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Integration und Ausschluss im Kontext von Raumstruktur, Raumwahrnehmung und Raumnutzung

Ref. 7767

General description

Period

2003-2006

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Stadt Basel (Quartiere St. Johann und Kleinbasel)

Abstract

Hintergrund und Problemstellung: Das Projekt basiert auf der Vorstellung, dass Raum historisch bedingt und kontextualisiert, gesellschaftlich und kulturell bearbeitet ist und damit einen Faktor darstellt, der auf die Lebensweise und Handlungsmöglichkeiten der Menschen einwirkt. In diesem Sinn beeinflusst er auch soziale Prozesse der Ein- und Ausschliessung. Hier setzt die Problemstellung des Projekts an: Es thematisiert den Raum als gesellschaftliches und kulturelles Phänomen, das für bestimmte Personen und Gruppen integrierend wirkt, andere dagegen einschränkt und ausschliesst. Forschungsziel: Forschungsziel ist herauszufinden, welche räumlichen Strukturen, Prozesse und Mechanismen für welche Menschen auf welche Weise ausschliessend (oder integrierend) wirken können. Dabei interessiert vor allem das Zusammenwirken von Raumwahrnehmung und konkreter räumlicher Nutzung mit gegebenen Raumstrukturen in Bezug auf Integration beziehungsweise Ausschluss.

Results

Zusammenfassend werden die wichtigsten Syntheseergebnisse der beiden Forschungsperspektiven dargestellt: Perspektiven bezüglich Integration: VertreterInnen von kantonalen und privaten Institutionen betrachten das Problem der räumlichen Integration aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Für KantonsvertreterInnen steht das Funktionieren und der Zusammenhalt der Gesellschaft im Zentrum. Personen gelten als integriert, wenn sie die geltenden Normen und Regeln befolgen und sich den kulturellen Gegebenheiten anpassen. Die Integration von Personen in die Gesellschaft erfolgt in dieser Wahrnehmung nach bestimmten Abfolgen und kausalen Zusammenhängen. Integration ist plan- und organisierbar, dementsprechend lässt sich der Integrationserfolg auch messen und überprüfen. VertreterInnen privater Körperschaften richten ihren Blick dagegen mehrheitlich auf die einzelnen Subjekte. Für sie gelten Personen als integriert, wenn eine subjektbezogene Selbstverwirklichung, Selbstständigkeit, Mitwirkung und Mitbestimmung erreicht ist. Die unterschiedlichen Integrationsvorstellungen beeinflussen auch die beruflichen Tätigkeiten. Staatliche Integrationsmassnahmen zielen darauf, Ordnung, Ruhe und Sauberkeit in der Stadt aufrechtzuerhalten, soziale Durchmischung zu fördern und die Folgekosten gesellschaftlicher Desintegration zu minimieren. Die Massnahmen der privaten VertreterInnen zielen dagegen auf das Empowerment der Integrationssubjekte. Ethnisierung: Sowohl VertreterInnen kantonaler wie privater Institutionen richten ihre räumlichen Integrationsmassnahmen in erster Linie auf AusländerInnen aus. Durch die Konstruktion kultureller Differenz stilisieren sie ImmigrantInnen zu Fremden, die integriert werden müssen. Diese Ethnisierung schafft jene diskriminierenden Strukturen, welche die InteressenvertreterInnen eigentlich überwinden wollen. Die Forscher zeigen, dass AusländerInnen in räumlicher Hinsicht nicht zwingend schlechter integriert sind als SchweizerInnen in ähnlichen Lebenssituationen. Keine Integration ohne Ausschluss: Die meisten InteressenvertreterInnen nehmen Integration und Ausschluss als zwei voneinander unabhängige Phänomene wahr. In ihrer Idealvorstellung ist es möglich, mit genügend Mitteln und den richtigen Massnahmen und Instrumenten eine räumliche Integration aller BewohnerInnen zu erreichen. Ausschluss wird in der alltäglichen Arbeit kaum mitbedacht, das heisst ausgeblendet. Ein Forschungsergebnis ist, dass Integration und Ausschluss nicht zwei unterschiedliche Phänomene sind, dass es also Integration ohne Ausschluss nicht gibt. Das Ausmass der Integration ist immer eine Frage der Positionierung und der Blickrichtung. Verknüpfung von räumlichen, sozialen und normativen Phänomenen: In ihren Vorstellungen verknüpfen sowohl InteressenvertreterInnen wie auch QuartierbewohnerInnen soziale, räumliche und normative Phänomene miteinander: Sie ziehen jeweils Grenzen zwischen der eigenen Person(engruppe) und signifikanten Anderen oder Fremden. Diese Selbst- und Fremdpositionierungen setzen sie in Beziehungen zum Raum: Die Bestimmung von Eigenräumen und die damit verbundene Abgrenzung zu Fremdräumen sind konstitutiv für die Konstruktion der individuellen Identität und des Selbstbildes. Die sozialen und räumlichen Positionierungen und Differenzierungen stehen darüber hinaus in Verbindung mit Moral- und Ordnungsvorstellungen. Soziale, räumliche und normative Phänomene werden miteinander verknüpft und in der Konstruktion einer Geographie von Zugehörigkeit und Ausschluss kombiniert. Mentale Repräsentationen sind Ordnungsleistungen, Sinngebungen und Imaginationen möglicher sozialer, räumlicher und normativer Ordnungen. Die daraus resultierende Ordnung dient dazu, die Komplexität und Vielfalt des städtischen Daseins zu bewältigen. Sie erlaubt das Sich-Einrichten und Zurechtfinden in der Stadt. Diese Ordnungsvorstellungen weisen auch auf bestimmte Integrationsvorstellungen hin, indem sie festlegen, was oder wer in welcher Beziehung ein- oder ausgeschlossen ist. Raum als identitätsstiftendes und Differenz bestimmendes Verortungsinstrument dient somit auch der Festlegung von Integration und Ausschluss. Zusammenhang von Wertorientierung und Raumhandeln: Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Wertorientierung und Raumhandeln. Mit den subjektiven Wertorientierungen und Wahrnehmungen sind soziale und kulturelle Distinktionspraktiken und Handlungen verbunden, welche Grenzen konstituieren und aufrechterhalten. Diskurse (Aktionsprogramm Stadtentwicklung, Integrale Aufwertung Kleinbasel) eingebunden. Die aktuellen Diskurse und Projekte werden in die Untersuchung integriert und reflektiert. Als Untersuchungsgruppen werden drei unterschiedlich Akteuren-Gruppen - Bewohner, Interessenvertreter (Institutionen) und Planung (Behörde) - erfasst. Bei den Interessensvertretern handelt es sich um Institutionen wie Quartiervereine, Kulturzentren oder Stiftungen, die bestimmte Ziele im Raum verfolgen. Ebenfalls erfasst werden Vertreter der Behörde (Planung) aber auch der Wirtschaft und der Industrie, die sich mit Themen der Stadtentwicklung befassen oder diese konkret umsetzen. Bei der Studie wird zuerst die Raumstruktur der zu untersuchenden Quartiere betrachtet. Es werden v.a. Aspekte wie Stadtentwicklung, die Differenzierung des städtischen Raums in verschiedene Bereiche und deren gesellschaftliche Funktionen untersucht. Für die Charakterisierung der Struktur sollen Aussagen zum Verhältnis von bebautem zu unbebautem Raum, vom Innenraum zum Aussenraum, zu Hochbauten, Verkehrsflächen, Grün- und Freiflächen, zur Dichte, zur Flächennutzung und zu Siedlungsfunktionen sowie zu Nutzungsabsichten, Eignung und Erschliessungsstand gemacht werden. Für diese Analyse wird v.a. auf vorhandenen Studien aufgebaut sowie mit den Kooperationspartnern des Baudepartements des Kantons Basel-Stadt, dem Statistischen Amt des Kantons Basel-Stadt sowie dem Geographischen Institut der Universität Basel ein Wissenstransfer angestrebt. Nach dieser Kartierung richtet sich der Fokus der Untersuchung vorwiegend darauf, welche Handlungsmöglichkeiten der Raum als Infrastruktur für wen bietet. Es wird der Frage nachgegangen, inwiefern städtischer Raum Möglichkeiten aber auch Hindernisse seiner Nutzung(en) beinhaltet und dementsprechend Integration oder Ausschluss hervorbringt. Im Projekt Raumwahrnehmung wird erforscht, welche Haltung und Ziele von der Planung (Behörde) verfolgt und auf welche Bedürfnisse bei der Planung und Umsetzung geachtet werden. In einem nächsten Schritt wird das Verhältnis von Raumwahrnehmung und Raumstruktur untersucht. Eine leitende Fragestellung im Bereich der Wahrnehmung wird sein: Wie nehmen Menschen ihre räumliche Umgebung wahr, wie orientieren sie sich darin und wie bewerten und interpretieren sie gewisse Räume respektive räumlich repräsentierte Zeichen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass urbane Räume von verschiedenen Gruppen/Akteuren unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und bewertet werden. Diese Unterschiede gilt es aufzuspüren und festzuhalten. Aus diesem Grund interessiert uns auch, welche Faktoren einen Einfluss haben auf Unterschiede der Raumwahrnehmung, -interpretation und -bewertung und ob es einen Zusammenhang gibt zwischen unterschiedlicher Wahrnehmung, Interpretation oder Bewertung von Räumen und Integration. Identifikations- und Integrationsprozesse sind besonders auch an konkrete Praktiken der Raumnutzung und Raumaneignung gebunden. Die Frage, welche Personen oder Gruppen, welche Räume nutzen und sich welche Räume aneignen und welche Faktoren auf die Raumnutzung einen Einfluss haben, bildet deshalb einen dritten Schwerpunkt. Da Raum in Städten ein knappes Gut ist, agieren oft mehrere Gruppen im selben Raum, dies kann zu Spannungen und Nutzungskonflikten führen. Man kann hier an soziale Verdrängung infolge der Aufwertung innerstädtischer Gebiete denken (Gentrifizierung), an interethnische Konflikte, an Generationenkonflikte oder an Nachbarschaftskonflikte zwischen Altein-gesessenen und Neuankömmlingen. Wir wollen deshalb folgenden Fragen nachgehen: wo treten räumliche Nutzungskonflikte auf und welche Personengruppen sind an diesen Konflikten beteiligt. Weiter wollen wir herausfinden, ob Prozesse der Raumaneignung von bestimmten Gruppen zur Vertreibung oder Ausgrenzung anderer Akteure führen. Neben der aktuellen Raumnutzung sollen aber auch die Vorstellungen der Menschen über die mögliche Nutzung urbaner Räume nicht zu kurz kommen. Wir gehen deshalb auch folgenden Fragen nach: Welche Wünsche, Erwartungen und Idealvorstellungen haben die verschiedenen Akteuren an städtische Räume? Welche Raumbedürfnisse haben Menschen, welche Vorstellung von Raumansprüchen und Nutzungsmöglichkeiten sind bei wem vorhanden? Wie werden Nutzungsmöglichkeiten im Quartier bewertet, respektive in welcher Beziehung sehen die Akteure Alltagsstruktur und Nutzung des Raumes? Als Untersuchungsmethode zur Ermittlung der Raumwahrnehmung, der Raumnutzung und Raumaneignung werden Leitfadeninterviews, Mental Maps (Raumorientierungsmodell/-Greverus; Grundelemente räumlicher Struktur/Lynch), teilnehmende Beobachtung, Wahrnehmungsspaziergänge sowie Textanalysen eingesetzt. Raumwahrnehmung und -nutzung sind in Bezug auf Integration respektive Ausgrenzung bislang empirisch wenig erforscht und sind somit "untertheoretisiert". Das Projekt erhofft sich neue Einsichten und auch einen theoretischen Wissenszuwachs beitragen zu können. Das Projekt Raumwahrnehmung hat zum Ziel, das Spannungsfeld zwischen Integration und Ausgrenzung differenziert zu betrachten. So kann das Wissen über Integration und Ausgrenzung in Zusammenhang mit räumlicher Struktur erweitert und Vorschläge zu kleinteiligen, aber bedeutsamen Einzelmassnahmen im Bereich Stadtplanung und Stadtpolitik geliefert werden.