Multizentrisches Interventionsprojekt zur funktionellen Wiederherstellung von Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen durch ein integriertes, sportmedizinisch orientiertes Behandlungsprogramm

Ref. 1100

Allgemeine Beschreibung

Periode

1989-1993

Geographischer Raum

-

Zusätzliche geographische Informationen

Deutsch- und französischsprachige Schweiz: Leukerbad, Valens, Rheinfelden, Baden, Fribourg, Zurzach, Lavey-les-Bains

Kurzbeschreibung

Mit einer multizentrischen Therapiestudie soll ein neuartiges Behandlungsprogramm für RückenschmerzpatientInnen mit längerer Arbeitsunfähigkeit, das in verschiedenen ausländischen Institutionen bereits mit Erfolg angewandt wird, unter Schweizer Verhältnissen erprobt und evaluiert werden. Das Behandlungskonzept basiert einerseits auf Erkenntnissen der physikalischen Medizin, insbesondere der Sportmedizin, andererseits auf Methoden der Verhaltensmedizin (v.a. kognitiv-verhaltenstherapeutische Methoden). Die Studie geht von der Erfahrung aus, dass die traditionellen, mehr auf passive Massnahmen wie Ruhe, Schonung, physikalische Anwendungen und passive Physiotherapie ausgerichteten Behandlungskonzepte durch eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit ("deconditioning") die Entwicklung von chronischen, invalidisierenden Rückenschmerzen eher begünstigen, während ein aktives Trainingsprogramm dieser Tendenz entgegenwirkt. Aus der Traumatologie oder Gelenkchirurgie ist bekannt, dass eine frühe, wohldosierte Belastung bei Verletzungen am Bewegungsapparat den Heilungsprozess beschleunigen kann. Ebenso mehrt sich die Erkenntnis, dass die Gründe, warum Rückenschmerzen zu einem chronischen, invalidisierenden Leiden werden können, mehrheitlich nicht beim Rücken selbst liegen, sondern dass psychosoziale Faktoren bei ungünstigen Verläufen eine entscheidende Rolle spielen. Aus der Literatur sind Faktoren bekannt, die das Auftreten und die Persistenz von Rückenbeschwerden begünstigen (z. B. schwere körperliche Arbeit, geringe Schulbildung, Ehescheidung usw.). In einigen Untersuchungen wurde auch der Effekt psychosozialer Variablen auf das Behandlungsergebnis in multidisziplinären Schmerzkliniken evaluiert. Im experimentellen Behandlungsprogramm soll ein sorgfältig aufbauendes Kraft- und Ausdauertraining der Rückenmuskulatur, kombiniert mit allgemeinem Fitnesstraining sowie unterstützenden pädagogischen und psychologischen Massnahmen zur Anwendung gebracht werden.

Resultate

Das experimentelle Programm führt zu einer stärkeren Zunahme der Arbeitsfähigkeit bis zur 1-Jahresnachuntersuchung, während nach der traditionellen Behandlung die geringfügige Besserung nach einem Jahr wieder verlorengegangen ist. Trotzdem üben ähnlich viele PatientInnen aus beiden Behandlungsarten nach einem Jahr wieder eine berufliche Tätigkeit aus (44% voll, 35% teilzeitlich). Die subjektiv erlebte Behinderung im Beruf bleibt jedoch auch 1 Jahr nach der experimentellen Behandlung geringer als vorher, während sie bei der Vergleichsgruppe wieder über den Ausgangswert ansteigt. Die Schmerzintensität und die Behinderung im Alltag gehen unter beiden Behandlungsbedingungen ähnlich stark zurück, während beim psychologischen Wohlbefinden, der Beweglichkeit und der allgemeinen Ausdauer entsprechend positive Veränderungen feststellbar sind. Beide Gruppen zeigen einen signifikanten Rückgang der Anzahl Arztkonsultationen, während kein eindeutiger Effekt auf die übrigen finanziellen Aufwendungen feststellbar ist. Die PatientInnen des Experimentalprogramms setzen zur Behandlung häufiger Entspannungstechniken und Krafttraining, jedoch seltener passive Massnahmen als die Vergleichsgruppe ein. Aufgrund des Verlaufs nach einem Jahr konnten drei Typen von Therapiereaktionen identifiziert werden. 58 PatientInnen zeigen klare Verbesserungen aller Verlaufsparameter. Sie sind durchschnittlich jünger als die übrigen PatientInnen und häufiger Hausfrauen. Vor Klinikeintritt waren sie in ihrem psychischen Wohlbefinden stärker eingeschränkt als jene 125 PatientInnen, die in allen Parametern weitgehend unverändert blieben. Die 71 PatientInnen, die sich weiter verschlechterten, hatten im Durchschnitt ein tieferes Ausbildungsniveau und öfter keine Berufsbildung als die PatientInnen mit günstigerem Verlauf. Auch klagten sie öfter über lästige Umgebungseinflüsse bei der Arbeit. Die Erfahrungen mit dem neuen Programm sind positiv, weshalb die Behandlung in den Kliniken Leukerbad, Valens und Zurzach in leicht modifizierter Form weitergeführt wird. Zur Verbesserung der Behandlungseffekte wäre eine bessere Vorbereitung auf die ev. längere stationäre Behandlung nötig sowie eine Nachbetreuung zur Aufrechterhaltung der Behandlungseffekte und zur Unterstützung der beruflichen Wiedereingliederung. Psychosoziale Faktoren wie höheres Alter, geringe Bildung und berufliche Qualifikation sowie längere Krankheitsdauer scheinen dies aber zu erschweren.