Lehrbetriebsverbünde in der Praxis - Eine multiple Fallstudie zum Funktionieren und den Anforderungen einer neuen Organisationsform der betrieblichen Lehre aus Sicht verschiedener Akteure

Ref. 10742

Dies ist die Version 7.0 dieses Projekts.

Allgemeine Beschreibung

Periode

Gegenwart

Geographischer Raum

Zusätzliche geographische Informationen

Schweiz

Kurzbeschreibung

"Was die arbeitsteilige Wirtschaft auf der betrieblichen Ebene auseinander dividiert hat, muss für die Ausbildungsaufgabe wieder neu gedacht und zusammengebracht werden" (Mühlemann, Schweri und Wolter 2007, S. 329). Kontext & Bedeutung Das Berufsbildungswesen ist vor dem Hintergrund des technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels herausgefordert, seine Organisationsformen an die sich verändernden Bedingungen und Anforderungen anzupassen, um seinen Qualifikations- und Integrationsaufgaben gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang ist durch das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie in den letzten zehn Jahren insbesondere in Branchen mit vorwiegend Klein- und Mittelunternehmen eine neue Organisationsform der Berufsbildung - sogenannte Lehrbetriebsverbünde (LBV) - lanciert worden, welche zur Erhaltung und Gewinnung von Ausbildungsplätzen, zu einer verbesserten Qualität der Ausbildung und zu Ausbildungsmöglichkeiten auch für benachteiligte Jugendliche führen soll. Vergleichbare Bestrebungen gibt es in Deutschland und Österreich. Verschiedene Evaluationsstudien bestätigen das Potenzial von Lehrbetriebsverbünden: Sie unterstützen die Erhaltung und Qualität von Ausbildungsplätzen und erlauben für Berufe auszubilden, deren Ausbildungsinhalte aufgrund von Spezialisierungen, Arbeitsteilungen und Auslagerungen nicht mehr nur durch einen Ausbildungsbetrieb abgedeckt werden können. Im Weiteren ermöglichen sie eine professionellere Rekrutierung und Betreuung von Lernenden. Zukünftig ist es wichtig, noch mehr Betriebe für diese Ausbildungsform zu gewinnen. Was sind Lehrbetriebsverbünde? Bei LBV handelt es um eine komplexe Organisationsform, bei der sich verschiedene Akteure (Betriebe, Verbände, z.T. öffentliche Stellen) für die berufliche Ausbildung zusammenfinden. Eine intermediäre Organisation (Leitorganisation) rekrutiert geeignete Ausbildungsbetriebe, welche sich an der Ausbildung beteiligen und die Kosten für den Lernenden und die Leitorganisation tragen. Sie rekrutiert auch die Lernenden und schliesst mit ihnen den Lehrvertrag ab. Die Lernenden rotieren in der Regel (halb-)jährlich zwischen den Ausbildungsbetrieben. Die Zuteilung wird durch die Leitorganisation vorgenommen, wobei eine gute Passung zwischen dem Bedarf der Ausbildungsbetriebe und den Voraussetzungen der Lernenden relevant ist. Die Lernenden werden während ihrer Lehrzeit vom Berufsbildungskoordinator in der Leitorganisation und von der Berufsbildnerin im Ausbildungsbetrieb betreut. Die Leitorganisation bietet den Betrieben auch Unterstützung in der Administration an. Zielsetzungen und Fragestellungen Die Organisationsform von Lehrbetriebsverbünden ist äusserst komplex, was sowohl für die betrieblichen Akteure wie die Lernenden eine Herausforderung darstellt. Gleichzeitig ist über das innerorganisatorische Funktionieren von Lehrbetriebsverbünden kaum Wissen vorhanden ist. Auch mit Sicht auf die Lernenden sind kaum Ergebnisse vorhanden zur Frage, welche Anforderungen sich ihnen aufgrund der Rotation durch verschiedene Ausbildungsbetriebe stellen, und wie sie diese bewältigen. Das hier geplante Forschungsprojekt verfolgt deshalb zwei Zielsetzungen. Es soll einerseits in einer organisationalen Perspektive untersucht werden, wie Lehrbetriebsverbünde funktionieren (u.a. wie Lernende selektioniert und den Ausbildungsbetrieben zugewiesen werden, so dass das Commitment von Lernenden wie Ausbildungsbetriebe gross ist; welche Lösungen die Organisation bei Problemen mit den Jugendlichen trifft, wie die geteilte Betreuung zwischen Leitorganisation und Ausbildungsbetrieb erfolgreich organisiert werden kann), so dass im Ergebnis ein gelingendes Ausbildungsverhältnis zustande kommt. Andererseits sollen in einer individuellen Perspektive die mit der Organisationsform verbundenen Anforderungen sowie Bewältigungsmuster der Lernenden in dieser Netzwerkstruktur bestimmt werden. In diesem Zusammenhang interessiert auch, inwiefern soziale Merkmale wie z.B. das Alter, das Geschlecht oder der Migrationshintergrund mitbestimmend sind für das erfolgreiche Absolvieren der Berufslehre in einem Lehrbetriebsverbund. Lehrbetriebsverbünde unterscheiden sich entlang relevanter Dimensionen (Entstehungsgeschichte und Leitbildern, Grösse, Berufs- und Branchenhomogenität bzw. -heterogenität). Im Projekt wird deshalb auch untersucht, wie diese Dimensionen das organisationale Funktionieren und die individuellen Bewältigungsanforderungen strukturieren. Theoretischer Rahmen Die in der französischen Soziologie etablierte Theorie der "Soziologie der Konventionen" bietet einen geeigneten Rahmen, um die Komplexität von Lehrbetriebsverbünden aus organisationssoziologischer Perspektive zu untersuchen. Die Theorie unterscheidet verschiedene kulturelle Ordnungs- und Funktionsprinzipien (Konventionen), die das Urteilen und Handeln von Akteuren in Arbeits- und Ausbildungsorganisationen ermöglichen: Gemeinschaft, Effizienz, Markt, Gemeinwille, Projekt, Inspiration, "Ruf". Die Studie untersucht, welche Konventionen und Kompromisse zwischen Konventionen erforderlich sind, damit die Akteure Entscheide fällen, Probleme lösen und Handlungen koordinieren können. Im Weiteren werden die Erfahrungen und Bewältigungsmuster der Lernenden mithilfe des ungleichheitssoziologischen Ansatzes von P. Bourdieu analysiert. Zentral sind die habituellen Anforderungen und Bewältigungsformen an die Lernenden für eine erfolgreiche Ausbildung.

Resultate

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