Im Zusammenhang der Diskussion um eine nachhaltige - ökologisch, wirtschaftlich und psychosozial verträgliche - Entwicklung, erscheint die Rolle der sozial-technischen Evolution immer wieder als zwiespältig. Einerseits gäbe es allerlei Technologien, die ressourceneffizient und umweltschonend arbeiten würden, sie finden jedoch nicht immer Eingang in gesellschaftliche Handlungszusammenhänge. Wo sie von einer breiten Mehrheit aufgenommen werden, kann ihre positive Bedeutung für die Umwelt andererseits durch einen Mehrgebrauch dieser oder anderer Technologien wieder aufgewogen sein ( Rebound-Effekt). Ebenso finden wir einerseits ein bestimmtes Leiden - in der Form einer häufig konstatierten Heimlosigkeit - an einer schnellen social-technischen Entwicklung, welche unsere Welt und unsere Formen der Bezugnahme aufeinander schnellen Veränderungen unterwirft. Andererseits versprechen neue Technologien nicht nur Komfort und Effizienz, sondern stellen immer auch interessante Herausforderungen an unsere persönliche und kollektive Entwicklung, weshalb wir geneigt scheinen, sie aufnehmen und benutzen zu wollen. Die Klärung der Bedeutung technischer Innovationen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, bedarf einer sozialwissenschaftlichen Behandlung der Frage nach den Bedingungen und Auswirkungen der Aufnahme und des Gebrauchs von technischen Gegenständen. Dies soll in diesem Projekt in teilweiser Anknüpfung an die Erkenntnisse der Technikgeschichte und Innovationsforschung, jedoch basierend auf einer kulturpsychologischen Perspektive, welche die "Ko-Evolution" von Menschen und ihren (sozialen wie räumlich-dinglichen) Umwelten thematisiert, geschehen. Angestrebt wird hier also eine kulturpsychologisch fundierte Reflexion der folgenden Fragen:
- Warum und wie werden welche kulturellen Produkte aufgenommen und welche anderen fallengelassen?
- Wodurch bestimmt sich die Art und Weise ihres Gebrauchs?
- Welche Auswirkungen hat dies auf die Entwicklung psychosozialen Lebens, das individuelle Wohlbefinden und die natürliche Umwelt?
Auf dne gewonnenen Erkenntnissen basierend sollen Vorschläge für einem psychosozial und ökologisch verträglichen Design- und Einführungsprozess kultureller Produkte generiert werden. Teilziele sind damit
a) die Rekonstruktion eines theoretischen Fundamentes, das geeignet scheint, solche Prozesse der Adoption und Ko-Evolution von Menschen mit (neuen) Dingen zu erklären.
Seine Anwendung und Differenzierung soll
b) anhand empirischer Fallstudien zur Aufnahme und Integration zweier verschiedener Produkte in die Alltagsroutinen geschehen.
Ausgewählt werden Produkte, deren Integration in kollektive Nutzungszusammenhänge das psychosoziale Leben und die natürliche Umwelt in je ganz verschiedener Weise berühren (würden): das Handy und das No-Mix-WV - ein urinseparierendes WC, das Teil eines zukunftsweisenden urbanen Abwassersytems ist.
Das Telefon, das mehr und mehr in den öffentlichen Raum vordringt und das WC, das im Übergang zur Moderne in den Bereich des Privaten, Versteckten verdrängt wurde, verhalten sich gewissermassen wie Schein und Sein zueinander und haben je aus verschiedenen Blickwinkeln ihr Licht- und Schattenseiten, weshalb sie für die vorliegende Fragestellung ein interessantes Gegenstandspaar darstellen. Die Untersuchung, welche die sich verändernden Alltagswirklichkeit von Menschen im Verhältnis zu und mit verschiendenen Dingen zum Gegestand hat, wird im Feld stattfinden und dabei je zwei bis drei "typisch Fälle" von Mensch-WC oder Mensch-Handy-Evolutionen vor und nach der Aufnahme rekonstruieren. Es wird - um der Komplexität der inneren und äusseren Einflüsse auf solche Entwicklungen gerecht zu werden - ein multimethodischer Ansatz gewählt, der Tagebuchprotokolle, Interviews sowie Spurenanalysen oder Fotoreports einbezieht.