Rechtslinguistik: Linguistik des Rechts und für das Recht

Ref. 5870

General description

Period

Gegenwart

Geographical Area

-

Additional Geographical Information​

Deutschschweiz

Abstract

Das Hauptziel des Forschungsprojekts ist eine linguistische Erforschung der "Spracharbeit" in der Welt des Rechts. Es soll damit ein Dialog von Rechts- und Sprachwissenschaft, der in den letzten Jahren ausserhalb der Schweiz intensiver in Gang gekommen ist, aufgegriffen, ergänzend weitergeführt und in der Schweiz etabliert werden. Schwerpunkte: 1. Eine linguistische Rekonstruktion der "Spracharbeit" im Recht in drei Punkten: (a) in einer fachsprachentheoretischen, text- und soziolinguistischen Bestandsaufnahme der Rechtssprache, ihrer verschiedenen Textsorten und deren Produktion und Rezeption - dies als Grundlage für eine fundiertere Diskussion über das Problem der Verständlichkeit der Rechtssprache; (b) in einer an Semantik und Verstehenstheorie, an Rhetorik, Argumentations- und Erzähltheorie orientierten Rekonstruktion der typischen "Rechtsarbeit": der "Subsumtion" eines Sachverhalts unter Rechtsnormen; (c) in einer hauptsächlich an Semantik und Sprachhandlungstheorie orientierten linguistischen Rekonstruktion juristischer Beurteilungen von Sprache, sprachlichen Formulierungen und Handlungen - und in der Konfrontation dieser juristischen Sicht mit der linguistischen. 2. Ein Vergleich der unter (1) erhobenen effektiven Spracharbeit mit der juristischen Selbstwahrnehmung dieser "Spracharbeit" und mit dem juristischen Bild von der Sprachwissenschaft. 3. Eine Bestandsaufnahme von der fachsprachlichen Ausbildung der Juristen (im Rahmen der fachwissenschaftlichen Ausbildung) und von den in dieser Ausbildung vermittelten Begriffen von Sprache. Besondere Akzente des Forschungsvorhabens liegen zum einen auf der empirischen Erforschung des effektiven Umgangs von Juristen mit Sprache und zum andern auf verschiedenen Unternehmungen zur Etablierung eines interdisziplinären Dialogs von Sprachwissenschaft und Rechtswissenschaft und Rechtspraxis. Das Projekt will einen Beitrag leisten zur weiteren Etablierung einer Rechtslinguistik als einer bestimmten "Domänenlinguistik" im doppelten Sinne: (a) im Sinne einer linguistischen Bestandsaufnahme einer Domäne mit ihrer tatsächlichen Sprachpraxis und der diesbezüglichen Selbstwahrnehmung (mit der möglichen Konsequenz, dass die Linguistik bestimmte herkömmliche Auffassungen von Sprache und Sprachgebrauch zu revidieren hat) und (b) im Sinne einer linguistischen Hilfestellung für diese sprachliche Domäne. Die Arbeit ist also sowohl für die Sprachwissenschaft (in theoretischer und empirischer Hinsicht) wie auch für die Rechtswissenschaft, die rechtswissenschaftliche Ausbildung und die praktische Jurisprudenz wichtig. Sie reiht sich ein in grössere aktuelle Forschungstendenzen der Sprachwissenschaft von erheblicher gesellschaftlicher Relevanz; zu nennen sind der Bereich Sprache in Institutionen (mit der Problematik der Verständigung von Staat und Bürgern, Experten und Laien) und die Fachsprachenforschung (und hier besonders die fachsprachliche Ausbildung und Sozialisation im tertiären Bildungsbereich). Daneben bewegt sich das Projekt in traditionellen Kernbereichen der Sprachwissenschaft - Semantik, Sprachhandlungstheorie, Textlinguistik - und verspricht hier zu neuen sprachtheoretischen Einsichten zu kommen.

Results

Das Projekt wurde per September 1999 gegenüber dem SNF abgeschlossen. Die Forschungsarbeiten gehen aber auf privater Basis weiter. In dem Projekt wurden umfangreiche Literatur- und Falldokumentationen erstellt; sie sind teils über Publikationen und teils auf einer Internetseite zugänglich gemacht. Das Projekt hat auf verschiedenen Wegen einen Dialog zwischen dem Recht und der Linguistik und zwischen rechtslinguistischer Praxis und universitärer Forschung und Lehre initiiert sowie die Rechtslinguistik an den Schweizer Hochschulen bekannter gemacht. Die Schwerpunkte der theoretischen und empirischen Arbeit lagen auf der textlinguistischen Beschreibung und sprachkritischen Bewertung von Erlasstexten, auf einer linguistischen Erforschung der juristischen Praxis der Protokollierung und der Verwertung von protokollierten Äusserungen sowie auf linguistischen Aspekten des Kennzeichenrechts. Sektorielle Vorarbeiten für ein "Linguistisches Vademecum für Juristen" sind durchgeführt worden. Es sind zahlreiche weitere Publikationen geplant.