Politische Parteien, Verwaltung und Reformen in schweizer Gemeinden - 1988, 1994, 1998

Ref. 6389

General description

Period

1988-1994, 1998

Geographical Area

Additional Geographical Information​

Schweiz

Abstract

Diese Forschungsbeschreibung bezieht sich auf eine Reihe von Studien, die im Verlauf der Zeit über die Schweizer Gemeinden geführt wurden, aber im Forschungsverzeichnis von FORS unter verschiedenen Titeln erscheinen. Sie wurde speziell für die Archivierung der produzierten Daten verfasst, um die Einheit der Reihe sichtbar zu machen. Bei allen Erhebungen wurden die Gemeindeschreiber befragt. PARTEIEN - 1988 - Nr. 433 und 1358 im Forschungsverzeichnis Im Hinblick auf die Fragestellung bezüglich der parteipolitischen Strukturen gehört es zu den bisher nur unzureichend wahrgenommenen Besonderheiten der schweizerischen Politik, dass auf kommunaler Ebene ein ausserordentlich dichtgewobenes Netz von ca. 5.500 lokalen Parteien besteht, und dass diese - teilweise mit einem Minimum an Personal und Finanzmitteln operierenden - Einheiten im Rahmen sowohl der Kommunalpolitik wie auch der überlokalen Parteien eine ungewöhnlich grosse Bedeutung haben. Eine Untersuchung der lokalen Parteiebene sieht sich deshalb primär auf die Erhebung zuverlässiger Grundlageninformationen verwiesen, die geeignet sind, wesentliche neue Einsichten in die Strukturen und Prozesse der schweizerischen Parteiorganisationen einerseits und der schweizerischen Kommunalpolitik andererseits zu vermitteln. Als Novum innerhalb der schweizerischen und internationalen Kommunal- und Politikwissenschaft wurde in diesem Projekt angestrebt, kommunale Parteiorganisationen in umfassender Weise komparativ zu erforschen und dabei die Bedingungsfaktoren zu identifizieren, die ihre spezifischen Merkmale wie Mitgliederstrukturen, Binnenorganisation, Entscheidungsprozesse, Aussenaktivitäten, politische Einflusstellung u. a. determinieren. In deskriptiver Hinsicht wurde versucht, eine aktuelle Zustandsdiagnose der Ortsparteien in der Schweiz zu erstellen. In explanatorischer Hinsicht wurden die spezifischen Merkmale kommunaler Parteien auf ihre Bedingtheit durch die demographische und sozio-ökonomische Struktur sowie die politisch-administrative Organisation der Gemeinde geprüft. GEMEINDEREFORMEN - 1994 - Nr. 432 im Forschungsverzeichnis Die Gemeindeorganisation hat sich in der Schweiz im Vergleich zu anderen Staaten als äusserst stabil erwiesen. In den letzten 150 Jahren ist nie ernsthaft versucht worden, durch Gemeindezusammenlegungen eine Vereinheitlichung der bezüglich ihrer Grösse sehr stark variierenden Gemeinden zu schaffen. Seit 1848 ist die Zahl der Gemeinden lediglich um knapp 10 Prozent von 3203 auf 2903 gesunken. Dies erstaunt, ist doch die Mehrheit der Gemeinden sehr klein. Rund 60 Prozent der Gemeinden weisen heute weniger als 1000 Einwohner auf. In diesen Gemeinden leben allerdings nur noch etwa 10 Prozent der Bevölkerung. Es drängt sich die Frage auf, wie weit die aus dem 19. Jahrhundert stammende politische Feingliederung noch in der Lage ist, den sozialen und politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, denn in den letzten Jahren und Jahrzehnten sind die Gemeinden verstärkt unter Druck geraten: - Die Aufgaben der Gemeinden haben zugenommen und sind komplexer sowie interdependenter geworden, - mit der rezessiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich auch die Finanzlage der Gemeinden verschlechtert und - das Anspruchsniveau der Einwohnerinnen und Einwohner wie auch ihre Kritikbereitschaft sind gestiegen, während die Bereitschaft, sich für ein politisches Amt zur Verfügung zu stellen, eher abgenommen hat. In Gemeinden machen sich die Auswirkungen des sozialen Wandels auf Politik und Verwaltung in besonderem Masse bemerkbar (zunehmende Politisierung vormals unpolitischer Bereiche, zunehmende Komplexität der Vollzugsaufgaben, etc.). Welche Wandlungen in der politisch-administrativen Gemeindeorganisation haben diese Tendenzen zur Folge? Welche Anpassungsprobleme und Leistungsgrenzen stellen sich (insbesondere auch für kleine und kleinste Gemeinden)? GEMEINDEREFORMEN - 1998 - Nr. 5488 im Forschungsverzeichnis In den Schweizer Gemeinden sind seit Beginn der 90er Jahre verschiedene Reformen eingeleitet worden, um die Leistungskapazitäten der Gemeinden zu steigern. Die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde ist keine absolute Grösse. Sie wird gemessen an konkreten politischen und gesellschaftlichen Zielvorgaben. Beispiele solcher Zielvorgaben sind: Effizienter Einsatz finanzieller Ressourcen, Kundenorientierung und Responsivität von Verwaltung und Behörden, politische Partizipation und demokratische Mitbestimmung, Rechtsstaatlichkeit und Legitimation, Rechtsgleichheit u. a. m. Im Forschungsprojekt wurden die wichtigsten kommunalen Reformprojekte (New Public Management (NPM), Kooperationen/Fusionen und Neuordnung der Aufgabenteilung) erstmals durch ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Bern untersucht. Da viele Reformvorhaben sich noch in Implementierungsphasen befanden, war die Feststellung umfassender Auswirkungen dieser Reformen nicht möglich. Ziel war vor allen Dingen, die Reformaktivitäten auf kommunaler Ebene in Raum und Zeit zu bestimmen und damit eine Grundlage für eine umfassend vergleichende Analyse von Reformen ganz allgemein zu bilden.

Results

In den Schweizer Gemeinden hat das subjektive Empfinden von Leistungsgrenzen zwischen 1994 und 1998 zugenommen. Den Gemeinden machen dabei vor allem die Bereiche "Neue Armut/Fürsorge" und "Arbeitslosigkeit" zu schaffen. Hier gibt jede dritte Gemeinde an, die Leistungsgrenzen erreicht zu haben. Beide Bereiche sind verhältnismässig stark mit der wirtschaftlichen Konjunkturlage verknüpft, und es ist davon auszugehen, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung wieder für Entspannung sorgt. Mit zunehmender Gemeindegrösse stossen die Gemeinden stärker an Leistungsgrenzen. Interessant ist, dass sich die Situation in den letzten Jahren etwas verschlechtert hat und 1998 in allen Grössenklassen etwas mehr Gemeinden angeben, an Leistungsgrenzen zu stossen. Ansatzweise zeigt sich bei der Grössenkategorie "100-249 Einwohner" ein etwas grösserer Anstieg der Leistungsgrenzen. Was die Unterschiede zwischen den Sprachregionen anbelangt, so hat zwischen den deutsch- und französischsprachigen Gemeinden eine Angleichung stattgefunden. Heute bestehen keine Unterschiede hinsichtlich der Leistungsgrenzen mehr, während vor vier Jahren die französischsprachigen Gemeindeschreiber die Situation noch klar problematischer einschätzten als ihre deutschsprachigen Kollegen. Die italienischsprachigen Gemeinden scheinen demgegenüber deutlich häufiger an Leistungsgrenzen zu stossen. In den Jahren 1995-1997 schlossen 32% aller Schweizer Gemeinden mit einem Defizit ab und 19% mussten den Steuerfuss seit 1994 erhöhen (Gemäss Selbstdeklaration der Gemeinden). Trotzdem gibt es immer noch 68% Gemeinden, die einen Ertragsüberschuss oder eine ausgeglichene Rechnung vorlegen konnten. In den Medien wird wohl vor allem über Problemfälle und die schwierige finanzielle Lage vieler grösserer Städte berichtet. Die Gemeinden insgesamt stehen deutlich besser da als der Bund und die Kantone. Ein Vergleich der Rechnungsabschlüsse von 1995-1997 und 1991-1993 zeigt, dass knapp die Hälfte aller Gemeinden, welche ihre Rechnung bereits zwischen 1991 und 1993 mit einem Aufwandüberschuss abschlossen, dies auch in den Jahren 1995-1997 taten. Es ist zu vermuten, dass es in der Schweiz eine Vielzahl von Gemeinden gibt, deren finanziellen Probleme strukturellen Charakter haben. Nachfolgend wird in Stichworten die Verbreitung der drei häufigsten Reformen in den Schweizer Gemeinden dargestellt. New Public Management: - Jede vierte Gemeinde hat sich bereits mit NPM auseinandergesetzt. - Reformaktivitäten werden zum Teil schlechthin als NPM - in einem weiteren Sinn - verstanden. Nur 20,6% aller Gemeinden, welche von sich sagen, sie hätten NPM eingeführt, haben bereits Produkte definiert. - In kleineren Gemeinden unter 1000 Einwohnern ist NPM im engeren Sinn bis heute kaum ein Thema, während sich grosse Gemeinden und Städte über 10'000 Einwohnern zum Teil intensiv mit der NPM - Umsetzung befassen. - In den grösseren Kantonen haben vor allem Berner und Zürcher Gemeinden mit NPM praktische Erfahrungen gesammelt; die NPM - Reformaktivitäten sind je nach Kanton sehr unterschiedlich. - Die kommunale NPM-Diskussion findet vor allem in der deutschen Schweiz statt. - Gemeinden mit einem grossen Leistungsangebot befassen sich deutlich intensiver mit neuen Steuerungsmodellen, als dies bei Gemeinden mit einem eher tiefen Leistungsangebot der Fall ist. - Je besser eine Gemeinde finanziell dasteht, desto häufiger befasst sie sich mit dem Thema NPM. - Gemeinden mit ausgeglichener Rechnung befassen sich weniger häufig mit NPM als Gemeinden mit Aufwand- resp. Ertragsüberschüssen. - Am meisten Interesse an NPM zeigen die Verwaltungen, gefolgt von den Exekutiven. Das Interesse von Legislative und Bevölkerung an NPM - Fragen ist - nach Aussagen der Gemeindeschreiber - sehr gering. - Das neue Steuerungsmodell wird vor allem in den Bereichen Allgemeine Verwaltung', Fürsorge/Sozialwesen', Ver- und Entsorgung' und Tiefbau' erprobt. Kooperationen und Fusionen: - Der Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) kommt wachsende Bedeutung zu. 62,5%, d.h. praktisch zwei Drittel der befragten Gemeinden geben an, die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden habe innerhalb der letzten fünf Jahre zugenommen. Für rund ein Drittel der Gemeinden (36,1%) ist das Ausmass der Zusammenarbeit im gleichen Zeitraum gleich geblieben. Nur ein verschwindend kleiner Teil der Gemeinden (0,6%) vermeldet eine Abnahme der Zusammenarbeit. - Vor allem Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern haben die IKZ überdurchschnittlich intensiviert. - Für alle Gemeindeaufgaben gibt es Beispiele Interkommunaler Zusammenarbeit. Am verbreitetsten ist die Zusammenarbeit aber in Schulfragen, der medizinischen Versorgung, Abwasserfragen, beim Abfall und Zivilschutz mit über 60% der Gemeinden, welche in diesen Bereichen zusammenarbeiten. - Noch sehr wenig verbreitet mit Werten unter 20% ist die IKZ in den verschiedenen Bereichen der allgemeinen Gemeindeverwaltung (Informatik, Rechnungswesen, Einwohnerkontrolle, Kanzlei und beim Personalmanagement), bei gemeindepolizeilichen Aufgaben, der Betreuung von Asylsuchenden, der Raum- und Zonenplanung, Baugesuchen, öffentlichen Bauten, dem Landschafts- und Ortsbildschutz, den Gemeindebehörden, dem Umweltschutz, privaten Verkehr und der Integration von Ausländern. - In den letzten fünf Jahren überdurchschnittlich zugenommen hat die Zusammenarbeit bei der Betreuung von Arbeitslosen, dem Zivilschutz, der Feuerwehr und der medizinischen Versorgung. - 17,9% der Gemeinden haben schon die Möglichkeit einer Fusion diskutiert. Konkrete Fusionsabsichten haben 7,9% aller Schweizer Gemeinden. Es handelt sich dabei überdurchschnittlich oft um Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und Städte ab 25000 Einwohnern. - 15 Kantonsverwaltungen messen Gemeindefusionen ein sehr grosses oder grosses Gewicht bei. Dies ist vor allem in Kantonen mit vielen Gemeinden zu beobachten, die zudem finanziell schlecht dastehen und Schwierigkeiten bei der Aufgabenerfüllung haben. Es trifft auch auf Kantone zu, in denen die Gemeindeausgaben im Vergleich zu den Kantonsausgaben hoch sind. - Am meisten Fusionsprojekte gibt es in den Kantonen Tessin und Freiburg. In 14 weiteren Kantonen laufen ebenfalls vereinzelte Projekte in den Gemeinden. - Initiant für Territorialreformen sind etwa gleich oft der Gemeinderat, der Gemeindepräsident und der Kanton. Die Rolle der Verwaltung, der Parteien und anderer Gremien ist von unterdurchschnittlicher Bedeutung. - Gemeindeschreiber glauben, dass die Verwaltung am reformfreudigsten sei. Sehr kritisch eingestellt sei die Bevölkerung. Vor allem in der Deutschschweiz wird diese Vermutung geäussert. Die Behauptung konnte im Rahmen einer Bevölkerungsbefragung nicht erhärtet werden. - Pro-Argumente für Fusionen sind Professionalisierung, Kostensenkung, Qualitätssteigerung, mehr Gewicht gegenüber dem Kanton und die Schwierigkeiten bei der Ämterbesetzung. Kontra-Argumente sind die verlorengehende Bürgernähe und Identifikation mit der Gemeinde sowie der Verlust der Kernzelle der Demokratie. Zudem genügen die bisherigen Formen der Zusammenarbeit. - Wer schon jetzt intensiv mit anderen Gemeinden kooperiert, ist gegenüber Fusionen aufgeschlossener. Die Schweizer Gemeinden glauben, dass in Zukunft Kooperationen mit anderen Gemeinden (Mittelwert: 3,7 auf einer Skala von 1 bis 5) einen höheren Stellenwert haben werden als Fusionen (Mittelwert: 2,3) und Kooperationen mit Privaten (Mittelwert: 2,4). Dem Abbau von Leistungen wird für die Zukunft nur ein unterdurchschnittlicher Stellenwert beigemessen (Mittelwert: 2,4). Die Gemeindeschreiber zeigen sich dagegen eher überzeugt, dass neue Aufgaben auf die Gemeinden zukommen werden (Mittelwert: 2,8). Auslöser für Reformen Es zeigt sich, dass gewisse Gemeinden reformfreudiger sind als andere. Verschiedene Erklärungsansätze bieten sich zur Begründung an, im wesentlichen lassen sich jedoch drei Gruppen von Ansätzen unterscheiden: -Gestaltungs- und Steuerungsthesen: Werden Reformen als "proaktive Problemlösungsstrategien" betrachtet, so kann davon ausgegangen werden, dass sie vor allem dort stattfinden, wo die notwendigen Ressourcen respektive ein gewisses soziales und politisches Kapital vorhanden sind. Entsprechend kann beispielsweise die Hypothese formuliert werden, dass vor allem in grösseren und urbaneren Gemeinden mit einer ausgebauten Verwaltung Reformen verstärkt auftreten. Dem könnte allerdings entgegengehalten werden, dass in kleineren Gemeinden die Entscheidungswege kürzer sind, und Reformen einfacher realisiert werden können. Eine wichtige Rolle im Bereich der Mobilisierungssthesen kommt auch den politischen Akteuren (politische Unternehmer, Parteien) zu. Eine dominante fortschrittliche Partei fördert Reformen, politische Patt-Situationen verhindern sie. Krisen- oder Systemszusammenbruchsthesen: Ausgangspunkt ist hier eine grundsätzliche Reformfeindlichkeit politischer Systeme. Sie reagieren nur, wenn es nicht anders geht, wenn sie aufgrund ihrer Strukturen nicht mehr in der Lage sind, die anfallenden Aufgaben zu bewältigen. Daraus ergibt sich die Vorstellung, dass nur ein möglichst grosser Leidensdruck die Kantone und Gemeinden dazu veranlasst, Reformen durchzuführen. Entsprechend wird versucht, die Häufung der Reformaktivitäten in den 1990er Jahren durch die angespannte Wirtschaftslage zu erklären. Demgegenüber haben jedoch verschiedene Autoren in ihren Untersuchungen festgestellt, dass im Gegensatz zur weit verbreiteten Annahme Finanzkrisen in der Regel nicht der primäre Grund für Reformen waren. Opportunitätsthesen: Eine dritte Gruppe von Auslösern kann sowohl Krisen- wie auch Gestaltungselemente beinhalten. Ihr Auftreten lässt sich aber nicht strukturell herleiten, respektive als geplante Prozesse darstellen. In diesen Bereich fallen kaum vorhersehbare Ereignisse, welche eine Konstellation entstehen lassen, die dann Reformen möglich oder notwendig macht. Dies können beispielsweise sogenannte "Trigger-Ereignisse" sein, wie etwa der Berner Finanzskandal oder das Solothurner Kantonalbank-Debakel, welche die Einführung von NPM-Projekten und anderen Reformbestrebungen ermöglichten. Nicht zu unterschätzen sind auch günstige Personalkonstellationen. Hierzu gehört die These, dass lange Amtsperioden von Verantwortlichen in den entsprechenden Ämtern, Departementen und Verbänden zu radikaleren Veränderungen führen als bei einem kontinuierlichen Nachrutschen, da "Generationen" übersprungen werden und die Sozialisierung der Nachfolger weniger umfassend gewährleistet werden kann. Und schliesslich gibt es auch situative Elemente, welche nur bedingt sachlich begründet werden können. Lässt sich zu einem bestimmten Zeitpunkt kein geeigneter Nachfolger für den Gemeindeschreiber finden oder melden sich zuwenig Kandidatinnen und Kandidaten für die Gemeindeexekutive, so mögen sich die Gemeinden darauf besinnen, die Gemeindeverwaltung zusammenzulegen oder gar zu fusionieren. Aus der Befragung der Gemeindeschreiber ergeben sich gewisse Hinweise dafür, wo und wie es zu den Reformen kommt. Analytisch werden zwei grundsätzlich verschiedene Wege verfolgt. In einen ersten Schritt wird geprüft, in welchen Gemeinden welche Reformen stattfinden, respektive stattgefunden haben. Dies hat den Vorteil, dass man mit verhältnismässig harten Daten arbeitet und die verschiedensten Reformprojekte mit erklärenden Variablen korrelieren können. In einem zweiten Schritt werden die Gemeindeschreiber direkt gefragt, welches die Gründe für die Reformen in ihrer Gemeinde waren und welche Kräfte dazu den Anstoss gegeben haben. Die nachfolgende Tabelle zeigt die signifikanten Korrelationen. Die Zusammenhänge sind in der Regel nicht besonders stark, was bei einer derart grossen Zahl an Untersuchungseinheiten auch nicht weiter erstaunt. Die stärksten Korrelationen finden sich bei den Sprachregionen. In der Deutschschweiz scheint es ganz allgemein häufiger zu Reformen zu kommen, wobei vor allem auch NPM viel häufiger ein Thema ist. Gemeindefusionen sind vor allem in katholischen Kantonen und in der italienischsprachigen Schweiz verbreitet. Die Gemeindegrösse korreliert positiv mit der allgemeinen Reformfreudigkeit sowie mit New Public Management. Umgekehrt trifft es allerdings nicht zu, dass sich die kleinen Gemeinden besonders häufig mit der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden respektive mit Fusionen auseinandersetzen. Beschäftigungsstruktur und Urbanität deuten schliesslich darauf hin, dass in den ruralen Gebieten Reformen seltener sind. Erstaunen mag, dass die Variablen, welche etwas über die finanzielle Situation einer Gemeinde aussagen, nicht oder nur schwach mit Reformen korrelieren, so dass die Mangelthese auf diesem Messniveau keine Bestätigung findet. Einzig bei der Einführung von Produktedefinitionen findet sich ein interpretationswürdiger Zusammenhang mit dem sinkenden realen Steuerertrag. In dieselbe Richtung weist auch der Leistungsgrenzenindex. Geben die Gemeinden besonders häufig an, dass sie an Leistungsgrenzen stossen, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie besonders reformfreudig sind. Dass NPM-Reformen mit einem hohen Anteil an SP-Sitzen in der Exekutive korrelieren, dürfte damit zusammenhängen, dass die SP vor allem in grösseren Gemeinden aktiv ist. Mit den FDP-Anteilen bestehen praktisch dieselben Korrelationen, was darauf hindeutet, dass Reformen nicht primär ein Ergebnis parteipolitischer Kräfteverhältnisse in der Exekutive sind. Direkter auf die Ursachen für Reformen bezogen sind die Antworten der Gemeindeschreiber auf die Frage nach den Gründen respektive Auslösern von Reformen, wobei es sich hier allerdings um eine subjektive Einschätzung handelt. An erster Stelle rangiert mit einem grossen Vorsprung ein grundlegendes Bedürfnis nach Veränderung, gefolgt von den beiden Leistungsindikatoren "finanzielle Notlage" und "Leistungsgrenzen" sowie die guten Erfahrungen anderer Gemeinden. Auch diese Antworten deuten darauf hin, dass sich mit "Krisenhypothesen" nicht alle Reformen erklären lassen, die finanzielle Situation ist aber deutlich wichtiger als auf aggregiertem Niveau. Dass rund 20 Prozent der Gemeinden, die Reformen durchgeführt haben, angeben, dass einer der Gründe die fehlende Anzahl Personen sei, die sich für ein Amt zur Verfügung stellen, mag erstaunen und deutet darauf hin, dass hier die Gemeinden effektiv an Leistungsgrenzen stossen. Erste Schlussfolgerungen Vieles macht den Eindruck, dass in der Schweiz - mit einer gewissen Verspätung - dieselben Reformbestrebungen angelaufen sind wie in anderen Ländern auch. Die Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Staatsebenen und Gebietsreformen standen in zahlreichen anderen Ländern schon in den 1970er und 1980er Jahren zur Diskussion und führten auch zu neuen Lösungen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass sich die Ansprüche an die kommunale Ebene in den letzten Jahren gewandelt haben. Ging es damals in erster Linie darum, die lokale Ebene mit einem zusehends interventionistischeren (Zentral-)Staat in Einklang zu bringen, was in der Folge vor allem von den Anhängern der freien Marktwirtschaft kritisiert wurde, so finden die Reformen heute unter veränderten Bedingungen statt und werden wohl auch zu anderen Resultaten führen. Bei der Aufgabenteilungsdiskussion steht in den 1990er Jahren zwar nach wie vor der Anspruch einer optimalen und einer gewissen Verteilungsgerechtigkeit garantierenden Steuerung im Vordergrund, man ist sich jedoch sowohl der Gefahr der Übersteuerung wie auch den Schwächen der Marktwirtschaft bewusster geworden. Bei der Diskussion der Gemeindefusionen ist beispielsweise zu bezweifeln, dass es zu Territorialreformen im grossen Stil kommen wird. Wahrscheinlich liegt die Zukunft in der verstärkten Zusammenarbeit auf der Basis einer variableren Geometrie des Staates. Mit dem Begriff "gouvernance" werden Herausforderungen an die traditionelle Staatsorganisation beschrieben, welche sich auch in den Reformprojekten bemerkbar machen. In welchem Raum soll Politik betrieben werden und welche Akteure sind daran beteiligt? Wer übernimmt die politische Verantwortung und wie können verbindliche Entscheide getroffen werden. Zur Zeit beschäftigen sich die Reformer allerdings vor allem mit Zuständigkeitsproblemen respektive mit der Frage der Steuerung und der Kontrolle. Die für eine demokratische Legitimation wichtigen Entscheidungs- und Verteilungsprobleme gestalten sich ungleich kontroverser und bleiben weitgehend ausgeklammert. In international vergleichender Perspektive stellt sich die Frage, wie weit die Schweiz ein Sonderfall darstellt, aus dem zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden können, oder ob sie sich in den internationalen Kanon einreiht und somit den allgemeinen Trend bestätigt. Während die gesellschaftlichen Ursachen für den Reformbedarf wohl ähnlich sind wie in anderen Staaten auch, so gibt es doch distinktiv andere Voraussetzungen. Konsensdemokratie, Direkte Demokratie, Föderalismus, Gemeindeautonomie, Milizsystem usw. sind zwar nicht weltweit einmalig, sie führen jedoch dazu, dass die Diskussionen auf einem anderen Niveau stattfinden und teilweise in eine andere Richtung gehen. Wenn es beispielsweise in Deutschland darum geht, auf lokaler Ebene neue Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen, so sind in der Schweiz die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger relativ ausgebaut, so dass eher eine Verwesentlichung der Partizipation im Vordergrund steht. Die teilweise Aufhebung des obligatorischen Referendums weist etwa in diese Richtung. Auch bei auf Interessenausgleich ausgerichteten Verhandlungssystemen (Runde Tische, partizipative Planung usw.), steht in der Schweiz nicht deren prinzipielle Einführung zur Diskussion, sondern es stellt sich vielmehr die Frage, wie mit diesen Instrumenten umgegangen werden muss, damit die damit verbundenen Nachteile wie Schwerfälligkeit und tendenzielle Innovationsfeindlichkeit minimiert werden können. Besonders deutlich wird die Bedeutung der Ausgangslage bei der Frage der Dezentralisierung. Während die Reformen in einem zentralisierten Staat wie Frankreich Richtung Dezentralisierung laufen, so gehen die Ansätze in der Schweiz in die andere Richtung. Die Schweiz ist zwar kein Sonderfall, wohl aber ein Modellfall für institutionellen Wandel in einem ausgebauten, komplexen, hochgradig integrativen und auf Bürgerpartizipation beruhenden System. Eine andere und noch offene Frage ist, ob sich die verschiedenen politischen Systeme im Sinne der Konvergenztheorien einander annähern, oder ob sie durch die je spezifischen Reformaktivitäten weiter auseinander getrieben werden.