Wandel der Familiengrösse, sozialstrukturelle, -räumliche und ehebiographische Faktoren der Kinderzahl in der Schweiz

Ref. 2196

Allgemeine Beschreibung

Periode

Ca. 1950 bis 1990

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz

Kurzbeschreibung

Zum einen wurden populäre zeitdiagnostische Annahmen über Aspekte des aktuellen familialen Wandels ("neue" Kinderlosigkeit, geschwisterloses Aufwachsen, Polarisierung der Familiengrösse in kinderlose/-arme und kinderreiche Familien, Entkoppelung von Ehe und Elternschaft, kindbezogene Heirat) mit der geburts- und heiratskohortenspezifischen Entwicklung der endgültigen Kinderzahl und des zeitlichen Zusammenhangs von Eheschliessung und Familiengründung in der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland verglichen. Zum anderen wurde das generative Verhalten der meisten Ehepaare des schweizerischen Heiratsjahrgangs 1980 sehr differenziert im Hinblick auf sozialstrukturelle, sozialräumliche und ehebiographische Einflüsse untersucht. Die endgültige Kinderzahl eines Ehepaars wird dabei als Ergebnis eines sequentiellen Prozesses der Gründung und schrittweisen Erweiterung einer Familie angesehen, d. h. dass sich die Bedingungen, unter denen Ehepaare ein erstes, zweites oder drittes Kind bekommen, voneinander unterscheiden. Stärke und Richtung des Einflusses soziodemographischer Faktoren können deshalb ebenfalls variieren, neue Bestimmungsgründe hinzutreten, andere wegfallen, Merkmale sich ändern. Aufgrund dieser Dynamik wurden – über die Analyse der mittleren Kinderzahl nach knapp zehn Ehejahren hinausgehend – die einzelnen Geburtenintervalle getrennt untersucht und aufeinander bezogen.

Resultate

Der Anteil kinderlos bleibender Frauen hat in der Schweiz, bereits beginnend mit den nach 1940 geborenen Frauen, stärker zugenommen als in ihren Nachbarländern (mit Ausnahme des ebenfalls stärkeren Anstiegs in der Bundesrepublik Deutschland): Von den jetzt etwas über Vierzigjährigen wird rund ein Fünftel kinderlos bleiben. Es gibt bislang keinen Trend zur Ein-Kind-Familie. Der Wahrscheinlichkeitsrückgang, nach dem zweiten noch ein drittes Kind zu bekommen, ist mittlerweile fast gestoppt; die Mitte der 80er Jahre geschlossenen Ehen haben sogar wieder etwas häufiger drei und mehr Kinder als vorhergehende Heiratsjahrgänge. Bei einer leichten Tendenz zur kindbezogenen Heirat sind Eheschliessung und Familiengründung immer noch eng verkoppelt. Stärker als vom Ausbildungsniveau hängt die eheliche Fertilität vom sozioökonomischen Status des Mannes und der Branchenzugehörigkeit des Berufs der Frau ab: Sowohl eine hohe als auch niedrige berufliche Position des Mannes (ausserhalb der Landwirtschaft) geht mit einer geringeren Kinderzahl einher; Landwirtsehen sind immer noch ausgesprochen kinderreich. Die Ehen von Frauen mit pädagogischen (Lehrerinnen, Erzieherinnen) oder Semiprofessionsberufen (v.a. Krankenschwestern und Hebammen) neigen stärker als andere zu drei und mehr Kindern und bleiben seltener kinderlos. Auch unter Kontrolle von Alter, Beruf und Konfession der Ehegatten (die nurmehr im Falle des Kirchenaustritts von Bedeutung ist) bleiben deutliche sozialräumliche Fertilitätsunterschiede bestehen. Diese kommen zustande durch ein Zusammenspiel - kultureller Eigenheiten der drei grossen Sprachräume und einzelner Landesteile (kulturräumlicher Effekt), - der Wirtschafts-, Siedlungs- und Infrastruktur des Wohnorts (raumstruktureller Effekt) und - der selektiven Migration. Das – weitere – generative Verhalten der Ehepaare hängt ausserdem von den Umständen, unter denen sie sich zur Heirat entschlossen haben, und dem Geschlecht ihrer bereits geborenen Kinder ab: Jene, die erst kurz vor oder nach der Geburt ihres ersten Kindes heiraten, bekommen seltener ein zweites oder drittes Kind, und nur wenn die ersten beiden Kinder ausschliesslich Mädchen sind, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit für ein drittes Kind.