Ergebnisse, welche die berechtigen Interessen des Vertrauenden wahren, nicht gewährleisten. Damit besteht Bedarf für ein anderes rechtliches Gefäss, das die massgeblichen Wertungen für eine Haftung wegen Vertrauens in rechtsgeschäftsbezogenen Sonderverbindungen zur Geltung bringen kann und eine vertragsähnliche, verschärfte Haftungsordnung ermöglicht. 30 19. Dazu ist auf die rechtliche Kategorie des gesetzlichen Schuldverhältnisses zurückzugreifen: Die Vertrauenshaftung kann als Sanktion der Nichterfüllung einer gesetzlichen Loyalitätsobligation aufgefasst werden, deren Struktur, Entstehung und Verletzung in § 19 eingehend erörtert wurden. 31 Das gesetzliche Schuldverhältnis, durch welches die an einer Sonderverbindung Beteiligten verbunden sind, stellt eine ausserhalb der gesetzlich geregelten Entstehungsgründe liegende, aber zulässige Kategorie von Obligationen dar. Die Loyalitätspflicht ist deshalb als gesetzliche Obligation aufzufassen. Sie beinhaltet in ihrem Kern, auf die Interessen des Partners Rücksicht zu nehmen, anstatt nur nach dem eigenen Vorteil zu trachen. Ihr Entstehen setzt den Eintritt in die Sonderverbindung sowie das Erwecken von berechtigtem Vertrauen voraus, wobei letzteres eine differenzierende Betrachtung zum Vertrauenstatbestand, zur Eigenvorsicht des Vertrauenden, zu den Anforderungen an das Vertrauen selber sowie zu dessen Zusammenhang mit dem Vertrauenstatbestand erfordert. Angesichts der über die blosse Deliktshaftung hinausgehenden Verantwortlichkeit ist zudem die Handlungsfähigkeit des in Anspruch Genommenen notwendig. Die relevanten Handlungen müssen aber weder bewusst noch persönlich vorgenommen werden; vielmehr können auch Gehilfen bei der Begründung der Sonderverbindung mitwirken. 32 Die Loyalitätsobligation ist die Basis jeder Vertrauenshaftung, bestehe sie im negativen oder im positiven Vertrauensschutz: Wird der Loyalitätspflicht nicht entsprochen, kommt es zur Haftung. Diese Leistungsstörung durch Enttäuschung von schützenswertem Vertrauen untersteht grundsätzlich den gewöhnlichen Bestimmungen über die Verantwortlichkeit aus Obligationen – die Schaffung einer „dritten“, im Gesetz nicht vorgesehenen Haftungskategorie neben der Deliktshaftung und der Haftung aus Obligationen ist nicht erforderlich – und wird deshalb im Regelfall vom Verschuldensprinzip beherrscht. Ausnahmsweise und für bestimmte Aspekte kommt aber auch eine verschärfte Verantwortlichkeit im Sinne des Risikoprinzips zum Tragen. Die Bestimmung von Art und Umfang der Rechtsfolgen innerhalb des Spektrums von positivem und negativem Schutz ist eine Frage des angemessenen und wertungskohärenten Vertrauensschutzes. Dabei werden die einzelnen Haftungsfälle und ihre Schutzintensität letztlich vor allem durch drei Elemente bestimmt, nämlich das Verkehrsschutzelement, das Zurechungselement sowie das Vertrauenselement, welche verschiedene Ausprägungen kennen und sich gegenseitig ergänzen können. Eine Entlastung von der Haftung gelangt unter Umständen durch Verjährung oder Freizeichnung zur Anwendung. 33 Im Verhältnis zur Deliktshaftung besteht grundsätzlich Anspruchskonkurrenz, wobei der deliktische Anspruch ausser bei fehlender Handlungsfähigkeit kaum praktische Relevanz hat. Im Verhältnis zur Vertragshaftung ist die Vertrauenshaftung zwar subsidiär, kann aber im Sinne eines einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnisses auch nach Vertragsschluss zum Tragen kommen. – Die Stellung der Rechtsgrundlage der Vertrauenshaftung zwischen der Vertrags- und der Deliktshaftung erfordert schliesslich besondere Abklärungen zur Anspruchsdurchsetzung unter dem Gesichtspunkt der (nationalen und internationalen) gerichtlichen Zuständigkeit sowie des anwendbaren Rechts (IPR-Problematik). 34 20. In einer abschliessenden Würdigung (§ 20) konnte festgestellt werden, dass die Vertrauenshaftung eine Ergänzungsfunktion gegenüber der Privatautonomie wahrnimmt, indem sie um den Bereich der Rechtsgeschäfte eine Sicherheitszone mit Loyalitätspflichten legt und dadurch die Entfaltung des privatautonomen Handelns fördert sowie zu seinem effizienten Einsatz beiträgt. Angesichts dieser funktionalen Legitimation der Vertrauenshaftung, welche das Vertrauen nicht nur als Anknüpfungspunkt der Verantwortlichkeit, sondern auch als Ziel ins Blickfeld rückt, werden die teilweise erhobenen Vorwürfe der „Ubiquität“ des Vertrauensgedankens im Schuldrecht sowie des „Zirkelschlusses“ bei der Haftungsbegründung entkräftet. Die differenzierende und an den gesetzlichen Wertungen orientierte Herausbildung von Haftungstatbeständen im Zweiten Teil (§§ 5–16) macht zudem deutlich, dass die Vertrauenshaftung durchaus dogmatische Operationalität aufweist und kein unkonturiertes Haftungsinstrument darstellt.