Hintergrund: In den letzten 30 Jahren hat sich die Chance, dass Frühgeborene überleben, deutlich erhöht. Langzeitstudien lassen aber erkennen, dass sich die Folgen einer Frühge-burt weit über das Säuglingsalter hinaus erstrecken und ein Risiko für körperliche, psychische und kognitive und schulische Probleme und Beeinträchtigungen bedeuten. Deshalb beschäftigt Ärzte und andere involvierte Berufsgruppen, welche Faktoren eine gute Entwicklungsprognose für Frühgeborene erlauben und ob und wie man diese Prognose präventiv beeinflussen könnte. Ein diesbezüglich oft diskutierter Faktor ist die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung. Aus der klinischen Erfahrung tritt die Vater-Kind-Beziehung vermehrt ins Blickfeld, da beobachtet wird, dass Väter oft einen besseren Zugang zum frühgeborenen Säugling herstellen können, möglicherweise, weil sie die Geburt als weniger traumatisch erleben. Allerdings wurde dies bisher noch nicht systematisch untersucht.
Ziel der Studie: Die vorliegende Studie will zusätzlich zur Mutter-Kind-Interaktion die Vater-Kind-Interaktion bei Frühgeborenen untersuchen. Wir gehen davon aus, dass die Väter von Frühgeborenen in den ersten Monaten einen besseren Zugang zum Kind finden als die Mütter, und dass die Väter zwischen Mutter und Kind vermitteln und die Mutter-Kind-Interaktion positiv beeinflussen.
Arbeitshypothesen: Unsere Haupthypothesen sind, dass Väter von Frühgeborenen schneller als die Mütter einen guten Zugang zum Kind finden. Auch gehen wir davon aus, dass im Vergleich zu Vätern von reifgeborenen Kindern Väter von Frühgeborenen eine bessere Vater-Kind-Interaktion aufweisen. Schliesslich vermuten wir, dass das väterliche Stresserleben der Geburt bei Vätern von Frühgeborenen ausgeprägter ist als das von Vätern von Termingeborenen. Es ist aber niedriger als das von ihren Partnerinnen/Müttern der Frühgeborenen.
Studiendesign und Methoden: Ziel ist es, eine Gruppe von 40 Frühchen (<34ste Schwangerschaftswoche) mit beiden Eltern sowie eine Kontrollgruppe von 30 Termin Geborenen (>37ste Schwangerschaftswoche) mit den Eltern zu untersuchen. Die Qualität der Vater-Kind- und der Mutter-Kind-Interaktion wird mit dem CARE-Index gemessen. Das Geburtserleben wird mit dem Fragebogen SILGer erhoben. Perinatale Risiken werden mit der Beatmungs- und Hospitalisationsdauer eingeschätzt. Weitere Kontrollvariablen sind Teil der Untersuchung. Die Untersuchungen finden ca. 10 Wochen nach der Geburt, aber (bei den frühgeborenen Kindern) mindestens 2 Wochen nach Entlassung aus der Klinik statt. Aus der Abteilung "Neonatologie" sind der Chefarzt (Mitgesuchsteller) und ein Liäsonarzt der KJPK (Mitgesuchsteller) mitverantwortlich am Projekt beteiligt. Sie nehmen den Kontakt mit den Familien auf. Alle Mütter und (nach ihrem Einverständnis) alle Väter werden so früh wie möglich über die Untersuchung informiert (nach Möglichkeit bis zwei Wochen nach der Geburt). Auf der Abteilung Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin des Frauenspitals ist die Abteilungsleiterin (Mitgesuchstellerin) am Projekt beteiligt.
Klinische Bedeutung: Frühgeburtlichkeit bedeutet ein erhöhtes Risiko für vielfältige Entwicklungsbeeinträchtigungen und Verzögerungen auf Seiten des Kindes und ein erhöhtes Risiko für eine posttraumatische Belastung auf Seiten der Mutter und - etwas weniger ausgeprägt - auf Seiten des Vaters. Falls sich bestätigt, dass Väter von Frühgeborenen schnel-ler einen Kontakt zum Frühgeborenen aufnehmen und ausserdem die Mütter in der Kontaktaufnahme mit den Frühgeborenen unterstützen, würde dies die Bedeutung der Integration des Vaters bei der psychiatrischen Betreuung der Eltern von Frühgeborenen betonen. Ausblick: Wir haben vorgesehen, in einer Anschlussstudie erneut die Vater-Kind-Interaktion und die Mutter-Kind-Interaktion zu erheben. Ausserdem sollen verschiedene Parameter der kindlichen Entwicklung eingeschätzt werde. Erst durch diesen longitudinalen Ansatz können die Fragen beantwortet werden, ob Vater einen vermittelnden Einfluss auf die Mutter-Kind-Interaktion und zusätzlich auf die kindliche Entwicklung hat.