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Psychopharmaka in Klinik und Gesellschaft: Wirkstoffe, medikamentengestützte Therapie und Persönlichkeitskonzepte in der Nordostschweiz (1950-1990)

Ref. 9775

This is version 1.0 of this project.

General description

Period

1950 bis 1970 (Teilprojekt 1) 1950 bis 1990 (Teilprojekt 2)

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Nordostschweiz

Abstract

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert spielen neue, auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelte Arzneimittel in der Medizin eine zentrale Rolle. Den Erfolgen in der somatischen Medizin entsprachen jedoch keine Durchbrüche bei der Therapie geistiger Störungen. Erst anfangs der 1950er Jahre waren die ersten Neuroleptika verfügbar, welche in der Folge nicht nur die Behandlungspraxis, sondern auch die Krankheitsdefinitionen und die therapeutischen Leitbilder innerhalb der Psychiatrie zu verändern begannen. Die Verwendung von Medikamenten blieb keineswegs auf psychiatrische Kliniken beschränkt. Vielmehr erleichterten und ermöglichten die neuen psychoaktiven Wirkstoffe innovative Formen einer ambulanten psychiatrischen Behandlung, wodurch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in psychiatrischen Kliniken verkürzt wurde. Die seit den 1960er Jahren verfügbaren Antidepressiva und vor allem die Tranquilizer fungierten bald auch als "kleine Helfer" in alltäglichen Herausforderungen. Eine auf die chemische Moderation der eigenen Befindlichkeit abzielende Selbstmedikation löste einen Prozess aus, der als "Psychopharmakologisierung der Gesellschaft" bezeichnet werden kann. Im Forschungsprojekt wird der Aufstieg der Psychopharmaka aus einer doppelten Perspektive untersucht: In Teilprojekt 1 (Katharina Brandenberger) geht es um die Phase der Einführung der neuen Wirkstoffe im Kontext der psychiatrischen Klinik im Zeitraum 1950 bis 1975. Anfänglich war das Wissen über die Wirkungsweise dieser Substanzen sehr gering; in der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (Burghölzli) wurde 1969 eine Forschungsabteilung gegründet, welche der Medikamentenprüfung diente. Die vergleichende Untersuchung von zwei Kliniken in der Nordostschweiz, die Analyse der Zusammenarbeit von Psychiatern mit der pharmazeutischen Industrie sowie die Darstellung der Testpraxis in den Kliniken sollen zeigen, wie sich nach und nach Formen der Dauermedikation entwickelten, welche die Ordnung der Klinik veränderten. In Teilprojekt 2 (Magaly Tornay) werden Wechselwirkungen zwischen psychoaktiven Stoffen und dem Konzept der "Persönlichkeit" untersucht. Hier stellt sich die Frage, wie psychoaktive Medikamente und die neurowissenschaftlichen Konzepte, auf denen sie basieren, zusammenspielen und wie die Wirksamkeit von psychoaktiven Stoffen erklärt und durch Kausalhypothesen konstruiert wurde. Wegleitend ist die Frage, wie der verstärkte und diversifiziertere Medikamentengebrauch mit einem psychologischen Materialismus, einem biologischen Menschenbild und einer seit den 1980er Jahren verstärkt beobachtbaren "neoliberalen Subjektivität" zusammenhängt. Als Quellen werden sowohl Akten aus den Kliniken und Pharmaunternehmen wie auch psychiatrische Zeitschriften, Fachliteratur und literarische Dokumente verwendet. Zudem werden Interviews mit Psychiatern und Psychiaterinnen geführt, die seit den 1960er Jahren Psychopharmaka zu therapeutischen Zwecken verwendeten.

Results

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