Gemäss der neuen Sozialhilfegesetzgebung des Kantons Bern müssen die Gemeinden, welche eine finanzielle Unterstützung vom Kanton für Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wollen, ihren Bedarf nachweisen. Bedarf ist jedoch für den sozialwissenschaftlichen Kontext nicht befriedigend definiert und die ökonomische Definition von Bedarf als "Summe" von Bedürfnissen und Kaufkraft ist nicht übertragbar, weil im Sozialbereich der Staat ein Monopol als Käufer hat, die Bedürfnisse jedoch bei den Individuen sind. Die Übertragung der ökonomischen Definition von Bedarf auf den sozialwissenschaftlichen Kontext scheint daher einen Widerspruch in sich selbst darzustellen.
Das laufende Forschungsprojekt nimmt diese Problematik auf und bearbeitet zwei Fragestellungen. 1. Wie konstituiert sich Bedarf im Zusammenhang mit Planungsprozessen, die sich im Spannungsfeld zwischen Bedürfnissen und Interessen von Kindern und Jugendlichen, politischen und administrativen Anforderungen und Interessen sowie fachlichen Kriterien bewegen? und 2. Wie kann - unter Berücksichtigung knapper Ressourcen - ein Modell entwickelt werden, welches die wesentlichen Forschungsergebnisse aufnimmt und ein geeignetes Vorgehen zur Erhebung des Bedarfes an Offener Kinder- und Jugendarbeit ermöglicht.
Mittels einer Sozialraum- sowie einer Lebensweltanalyse - nach dem sozialökologischen Ansatz (Böhnisch/Münchmeier 1993) - in 2 Bernischen Gemeinden wird die Situation von Kindern und Jugendlichen umfassend untersucht und es werden Grundlagen für das Bedarfserhebungsmodell erarbeitet. An der Konstruktion von Bedarf sind verschiedene Akteursgruppen beteiligt. Bedarf ist nicht ausserhalb der politischen Prozesse denkbar. Das Modell soll es ermöglichen, die Perspektiven der verschiedenen Akteursgruppen aufzunehmen und abzubilden, so dass die Bestimmung des Bedarfes auf einer informierteren Grundlage möglich ist. Das Modell wird in einer dritten Gemeinde getestet (Nov 03 bis Januar 04) und allenfalls noch einmal angepasst.