Die über Jahrhunderte gewachsene Gemeinschaft der Jenischen in Europa befindet sich zur Zeit in einer religiösen Umbruchsituation, die soziale Veränderungen nach sich zieht. Die Jenischen waren – ähnlich wie die Roma – als „Fahrende“ oder „Heimatlose“ in der Vergangenheit von der religiösen Praxis der katholischen und protestantischen Pfarrgemeinden weitgehend ausgegrenzt. Mitte des 20. Jahrhunderts begann jedoch mit der in Frankreich begründeten Pfingstgemeinde „vie et lumière“ die Mission der Roma und seit ca. 30 Jahren auch der Jenischen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Die katholische Seelsorge reagierte erst jüngst auf diese Entwicklung mit eigenen Angeboten an die Jenischen. Die religiöse Pluralisierung und Neuorientierung stellt eine Herausforderung für die Identität der jenischen Gemeinschaft dar, die bisher vor allem auf den engen Verwandtschaftsbeziehungen beruhte. Das Projekt will vordringlich die sozialen Dynamiken dieses rezenten religiösen Wandels unter den Jenischen beider Konfessionen in der Schweiz und im grenznahen Süddeutschland und Ostfrankreich erfassen und soziale Konfliktfelder identifizieren. Das Forschungsprojekt gliedert sich in einen zeitgeschichtlichen und einen gegenwartsorientierten Zugang. Es ist als qualitativ-empirische Studie unter einer religionswissenschaftlichen und sozialanthropologischen Perspektive konzipiert. Es basiert methodisch auf narratologischen Ansätzen der Biographieforschung, die mit Netzwerkanalysen verbunden werden, um die sozialen Dynamiken in den Beziehungen der Jenischen nach innen und aussen erfassen zu können. Neben theoretischen Einsichten in die Genese von religiösen Gemeinschaftsformen und in ritualdynamische Prozesse hoffen wir auch, mit Kenntnis der religiösen Beziehungsstrukturen der Jenischen der raumplanerischen Arbeit in der Schweiz bessere Grundlagen vermitteln zu können.