Check out the new features of the release 4.0.

Aktenführung und Stigmatisierung. Institutionelle Ausschlussprozesse am Beispiel der Aktion "Kinder der Landstrasse"

Ref. 7917

Methods

Method description

Bei der Analyse und Interpretation der Quellen (Einzeldokumente, Akten, Selbstzeugnisse, Interviews) werden Methoden der qualitativen (Sozial-)Forschung kombiniert mit der historisch-kritischen Methode, wobei im Hinblick auf Prozesse der Stigmatisierung dem Aspekt der Ideologiekritik die grösste Bedeutung zukommt. Zu dieser Quellenkritik gehört insbesondere das bekannte Set der sogenannten W-Fragen (wer, wann, was, wie, womit, warum, wozu, für wen etc.). Da es sich bei den Akten, die den grössten Teil des Quellenmaterials ausmachen, um eine spezielle Art von Quelle handelt, sind einige Präzisierungen anzubringen. Akten machen - im Unterschied zu Urkunden - Entstehungszusammenhänge bzw. allgemeiner: Prozesse und Kontexte sichtbar und haben einen prinzipiell unabgeschlossenen Charakter haben. Umgekehrt heisst dies, dass das einzelne Aktenstück allein wenig Aussagekraft besitzt und nur im Kontext der Akte überhaupt "sinnvoll" und interpretierbar wird. Akten bewahren etwas von den eigenen Entstehungsbedingungen und sind sozusagen im Kontinuum zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit angesiedelt. Deshalb und weil sie "prozess-produziert" sind oder die "Verbindungslinien" geben, scheinen sie sich auch besonders gut zu eignen, um den (jeweils situationsbezogenen) Schriftgebrauch über die Zeit hinweg analysieren zu können. Im Unterschied zur mündlichen Äusserung besitzt schriftlich Festgehaltenes die Eigenschaft, immer wieder und auch unter ganz anderen Bedingungen verwendet zu werden. Um dieses sogenannte Schrifthandeln in Ergänzung der klassischen Quellenkritik besser fassen zu können, wird in der Geschichtswissenschaft das Augenmerk vermehrt auf die Unterscheidung der verschiedenen Phasen der Herstellung (making), des Gebrauchs (using) und der Aufbewahrung (keeping) von Dokumenten gelegt und werden auch die kulturellen Praktiken berücksichtigt, aus denen überliefertes Schriftgut hervorgeht. Diese methodische Erweiterung gängiger Quellenkritik ist bislang in bezug auf mittelalterliches Schriftgut angewandt worden. Für eine Analyse der fraglichen Akten ist sie zweifelsohne von grossem Nutzen und stellt darüber hinaus ein Novum in der zeitgeschichtlichen Geschichts-, aber auch in der Sozialarbeitsforschung dar. Dabei ist nun aber zu berücksichtigen, dass auch Akten nur einen Ausschnitt eines (erst noch einzelnen) Prozesses oder Kommunikationszusammenhangs widerspiegeln. So umfangreich die Konvolute oder "pluralen Einheiten" auch sein mögen, es ist nie "alles". Im konkreten Fall ist es fast ausschliesslich die betreffende Institution bzw. sind es deren Vertreterinnen und Vertreter, die diese Akten anlegen, d.h. Schriftstücke verfassen und Dokumente sammeln, zusammenstellen (oder aussondern), aufbewahren sowie gegebenenfalls (nach)bearbeiten bzw. zensieren. Schon all diese Vorgänge sind durch mehrere Selektionen gekennzeichnet, und nur vereinzelt fanden in die Dossiers schliesslich auch Materialien der Betroffenen Eingang, d.h. die Akten sind ausgesprochen einseitig, da primär von der betreffenden Institution und für diese selbst her- bzw. zusammengestellt. Sie sind also nicht nur parteiisch, sondern auch klar zweckorientiert, dienen der Entscheidungsfindung ebenso wie der Legitimation bzw. Rechtfertigung der Institution, die - und das ist selbstverständlich nicht unerheblich - im Kommunikationszusammenhang "Bürokratie - verwaltete Person" über die alleinige Definitionsmacht verfügt, eine Macht, die durch die Aktenführung bzw. -aufbewahrung laufend verfestigt wird. Diese Art der Einseitigkeit und Zweckorientiertheit sowie der Umstand, dass generell meist nur die Sicht der Entscheidungsträger schriftlich überliefert ist, stellt hohe quellenkritische Anforderungen, ist in der geschichtswissenschaftlichen Forschung im Grunde aber der Regelfall. Sicherlich lassen sich Strukturmuster administrativer Zuschreibungsprozesse herausarbeiten, während die effektiven identitätsbestimmenden Konsequenzen administrativer labeling-Prozesse nur schwer und indirekt fassbar sind. Dennoch enthalten diese Akten trotz ihrer "legitimatorischen Zweckgebundenheit (...) noch soviel an Überschussinformationen, die genügend Hinweise auf die personale Situation der Klientel geben, die inhaltsanalytisch erschlossen werden können". Natürlich fällt auch ins Gewicht, dass Akten - wie erwähnt - nur einen von vielen Kommunikationszusammenhängen repräsentieren, in denen die darin verwaltete Person steht. Das gleiche gilt für die verwaltenden Personen, also die Aktenführenden. Der Einbezug von Aussagen Betroffener und Beteiligter ist deshalb unerlässlich, denn sie vermitteln Einsichten und Erkenntnisse, die aus den Akten nicht zu erschliessen sind, und können damit als Ergänzung und als Korrektiv zu den Akten gesehen werden. Akten machen - wie erwähnt - Entstehungszusammenhänge bzw. allgemeiner: Prozesse und Kontexte sichtbar. Angesichts der Fülle an Material wird deshalb der Entstehungs- und Verwendungsgeschichte, sozusagen der "Karriere" einer Akte na

Method (instruments)

-