Europäisierung der Arbeitsbeziehungen ohne EU-Beitritt? Die Bedeutung Europäischer Betriebsräte (EBR) für Arbeitnehmer in der Schweiz

Ref. 11728

Allgemeine Beschreibung

Periode

ca. 1996 bis 2013 bzw. 2014

Geographischer Raum

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Zusätzliche geographische Informationen

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Kurzbeschreibung

Laut EU-Kommission kommt den zahlenmässig stetig zunehmenden Europäischen Betriebsräten (EBR) in multinationalen Unternehmen eine Schlüsselrolle bei der sozialen Bewältigung des wirtschaftlichen Wandels zu. Die 1994 verabschiedete und 2009 revidierte EU-Richtlinie „über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen“, wonach Unternehmen mit mindestens 1'000 Beschäftigten in der EU und mit jeweils mindestens 150 Beschäftigten in mindestens zwei Mitgliedstaaten verpflichtet werden, einen EBR als Gremium der Arbeitnehmermitwirkung auf Konzernebene einzurichten, betreffen direkt auch das Nicht-EU-Mitgliedsland Schweiz, allerdings in unbekanntem Ausmass: Weder die Anzahl Schweizer Unternehmen mit einem EBR ist gesichert noch ist die Anzahl der Fälle bekannt, in denen die Arbeitnehmer schweizerischer Niederlassungen ausländischer Konzerne an EBR-gestützten Prozessen teilnehmen. Schätzungen gehen von 70 insgesamt von der Richtlinie betroffenen Unternehmen mit Hauptsitz oder Niederlassung in der Schweiz aus. In Schweizer Arbeitgeberkreisen dominieren Befürchtungen hinsichtlich einer “Systemveränderung durch die Hintertür”, während Arbeitnehmervertreter in der Schweiz EBR eher als nützlich für ihre Tätigkeit einschätzen. Das Projekt füllt mit einer empirischen Bestandesaufnahme der EBR mit schweizerischer Beteiligung eine von verschiedener Seite (Forschung wie politische und legislative Praxis) bemängelte Informationslücke. Mittels der Auswertung von europäischen Datenbanken und Experteninterviews (Unternehmens-, Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter) soll eine aktuelle Bestandesaufnahme der EBR mit Schweiz-Bezug erstellt und darauf aufbauend eine Typologie des Einbezugs von Schweizer Arbeitnehmern entwickelt werden. Mittels 15 Fallstudien von Unternehmen mit EBR und Schweizer Beteiligung soll untersucht werden, ob sich die Handlungsfelder des Managements und/oder der Arbeitnehmer und Gewerkschaften im Zusammenhang mit EBR signifikant verändert haben, was nicht nur relevant ist für die Forschung zu den Arbeitsbeziehungen in der Schweiz, sondern auch für die Diskussion um eine "Europäisierung der Arbeitsbeziehungen" und um die Mitwirkungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern in transnationalen Unternehmen allgemein.

Resultate

Quantitativer Teil: 50 transnationale Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz verfügen über einen Europäischen Betriebsrat (EBR). Schweizer Arbeitnehmer sind, auf freiwilliger Basis, in insgesamt über 150 EBR in Schweizer wie in ausländischen Unternehmen vertreten. Das entspricht rund einem Drittel der Unternehmen mit EBR und Arbeitnehmern in der Schweiz. EBR haben demnach eine grössere quantitative Bedeutung für die Schweiz als bisher angenommen wurde. Fallstudien: Eine detaillierte Analyse von 13 EBR mit schweizerischer Beteiligung (davon 9 in schweizerischen, 4 in ausländischen Unternehmen) ergab eine grosse Variationsbreite in Bezug auf Grösse, formeller Verfasstheit und praktischer Relevanz dieser Gremien, wie sie auch in der bisherigen Literatur beschrieben ist. Die Schweizer Vertretungen sind mehrheitlich gut in die Gremien integriert, aber nur in ganz wenigen Fällen hatte diese reale, für die Beschäftigten spürbare positive Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen bzw. den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Schweiz. In einigen Fällen konnte ein Schweizer "Stammlandeffekt" in Bezug auf die Funktionsweise der EBR in Schweizer Unternehmen nachgewiesen werden.