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Interaktive Beziehungsmuster und ihre Bedeutung für psychotherapeutische Veränderungen

Ref. 3714

Allgemeine Beschreibung

Periode

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Geographischer Raum

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Zusätzliche geographische Informationen

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Kurzbeschreibung

Das Projekt untersucht kognitiv-affektive Regulierungsprozesse in psychotherapeutischen Interaktionen anhand von Videoaufnahmen. Es werden Modellvorstellungen, Methoden und Erfahrungen aus der Emotionspsychologie, der Psychoanalyse, der Interaktionsforschung und der Cognitive Science integriert. Von besonderer Bedeutung ist die Erforschung affektiver Prozesse. Anhand differenzierter Analysen von Einzelfällen werden Zusammenhänge untersucht zwischen Beziehungsmustern, welche Klienten berichten, und solchen, die unmittelbar mit dem Therapeuten inszeniert werden. Das Ziel des Projekts besteht darin, Veränderungen der untersuchten interaktiven Muster im Verlauf des therapeutischen Prozesses zu analysieren und die Ursachen für diese Veränderungen zu verstehen. Der Forschungsansatz kombiniert mikroanalytische kombiniert Methoden zur Untersuchung von verbalen und nonverbalen Daten (Frames; FACS).

Resultate

Das Projekt untersucht kognitiv-affektive Regulierungsprozesse in psychotherapeutischen Interaktionen anhand von Videoaufnahmen. Im Zentrum eines ersten Projektteils stand die Frage, welche Beziehungsmuster sich im Kontext von intrapsychischen Konflikten, die zu Schuldgefühlen führen, in der Beziehung zwischen Klient und Therapeut "inszenieren". Diese interaktiven Beziehungsmuster, die einige Sekunden bis wenige Minuten dauern, sind Elemente spezifischer Rollenangebote des Klienten an den Therapeuten, die durch spezifische verbale und nonverbale Verhaltensweisen (sog. traps und sog. prototypische affektive Mikrosequenzen (PAMs)) gekennzeichnet sind. Diese fordern den Therapeuten zu bestimmten, z.B. bestätigenden Kommentaren oder zu einem Lächeln oder Lachen heraus und haben die Funktion, eine Konfliktreaktivierung zu vermeiden oder zu kontrollieren. In Form einer detaillierten Einzelfallanalyse wurden verschiedene Typen solcher Rollenangebote unterschieden (z.B. gelingende vs. nicht-gelingende traps und PAMs), chicken traps, legitimation traps, self-accusation traps) und deren Funktion für die Affektregulierung in der psychotherapeutischen Interaktion beschrieben. Die Analyse weiterer therapeutischer Dyaden zeigte, dass Struktur und Funktion solcher Rollenangebote bei verschiedenen Paaren Gemeinsamkeiten aufweisen, die von einem Klienten inszenierten Rollenangebote an den Therapeuten jedoch individuell geprägt sind. In einem zweiten Schritt wurde der Frage nachgegangen, welche Reaktionen der Therapeutin auf traps und PAMs während eines erfolgreichen Therapieverlaufs beobachtet werden können. Die Mikroanalysen zeigen, dass produktive Phasen durch das Auftreten nicht-erfolgreicher traps gekennzeichnet sind. Indem die Therapeutin in solchen Sequenzen die von der Klientin gewünschte Rollenangebote nicht annimmt, bleibt die Konfliktspannung bestehen und es wird möglich, die Schuldgefühle auslösenden Konflikte der Klientin zu thematisieren und zu bearbeiten. Die nonverbalen Reaktionen der Therapeutin auf PAMs hingegen zeigen eine grössere Variabilität. Neben nicht-erfolgreichen treten auch gelingende PAMs mit gemeinsamem Lächeln und Lachen von Klientin und Therapeutin auf, allerdings ausschliesslich dann, wenn die interaktiven Angebote der Klientin unabhängig vom thematisierten Konflikt inszeniert werden. In diesen Fällen wird der Aufrechterhaltung der therapeutischen Arbeitsbeziehung Priorität eingeräumt, ohne dass damit der von der Klientin in Form von traps interaktiv inszenierte Widerstand von der Therapeutin unterstützt würde. Unsere Analysen machen deutlich, dass die untersuchten therapeutischen Beziehungsprozesse im Gegensatz zu Alltagsinteraktionen durch spezifisches professionelles Verhalten charakterisiert sind. Dieses scheint jedoch, zumindest in den untersuchten psychoanalytischen Therapien, nicht als bewusst verfolgte Handlungsstrategien implementiert zu sein, sondern als eine Art (selbst-)reflexive Haltung, mit welcher ein gut ausgebildeter Therapeut den emotionalen Prozessen seines Klienten und seiner selbst begegnet. Das Ziel unseres Ansatzes ist es, diese meist unbewusst ablaufenden Prozesse besser zu verstehen, zu explizieren und damit dem Praktiker neue Konzepte zur Verfügung zu stellen, die ihm helfen, diese Phänomene besser zu fassen und in seine Arbeit zu integrieren. Präzise Beschreibungen therapeutischen Handelns, welche von beobachtbaren Phänomenen der therapeutischen Interaktion ausgehen, sind nicht zuletzt auch für die psychotherapeutische Ausbildung von Bedeutung. So können sie die Verständigung zwischen Therapeuten, etwa in der Supervision, erleichtern, indem genauer erfasst wird, auf welche Verhaltensweisen von Therapeut und Klient sich ein Analytiker bezieht, wenn er zum Beispiel von Übertragungswiderstand spricht. Videogestützte Verfahren können auch zu einer vertiefteren Reflexion des eigenen Handelns, Wirkens und Interagierens beitragen, als dies allein aufgrund mündlicher, retrospektiver Berichte möglich ist.