Laut EU-Kommission kommt den zahlenmässig stetig zunehmenden Europäischen Betriebsräten (EBR) in multinationalen Unternehmen eine Schlüsselrolle bei der sozialen Bewältigung des wirtschaftlichen Wandels zu. Die 1994 verabschiedete und 2009 revidierte EU-Richtlinie „über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen“, wonach Unternehmen mit mindestens 1'000 Beschäftigten in der EU und mit jeweils mindestens 150 Beschäftigten in mindestens zwei Mitgliedstaaten verpflichtet werden, einen EBR als Gremium der Arbeitnehmermitwirkung auf Konzernebene einzurichten, betreffen direkt auch das Nicht-EU-Mitgliedsland Schweiz, allerdings in unbekanntem Ausmass: Weder die Anzahl Schweizer Unternehmen mit einem EBR ist gesichert noch ist die Anzahl der Fälle bekannt, in denen die Arbeitnehmer schweizerischer Niederlassungen ausländischer Konzerne an EBR-gestützten Prozessen teilnehmen. Schätzungen gehen von 70 insgesamt von der Richtlinie betroffenen Unternehmen mit Hauptsitz oder Niederlassung in der Schweiz aus. In Schweizer Arbeitgeberkreisen dominieren Befürchtungen hinsichtlich einer “Systemveränderung durch die Hintertür”, während Arbeitnehmervertreter in der Schweiz EBR eher als nützlich für ihre Tätigkeit einschätzen. Das Projekt füllt mit einer empirischen Bestandesaufnahme der EBR mit schweizerischer Beteiligung eine von verschiedener Seite (Forschung wie politische und legislative Praxis) bemängelte Informationslücke. Mittels der Auswertung von europäischen Datenbanken und Experteninterviews (Unternehmens-, Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter) soll eine aktuelle Bestandesaufnahme der EBR mit Schweiz-Bezug erstellt und darauf aufbauend eine Typologie des Einbezugs von Schweizer Arbeitnehmern entwickelt werden. Mittels 15 Fallstudien von Unternehmen mit EBR und Schweizer Beteiligung soll untersucht werden, ob sich die Handlungsfelder des Managements und/oder der Arbeitnehmer und Gewerkschaften im Zusammenhang mit EBR signifikant verändert haben, was nicht nur relevant ist für die Forschung zu den Arbeitsbeziehungen in der Schweiz, sondern auch für die Diskussion um eine "Europäisierung der Arbeitsbeziehungen" und um die Mitwirkungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern in transnationalen Unternehmen allgemein.